Ein neuer Garant für unabhängige Dopingkontrollen?

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Die neue „International Testing Agency“ (ITA) nimmt Gestalt an. Sie soll vor allem unabhängig sein und für hohe Standards bei den Dopingkontrollen sorgen. Ihre erste Mission hatte die ITA bereits bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang.

Die „International Testing Agency“ ist – wie sollte es auch anders sein – ebenfalls aus dem russischen Doping-Skandal entstanden. Unabhängigkeit wird im Sport oft gefordert, ist aber nur selten durchsetzbar. Bei der ITA soll dies nun anders sein. Valérie Fourneyron, ehemalige französische Sportministerin und ausgebildete Ärztin, steht dem Verwaltungsrat der neuen „International Testing Agency“ vor und soll der Garant für die Unabhängigkeit der neuen Behörde sein, die internationalen Verbänden und Organisatoren von sportlichen Großevents ihre Dienste anbietet.

Das Interesse der Verbände sei groß, beteuerte der designierte Generaldirektor Benjamin Cohen anlässlich des jährlichen Symposiums der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) vergangene Woche in Lausanne. In Pyeongchang war die ITA bereits mit der Durchführung der Dopingtests beauftragt. Da sie allerdings noch nicht über eigenes Personal verfügt, hat sie auf Mitarbeiter der „Doping-Free Sport Unit“ von der „Global Association of International Sports Federations“ zurückgegriffen. Diese könnten auch die ersten Mitarbeiter der ITA werden.

Die „International Testing Agency“ soll allerdings die nationalen Anti-Doping-Agenturen oder -Abteilungen der Verbände nicht überflüssig machen. Sie übernimmt nur einen Teil der Aufgaben in der Dopingbekämpfung und soll für Unabhängigkeit sowie hohe Standards bei Dopingtests sorgen.


Struktur der ITA

Die Idee einer unabhängigen Behörde für Dopingtests ist nicht wirklich neu. Konkret wurde das Projekt auf der IOC-Versammlung 2015. Zuerst sollte die neue Agentur „Independent Testing Agency“ heißen, bevor der Name dann in „International Testing Agency“ umgeändert wurde. Präsidentin des Verwaltungsrats ist die ehemalige französische Sportministerin Valérie Fourneyron. Als Vertreter des IOC sitzt deren Vizepräsident Ugur Erdener aus der Türkei im Verwaltungsrat, Vertreter der internationalen Verbände ist der Italiener Francesco Ricci Bitti und Vertreterin der Sportler ist Kirsty Coventry aus Simbabwe. Neben Fourneyron sitzt ein weiteres unabhängiges Mitglied im ITA-Verwaltungsrat, und zwar der chinesische Professor Chen Peijie.

Als Generaldirektor wird der Schweizer Benjamin Cohen seine Arbeit im Juni aufnehmen. Momentan ist er noch als Direktor der WADA-Vertretung in Europa aktiv. Die ITA wird ihren Hauptsitz in Lausanne haben, wo man Räumlichkeiten für bis zu 40 Angestellte angemietet hat. Das Budget, um die neue Behörde aufzubauen, beträgt rund 24 Millionen Euro und wird von der Sportbewegung getragen. Ziel ist es allerdings, dass sich die ITA selbst finanziert durch die Einnahmen, die sie erwirtschaftet, indem sie den internationalen Verbänden und Veranstaltern von Großereignissen ihre Dienste anbietet.


Das Angebot der ITA

Das Angebot der neuen Behörde soll weit über die Durchführung von Dopingtests hinausgehen. Im Basis-Package, auf das internationale Sportverbände zurückgreifen können, sind sowohl Tests während als auch außerhalb der Wettkämpfe inbegriffen.
Außerdem übernimmt die ITA das Result Management sowie die Planung der Tests, kümmert sich um die Whereabouts der Athleten und um die medizinischen Ausnahmegenehmigungen, die sogenannten TUEs („Therapeutic Use Exemptions“). Zudem soll die ITA auch Dopingvergehen in erster Instanz verhandeln. Damit würde sie eine ähnlich unabhängige Rolle wie die des „Conseil de discipline contre le dopage“ in Luxemburg einnehmen. Als optionale Dienstleistungen bietet die ITA noch das Management der biologischen Athletenpässe, eine zweite Instanz bei Dopingvergehen und die Aufbewahrung sowie die Nachanalyse von Dopingproben an. Was Kunden für diese Dienste bezahlen müssen, ist noch nicht bekannt.


Wie unabhängig ist die ITA?

Die meisten Kontrollorgane im Sport haben immer wieder mit dem Vorwurf zu kämpfen, dass sie nicht unabhängig seien. Das ist zum Beispiel bei der WADA der Fall, da ihr aktueller Präsident, Craig Reedie, eine gewisse Zeit auch Mitglied der IOC-Exekutive war.

Auch die „International Testing Agency“, die sich Unabhängigkeit groß auf die Fahne schreibt, muss sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt verteidigen. Der Vorwurf: Zu groß sei der Einfluss des Internationalen Olympischen Komitees.

Der designierte Generaldirektor Benjamin Cohen hat diese Anschuldigungen gegenüber dem Branchenportal insidethegames.biz als „Verschwörungstheorie“ abgetan, aber zugleich erklärt: „Wir haben jetzt einen ersten Schritt getan. Die Möglichkeit besteht, dass die Konstellation des Verwaltungsrates in zwei oder drei Jahren anders aussehen wird, sollten Leute der Meinung sein, dass die aktuelle Zusammensetzung ein Problem darstellt. Aber um ehrlich zu sein, sehe ich darin kein größeres Problem“, meinte er.


Dr. Anik Sax: „Begrüßenswert, aber noch relativ theoretisch“

Dr. Anik Sax von der luxemburgischen Anti-Doping-Agentur (ALAD) hat sich die Erläuterungen von Valérie Fourneyron in Lausanne ganz interessiert angehört. „Im Prinzip ist es eine gute Sache, doch im Moment ist alles noch relativ theoretisch. Ich begrüße aber jede Bestrebung nach größerer Unabhängigkeit.“
Dass die neue „International Testing Agency“ die nationalen Anti-Doping-Agenturen entlasten wird, glaubt Sax nicht unbedingt. „Es wird auch interessant werden, wie die internationalen Verbände und potenziellen Kunden die Gründung der ITA aufnehmen und dann reagieren werden, wenn die Agentur erst einmal eingreift.“

Viele Sportverbände oder Ausrichter von Großevents geben solche sensible Aufgabenbereiche wie die Doping-Bekämpfung nicht gerne aus der Hand. In der Vergangenheit wurde in diesem Bereich immer wieder vieles unter den Teppich gekehrt, um das eigene Image zu wahren. Nun soll allerdings eine unabhängige Behörde das Aufgabenfeld der Dopingtests übernehmen. „Mal sehen, wie die Reaktion ausfallen wird, wenn die ITA interveniert“, meint Sax gespannt.

Im Sport wird oft Unabhängigkeit gefordert, aber nur selten durchgesetzt. Bei der „International Testing Agency“ ist Sax aber zuversichtlich, dass es klappen wird. „Ich bin aus zwei Gründen optimistisch: erstens die Verwaltungsratspräsidentin.  Fourneyron hat bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass sie eine integere Person ist, der es immer um die Sache geht. Meiner Meinung nach ist sie die optimale Besetzung und kann dieses Projekt auch zum Erfolg führen. Der zweite Grund ist der designierte Generaldirektor Benjamin Cohen. Auch er wirkt sehr dynamisch. Seine Arbeit als Direktor der europäischen Niederlassung der WADA in Lausanne erledigt er sehr gut. Dass er nun den Posten bei der ITA übernehmen wird, ist auf der einen Seite begrüßenswert, auf der anderen ist es ein Verlust für die Welt-Anti-Doping-Agentur.“


Die Tageblatt-Doping-Serie

Das Tageblatt war letzte Woche auf dem jährlichen WADA-Symposium in Lausanne. Die vergangenen Jahre und Monate rund um den Russland-Skandal haben die Anti-Doping-Bewegung grundlegend verändert. Bis einschließlich Samstag wird das Tageblatt täglich einen Aspekt des Anti-Doping-Kampfes beleuchten. Unten stehend die verschiedenen Themen unserer Serie.