Trennung von Kirche und Staat vollzogen

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Die Abgeordneten haben der Abschaffung der Kirchenfabriken zugestimmt – und damit die definitive Trennung von katholischer Kirche und Staat besiegelt.

Für Luxemburg sicher ein historischer Moment: Am Mittwoch haben die Abgeordneten dem Gesetz zur Schaffung eines neuen Fonds und der Abschaffung der Kirchenfabriken zugestimmt und damit die definitive Trennung von katholischer Kirche und Staat besiegelt.

Von Serge Kennerknecht

Mit 34 Ja- und 26 Nein-Stimmen haben die Abgeordneten dem Gesetz zugestimmt, das wie kaum ein anderes in der letzten Zeit für viele Diskussionen gesorgt hatte. Somit hat die Regierung eines ihrer wichtigsten Reformprojekte umgesetzt. Eine Reform, die angesichts der jahrzehntelangen Diskussion über die Rolle der katholischen Kirche durchaus als historisch bezeichnet werden kann. Nach der Abschaffung des Tedeums in der Kathedrale als zentrales Ereignis des Nationalfeiertags und dem Ersetzen des Religionsunterrichts in den Schulen durch den Werteunterricht ist das gestern gestimmte Gesetz die letzte Etappe bei der Trennung von Kirche und Staat in Luxemburg.

Bei Regierungsantritt habe die aktuelle Koalition festgehalten, dass es gelte, die Beziehungen zwischen Kirche und Staat den heutigen Gegebenheiten anzupassen. Hierbei konnte sie sich auf die Schlussfolgerung einer Analyse einer Expertengruppe berufen, die im Jahr 2012 vom früheren CSV-Kultusminister François Biltgen einberufen worden war. Diese kam zum Schluss, dass die katholische Kirche in Luxemburg gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften bevorteilt würde. Es ging vorrangig um die Beziehungen zwischen Kirche, Kirchenfabriken und Gemeinden und darum, die Besitzverhältnisse zu klären. Die Kirchenfabriken, die per kaiserliches Dekret aus dem Jahr 1809 geschaffen wurden, waren dabei das größte Problem. So mussten die Gemeinden bislang für das Defizit der Kirchenfabrik aufkommen.

Mit dem Gesetz vom 17. März 2017, mit dem das Dekret von 1809 eine erste Änderung widerfuhr, wurde festgehalten, dass das Defizit der Kirchenfabriken nicht mehr von den Kommunen zu tragen sei. Und dass die Gemeinde der Kirche kein Haus mehr als Wohnung für den Pfarrer zur Verfügung stellen muss. Gestern nun erfolgte die zweite Etappe, die die Reform abschließt. Grundlage für das Gesetz ist die Konvention vom 26. Januar zwischen der katholischen Kirche und dem Staat. Diese wurde zwischen Bistum und Staat ausgehandelt. Auch vor dem Hintergrund der kircheninternen Reform, die die Zahl der Pfarreien in Luxemburg auf 35 reduziert. Die Konvention sieht u.a. die Einrichtung eines neuen Fonds vor, der die bisherigen Verwaltungsaufgaben der Kirchenfabriken übernehmen wird. Die 285 Kirchenfabriken im Land werden daher abgeschafft. Die bisher von ihnen verwalteten Güter und Gelder werden in den neuen Fonds fließen, der dem Erzbischof untersteht. Mit dem neuen Gesetz wird eben dies umgesetzt (siehe Kasten). Hinzu kommt, dass die Besitzverhältnisse bei den Kirchen im Lande endlich geklärt werden.

Berichterstatter Claude Haagen betonte auch als LSAP-Sprecher, dass das neue Gesetz im Konsens mit der Kirche zustande gekommen war. Die Idee, einen Fonds einzurichten, sei vom Bistum eingebracht worden. Mit dem neuen Gesetz werde der Staat der katholischen Kirche gegenüber neutral.

Keine Enteignung

Der Fonds kann die Aufgaben der Kirchenfabriken übernehmen, weil er ein ähnliches Statut hat. Von einer Enteignung könne keine Rede sein. Genau dies hat das Syfel, der vom Bistum ins Leben gerufene Dachverband der Kirchenfabriken, behauptet. Laut Syfel hätten Bistum und Innenminister die Konvention nicht aushandeln dürfen, ohne vorher auch die Kirchenfabriken einzubeziehen, die sich als Eigentümer kirchlicher Güter sehen. Dabei sind sie laut Dekret von 1809 nur Verwalter dieser Güter. Hieran erinnerte auch ein königliches Dekret aus dem Jahre 1824, das ausdrücklich festhält, dass es damit Schluss sein müsse, dass sich verschiedene Mitglieder von Kirchenfabriken als Besitzer aufspielen würden. Im Dekret von 1809 werden die Kirchenfabriken auch ausdrücklich dem Bischof unterstellt, der zu jeder Zeit Einblick in die Konten verlangen dürfe. All dies hat die Kirchenfabriken nicht daran gehindert, gegen das Erzbistum und die Regierung vor Gericht zu klagen.

Für CSV Rückschritt

In ihrem Beitrag unterstellte die CSV-Abgeordnete Diane Adehm den Mitgliedern der Regierungsparteien, dass die gestrige Abstimmung für sie ein großer Tag sei. Für die CSV jedoch sei es ein Rückschritt für das Zusammenleben in Luxemburg. Das Land sei ohne Not gesellschaftlich gespalten worden. Das Gesetz hätte auch im Dialog zustande kommen können. Allerdings hätte Innenminister Kersch diesen Dialog besonders mit Blick auf das Syfel verweigert und nur mit dem Bistum verhandelt. Das Gesetz sei mit „Bulldozer-Fassong“ durchgebracht worden. Es sei vorrangig um ideologisch motivierte Argumente gegangen. Mit dem Gesetz würden die Kirchenfabriken enteignet.

Heutige Realität

Diesen Ausführungen widersprach DP-Vertreterin Lydie Polfer. Das Gesetz beruhe auf der Konvention zwischen Regierung und Kirche. Sie könne sich nicht vorstellen, wie Adehm meinte, dass der Erzbischof ein Gesetz, das das Land spalten solle, befürwortet. Sie verwies auf die zahlreichen Gespräche zwischen den Vertretern der Hauptstadt und jenen der Kirchenfabriken bei der Ausarbeitung des Gesetzes und machte klar, dass dieses durchaus im Konsens entstanden sei. Für Roberto Traversini, Bürgermeister von Differdingen und Sprecher von „déi gréng“, wird die Beziehung zwischen Kirche und Staat mit dem neuen Gesetz der heutigen Realität angepasst. Der Streit um die Kirchenfabriken sei ein kircheninterner Streit, mit dem die Regierung nicht viel zu tun habe. Marc Baum von „déi Lénk“ sieht in dem neuen Gesetz eher eine Entflechtung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat denn eine Trennung.

Der ADR-Abgeordnete Gast Gibéryen meinte, die Regierung sei mit Erpressungsmethoden vorgegangen und von blindem Hass gegen die Kirche geleitet gewesen. Die ADR werde, wenn sie an einer Regierung beteiligt sein sollte, das Gesetz ändern und die Kirchenfabriken wieder einführen.

Einen interessanten Austausch über legale Aspekte und die Frage, ob das Konkordat aus dem Jahr 1801 überhaupt noch gültig sei, lieferten sich Alex Bodry und Michel Wolter. Für Innenminister Dan Kersch ist der 17. Januar 2018 ein geschichtsträchtiger Tag. Nur wenige hätten vor fünf Jahren daran geglaubt, dass man in der Frage von Kirche und Staat so weit kommen würde. Dass es dabei nicht zu einem Kulturkampf oder zum Streit zwischen den Regierungsparteien gekommen sei, sei auf das Fingerspitzengefühl zurückzuführen, mit dem das Dossier angegangen worden sei. Das Bistum sei dabei der einzige Ansprechpartner gewesen, der verbindlich für die Kirche verhandeln konnte. Der CSV warf der Minister vor, in den letzten Jahren nie aktiv in der Frage geworden zu sein und auch nicht vor hatte, überhaupt aktiv zu werden.

Allgemein bedauerte Kersch, dass die ganze Diskussion von Oppositionsseite oft mit Schlägen unter der Gürtellinie verbunden war.


Gesetzesprojekt 7037

Ein neuer Fonds wird geschaffen, in den die Güter und Gelder der bisherigen Kirchenfabriken einfließen werden. Die 285 Kirchenfabriken im Lande werden abgeschafft. Der neue Fonds untersteht dem Erzbistum. Ein aus mindestens drei von der Kirche benannten Personen bestehender Verwaltungsrat wird dem Fonds ein internes Reglement geben. Der Fonds kann dezentrale Verwaltungsstrukturen einrichten, die keine juristische Persönlichkeit haben. Die Festlegung der Zahl solcher Strukturen obliegt dem Verwaltungsrat.

Die Gemeinden dürfen den Fonds nur finanziell unterstützen, wenn diese Subventionen dem Erhalt oder der Verschönerung der Kirche dienen. Bestandteil des Gesetzes sind drei Anhänge („Annexes“).

„Annexe I“ listet die Liegenschaften der Pfarreien auf („biens de cures“).

„Annexe II“ listet auf, welche Kirchen dem neuen Fonds und welche der Gemeinde gehören. Wenn eine Gemeinde eine ihr gehörende Kirche für andere Zwecke nutzen will und diese daher
entweiht werden soll, kann sich der Bischof dem Antrag nicht widersetzen.

„Annexe III“ listet Kirchen auf, die den Gemeinden gehören. Soll eine dieser Kirchen entweiht werden, muss die Zustimmung des Bistums vorliegen. Wird diese Zustimmung verweigert, geht die Kirche in Fonds-Besitz über.

Will der Fonds eine Kirche nicht mehr für kirchliche Zwecke nutzen, geht diese an die Gemeinde oder an den Staat. Will der Fonds eine Kirche nutzen, die einer Gemeinde gehört, muss diese sie dem Fonds für 1.000-2.500 Euro vermieten.


STIMMEN AUS PARTEIEN UND VERBÄNDEN

Alex Bodry (Chef der LSAP-Fraktion): „Courage gezeigt“

Alex Bodry

„Es wurde Zeit, dass das juristische Imbroglio über den Besitz der Kirche endlich geklärt wurde. Die CSV hat diese Frage jahrelang vor sich hingeschoben und ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Diese Regierung hatte die Courage, das Problem endlich anzugehen und Transparenz in die Besitzverhältnisse und die Buchführung einzubringen. Es liegt nun am Bistum, Beteiligungsplattformen zu schaffen, damit die Kirchenmitglieder die Reform mittragen.“


Michel Wolter (CSV): „Persönliche Gefühle“

„Unsere Analyse beschäftigte sich mit Fragen der Legalität und der Verfassungsmäßigkeit des neuen Gesetzes. Zudem haben wir unsere Alternativen dargelegt. Der Austausch zwischen Alex Bodry und mir war vom Respekt gegenüber der Person gekennzeichnet. Innenminister Kersch hingegen hat 20 Minuten lang gezeigt, dass es ihm nicht um das Dossier gegangen ist, sondern um persönliche Gefühle. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis alle Fragen juristisch geklärt sein werden. Das hätte man auch anders machen können.“


Atheisten, Humanisten und Agnostiker: „Wichtiger Tag“

Die Allianz der Atheisten, Humanisten und Agnostiker (AHA) begrüßte die Abschaffung der Kirchenfabriken. AHA spricht von einem „wichtigen Tag für den zukünftigen laizistischen Staat Luxemburg“. Das Gesetz sei allerdings nur ein Schritt in Richtung dessen, was AHA den Idealzustand nennt. Nun sei ein wichtiger Aspekt die Transparenz des neuen Fonds. Der Staat müsse „sicherstellen, dass der Gesamtbesitz der katholischen Kirche endlich bekannt wird, und dies der Öffentlichkeit mitteilen“. Nach „jahrzehntelangem CSV-Stillstand“ habe sich nun unter der aktuellen Regierung etwas getan, allerdings könne man erst von einer echten Trennung von Kirche und Staat sprechen, wenn der Staat alle Geldflüsse an alle „religiösen Clubs“ komplett abschafft.


Innenminister Dan Kersch: „Großer Schritt“

Dan Kersch

Die Debatte ist wie erwartet verlaufen, mit einer CSV, die sich in totaler Opposition übte. Es war mir wichtig, aufzuzeigen, welche Rolle die CSV bislang im Dossier gespielt hat. Sie ist schlecht platziert, um anderen Lektionen erteilen zu können. Es ist leicht, alles kaputt zu reden, ohne selber etwas Positives beizutragen. Sicher bleiben noch juristische und institutionelle Fragen, die gelöst werden müssen. Wie bei jeder größeren Änderung. Wir sind in Abstimmung mit der Kirche einen großen Schritt weitergekommen. Die Kirche muss sich nun organisatorisch so aufstellen, dass alles umgesetzt werden kann.“


Roberto Traversini („déi gréng“): „Positive Entwicklung“

„Meiner Meinung nach ist das Gesetz eine positive Entwicklung. Umso mehr, als es viel mit weit hinter uns liegender Geschichte zu tun hat. Es ist wichtig, die Beziehung Kirche und Staat den heutigen Gegebenheiten anzupassen und die Besitzverhältnisse endlich zu klären. Und es ist gut, dass die Gemeinden die Verschönerungen und den Erhalt von Kirchen unterstützen können, wenn sie dies wollen. Im Großen und Ganzen passt das Gesetz gut in unsere heutige Gesellschaft.“


Marc Baum („déi Lénk“): „Saubere Trennung“

„Wir haben dem Gesetz zugestimmt, weil hiermit ein wichtiger Schritt in Richtung Entflechtung von Kirchen und Staat vollzogen wird. Die Attacken gegen den Innenminister und den Bischof kritisieren wir. Die Regierung ist den Weg des Dialogs gegangen. Heraus kam eine vernünftige Regelung im Interesse aller. Das Vorhaben von CSV und ADR, einen Kulturkampf anzuzetteln, ist schiefgelaufen. Eigentlich kommen wir jetzt in die Nähe von Zuständen, wie sie sich Leute, die für eine saubere Trennung stehen, wünschen.“