Reise zum Ursprung der Wählscheibe

Reise zum Ursprung der Wählscheibe
Die "Handvermittlung" verlangte den Postmitarbeiten einiges ab: Mehrere Beamte sind, wie hier in den 60ern nötig, um die Gespräche von und ins Ausland zu "vermitteln".

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Wie alles begann

Noch vor dem Telefon setzte zunächst die Armee Telegrafen zur Nachrichtenübermittlung ein. Die erste elektrische Telegrafenleitung verband seit 1854 die Garnisonsstandorte Luxemburg und Trier.

Sieben Jahre später, ab 1861, dehnte sich das Telegrafennetz aus. Die Eisenbahn und öffentliche Verwaltungen gehörten zu den ersten Nutzern. Erst 1863 öffnete sich das Telegrafennetz auch für die breite Öffentlichkeit.

Der Telefondienst übernimmt

Auch im Zeitalter des Telegrafen drängte die Zeit. Um Telegramme von A nach B schneller zu verschicken, wurden zwischen 1881 und 1884 die Agenturen in Esch/Sauer, Bauschleiden, Weiswampach, Grosbous, Bettborn und Junglinster mit einem Telefon ausgestattet.

Das Gesetz vom 20. Februar 1884 erlaubte jedermann – nicht nur Verwaltungen, Postämtern und Armee – die Nutzung der Fernsprechgeräte.

Nur ein Jahr später nahm das Telefonamt in der Hauptstadt seinen Betrieb mit einer für damals beachtlichen Anzahl von 91 Abonnenten auf. Zum Vergleich: Berlin, zur Zeit von Reichskanzler Bismarck, zählte damals 48 Abonnenten.

Die Entwicklung des Fernmeldewesens schritt mit schnellen Schritten voran. Bereits 1920 gab es in Luxemburg 4.500 sogenannte „handvermittelte“ Teilnehmer. Das Jahr 1922 läutete die Automatisierung der entsprechenden Dienste ein, als das Ortsamt in der Hauptstadt mit „dem ersten halbautomatischen Fernverkehr“ in Betrieb genommen wurde. Anfang und Mitte der 30er Jahre, bis etwa 1936, erreichte die neue Technik den Süden Luxemburgs, bevor sie 1941 mit dem Neubau der Ämter in Ettelbrück und Diekirch und deren Ortszentralen vorläufig aufgehalten wurde.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelte sich der flächendeckende Netzausbau weiter. In gewisser Weise steht das Jahr 1950 für den Anfang der „integralen Automatisierung“ des Telefonnetzes in Luxemburg. Das hatte seinen Preis. Für die Verwirklichung des Vorhabens beantragte die Post beim damaligen Finanzminister rund 300.000.000 Franken (etwa 7,5 Mio. Euro). Zum Vergleich: In den 50er Jahren verdiente ein Arbeiter in Luxemburg rund 100 Euro monatlich.

Mitte August 1954 nahm das erste automatische EMD-Amt (Edelmetall-Motor-Drehwähler) in Luxemburg-Stadt seine Arbeit auf, bevor 1963 die Automatisierung des Fernmeldenetzes im Land vollständig abgeschlossen wurde.

Die nächste Etappe in der Entwicklung der Telekommunikation stellte 1979 die Einführung des sogenannten Elektronischen Wahlsystems dar, bevor 1986 das digitale Zeitalter mit der Einrichtung der ersten beiden Zentralen in der Hauptstadt und in Belair eintrat.

Grosbous hatte schon früh die Nase vorn

Der erste Telefonapparat stand bereits 1884 in Grosbous. Damit wurde nicht telefoniert, sondern Telegramme verschickt. Dank der neuen Technik wurde das Morsen ad acta gelegt und die Übermittlung des Telegramminhaltes wesentlich vereinfacht.

Es sollte aber weitere fünf Jahre dauern, bis der „Verkehr vom Abonnent zu Abonnent“ in Grosbous sowie von und nach Bauschleiden, Esch/Sauer, Bögen und Dalheim zum Alltag wurde. Wie schnell sich die neue Art, auf Entfernung miteinander zu kommunizieren, durchsetzte, wird durch diese Zahl unterstrichen: 1895, nur sechs Jahre nach der Errichtung des Telefonnetzes im Ort, berichten die Chroniken von insgesamt „500 vermittelten Gesprächen und Telegrammen“.

Über die Grenzen hinaus

Miteinander telefonieren, wenn man an zwei unterschiedlichen Orten wohnte? Anfangs war das unmöglich. „Die ersten Netze waren reine Ortsnetze“, heißt es. Erst als Mikrofone und Hörer leistungsfähiger wurden, war es möglich, über die Ortsgrenzen miteinander telefonisch verbunden zu werden.

Die „Handvermittlung“

In der sogenannten Vermittlungsstelle kamen die Gesprächsteilnehmer gewissermaßen zusammen. Ganz zu Beginn des Fernmeldeverkehrs wurden die Verbindungen per Hand zusammengeschaltet, daher auch „Handvermittlung“. Am Beispiel von Grosbous wird sie als ein Schrank beschrieben, in dem alle Telefonleitungen zusammenkommen. Rief früher jemand das Postamt an, indem er an der Kurbel seines Apparates drehte, fiel eine Klappe bei seiner Nummer. Eine Klingel signalisierte dem Postmitarbeiter (die Briefträger bedienten die ersten Telefonzentralen), dass ein Anruf getätigt wurde. Jetzt verband der Beamte sein Telefon mit dem Abonnenten mithilfe einer Klinke. Rief ein Teilnehmer einen anderen an, wurden beide Nummern nach dem gleichen Prinzip mithilfe einer Leitungsschnur verbunden.

Diese frühe Art des Telefonierens wäre heute zu mühsam und schlicht undenkbar. Ab 1954 wurde die manuelle Vermittlung durch die automatische abgelöst. Dadurch konnte man Tag und Nacht in Sekundenschnelle miteinander telefonieren.

Die Vorfahren der modernen Telefone

Sie hatten wenig gemeinsam mit den Apparaten, die wir heute kennen. Die ersten Exemplare sahen aus wie massive Holzschachteln, an deren Seitenwand eine Kurbel angebracht war, sowie ein Haken, an dem der Hörer aufgehängt wurde. Um jemanden anzurufen, musste die Kurbel drei Mal gedreht werden. Dadurch wurde ein Dynamo getätigt, der eine hohe Wechselspannung von bis zu 100 Volt erzeugte. Der so produzierte Stromstoß ließ die Klappe der Nummer des Teilnehmers in der Handvermittlung fallen, so dass der Mitarbeiter in der Zentrale das Gespräch annehmen konnte.

Die ersten Apparate beeindruckten nicht nur durch ihren Aufbau und ihre Funktionsweise, sondern auch durch ihr Gewicht. Ein solches Gerät wog bis zu sieben Kilogramm.

Nicht jeder konnte sich damals ein Telefon leisten. Die ersten Abonnenten waren Verwaltungen, Geschäftsleute und Freiberufliche. Die damaligen Geräte setzten sich aus vielen Einzelteilen zusammen, wurden von Hand zusammengebaut und waren entsprechend teuer. Hinzu kam ein aufwendiger Unterhalt wie der Batteriewechsel, der alle ein bis zwei Jahre vonnöten war.

Tragbare Begleiter: Radiotelefon und Semafon

Im Mai 1974 wurde der sogenannte „Öffentlich bewegliche Landfunk“ (OebL) in Luxemburg eingeführt. Das Netz war das gleiche wie in Deutschland und Österreich, so dass Anrufer aus Luxemburg mit ihrem Radiotelefon von unterwegs dorthin und auch in die Niederlande telefonieren konnten. Ab 1985, mit dem Start des zweiten Radiotelefonnetzes, waren auch Verbindungen nach Belgien möglich.

Das Semafon, besser als Pager oder Beeper bekannt, war in gewisser Weise der Vorgänger der heutigen SMS. Ab Ende 1981 ermöglichte dieser neue Dienst dem Benutzer, an einem kleinen tragbaren Gerät Kurznachrichten wie Telefonnummern zu empfangen. Auf dem Pager antworten oder zurückrufen, war aber nicht möglich. 1989 kam eine zweite Generation der inzwischen beliebten Geräte auf den Markt. Diese ermöglichten das Verschicken und Empfangen von Nachrichten von bis zu 40 Zeichen.