Razzia im Toilettenhäuschen

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In Turkmenistan darf das in Zeitungen abgedruckte Konterfei des Präsidenten nicht als Klopapier missbraucht werden.

Von unserem Korrespondenten Axel Eichholz

Das in Zeitungen abgedruckte Konterfei des turkmenischen Präsidenten darf nicht als Toilettenpapier missbraucht werden. Daher lässt dieser Razzien in Toilettenhäuschen durchführen. Dabei ist Toilettenpapier in dem Land zu teuer. Und das Land hat eigentlich andere Probleme.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion werden mehrere der früheren Unionsrepubliken von mehr oder minder harten autoritären Regimen regiert. Turkmenistan gilt unter ihnen als ein „zweites Nordkorea“. Neuerdings unternimmt der Geheimdienst besonders in kleineren Städten, wo Häuser nicht an ein zentrales Kanalisationssystem angeschlossen sind, Razzien in Toilettenhäuschen. Wer Zeitungen mit den Abbildungen des Präsidenten Gurbanguly Berdymuhamedow anstelle von Toilettenpapier verwendet, wird wegen Majestätsbeleidigung belangt.

Neben Toiletten werden auch alle Müllabladeplätze nach verunreinigten Zeitungsausrissen abgesucht. Es ist dann ein Leichtes, den Missetäter zu finden, denn auf der Zeitung steht die Adresse. Das Abwischen mit den Präsidentenporträts sei kein Zeichen politischen Ungehorsams, schreibt die kritische Moskauer Nowaja Gaseta. Es gehe vielmehr darum, dass das Toilettenpapier knapp und teuer sei. Gleichzeitig sei jede Familie verpflichtet, die zentrale Tageszeitung Neutrales Turkmenistan zu abonnieren. Sie trägt das Präsidentenporträt auf dem Deckblatt.

Es sei also äußerst schwer, Berdymuhamedow nicht zu „treffen“. Außerdem leide der Arkodag (nationaler Führer) an regelrechter Schreibwut. Er schreibt nahezu täglich – über Pferdezucht, schwarzen Tee, Teppiche, Kriminalitätsbekämpfung und Medikamente, um nur einige Themen zu nennen. Seine Artikel und Bücher werden im Fernsehen zur besten Sendezeit verlesen.

Vorgänger längst überflügelt

Seine vermeintlichen Werke haben das wichtigste Buch seines Vorgängers „Turkmenbaschi“ (Vater aller Turkmenen) Saparmurad Nijasow, „Ruchnama“, bereits verdrängt.
Zu dessen Lebzeiten hatte Berdymuhamedow das Gerücht verbreiten lassen, er sei ein unehelicher Sohn des Turkmenbaschi. Nach Nijasows Tod 2006 ließ sich sein früherer Leibarzt zum Präsidenten wählen. Heute ist der gelernte Zahnarzt Berdymuhamedow Mitglied der turkmenischen Akademie der Wissenschaften, Dr. med und Dr. oec, darüber hinaus Armeegeneral und Oberbefehlshaber der Streitkräfte Turkmenistans.

Seine Erfolge sind dabei eher bescheiden. In Turkmenistan wütet eine Lebensmittelkrise, zudem gibt es kaum Bargeld. Dabei ist das Land reich an Erdgas. Doch die Führung in der Hauptstadt Aschgabat hat sich mit dem Nachbarn Iran verkracht, und dieser nimmt seit einem Jahr kein turkmenisches Gas mehr ab.

Ende 2016 kündigte auch die russische Gasprom den Vertrag mit Turkmenistan. Aschgabat müsste die Gasleitung von Turkmenistan über Afghanistan und Pakistan nach Indien fertigbauen, um aus der Wirtschaftsmisere herauszukommen, hat aber kein Geld dafür. Der letzte Abnehmer bleibt China, es drückt aber mangels Konkurrenz ungeniert die Gaspreise.
Die einzige Möglichkeit, das ideologische Toilettenproblem zu lösen, wäre die Umstellung der Papierzeitungen auf die elektronische Form. In Turkmenistan haben aber immer noch nur 5 Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet. Also wird die Druckproduktion zweckentfremdet genutzt.