Mysteriöser Kokainschmuggel fliegt auf

Mysteriöser Kokainschmuggel fliegt auf

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Von unserem Korrespondenten Axel Eichholz

Argentinien und Russland haben gemeinsam den Schmuggel von fast 400 Kilogramm Kokain nach Russland verhindert. Dieses war in der russischen Botschaftsschule in Buenos Aires zwischengelagert worden. Der Ablauf des Vorfalls ist hingegen rätselhaft.

Eine atemberaubende Drogengeschichte macht in russischen Medien die Runde. In Buenos Aires erzählte die argentinische Ministerin für nationale Sicherheit, Patricia Bullrich, der Presse am vergangenen Donnerstag über eine monatelange Spezialoperation. Bei dieser sei es ihren Mitarbeitern und russischen Kollegen gelungen, mindestens sechs Mitglieder eines internationalen Schmugglerrings auszuheben. In Moskau ergänzte die offizielle Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am nächsten Tag, 389 Kilogramm Kokain im Gesamtwert von gut 50 Millionen Euro hätten aus Argentinien nach Moskau transportiert werden sollen.

Botschafter gab den Polizisten den Schlüssel

„Es wurde eine der kompliziertesten und ausgefallensten Operationen bei der Bekämpfung der Drogentransporte in der Geschichte Argentiniens“, so Bullrich. Am 13. Dezember 2016 soll ein Angehöriger der russischen Botschaft in Buenos Aires zwölf mit Klebeband abgedichtete Koffer mit schneeweißem Pulver in der Botschaftsschule gefunden haben. Am selben Tag informierte er das Sicherheitsministerium des Gastlandes und um zwei Uhr nachts rückte die argentinische Nationale Gendarmerie in der russischen Schule an. Die Gendarmen erhielten vom Botschafter Viktor Koronelli einen Schlüssel für den Hintereingang der Schule. Die Koffer enthielten hochwertiges, vermutlich aus Kolumbien stammendes Kokain.

Ein Jahr lang herrschte Ruhe

Die Fahnder nahmen das Kokain mit und ersetzten es durch Mehl. Außerdem kamen GPS-Geräte in die Koffer, die den Weg bis zum Bestimmungsort verfolgen sollten. Danach blieb aber das falsche Kokain ein Jahr lang in der Schule ruhen. Der Besitzer musste sich eine Möglichkeit einfallen lassen, um das Zeug nach Moskau zu bekommen. In russischen Medien wurde er als Señor K. bezeichnet. Er sei ein früherer technischer Mitarbeiter der Botschaft gewesen.

Die Argentinier waren deutlich offener. Bei dem geheimnisvollen Señor K. handle es sich um einen russlanddeutschen Unternehmer, der in Hamburg mit Genussmitteln handle. Laut Bullrich wurde das vermeintliche Kokain im Dezember 2017 als Botschaftsfracht „mit einer Regierungsmaschine“ nach Moskau geschickt. Nach einer anderen Version flog der Chef des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, selbst nach Argentinien, um das Mehl abzuholen.

Viele Ungereimtheiten

Am Montag meldete sich ein Professor an der IE Business School Madrid, Maxim Mironow, auf der Internetseite des kritischen Hörfunksenders Echo Moskaus zu Wort. Er sei bei seinem früheren Einsatz in Argentinien gewesen, schreibt er. Er kenne den Sicherheitsberater des russischen Botschafters, Oleg Worobjow, ziemlich gut und könne das Vorgefallene einschätzen. Seine beiden Kinder würden heute noch die Botschaftsschule in Buenos Aires besuchen, so Mironow. Es sei einfach unvorstellbar, dass die Schmuggler zwölf je 36 Kilogramm schwere Koffer unbemerkt hätten am Posten vorbei in die Schule schleppen können.

Der argentinische Sicherheitsdienst habe im Laufe der Ermittlungen Informationslecks in die Presse organisiert, schreibt Mironow. Zitate aus abgehörten Telefongesprächen der Schmuggler zeigten, dass sie alle Register zogen, um den Botschafter Koronelli gegen einen gefügigeren auszutauschen. Da für die Botschafterernennung die Unterschrift des Präsidenten notwendig sei, könne man sich vorstellen, wie hoch die Beziehungen der Schmuggler hinaufreichten.

Er könne sich einen anderen Verlauf der Drogengeschichte vorstellen. So leutselig der Botschafter auch gewesen sein mag, es wäre undenkbar, dass er gar keine Ahnung hatte. Überzeugender wäre die Annahme, dass argentinische Fahnder die Schmuggler bis zur Botschaft verfolgt und dann den Botschafter haben wissen lassen, er täte gut daran, die Koffer zu „finden“ und die Bösewichte anzuzeigen.