Honig vom Hoteldach der Hauptstadt

Honig vom Hoteldach der Hauptstadt

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Mitten auf Kirchberg floriert seit dem Frühjahr 2017 eine neue landwirtschaftliche Disziplin: Imkern auf dem Hoteldach. Eigentlich ist Hugo Zeler in der Luftfahrtbranche tätig und imkern – sein Hobby. Dem er sich seit neun Jahren leidenschaftlich verschrieben hat und ab diesem Herbst zum Beruf machen will.

Die Idee dazu kam ihm vor etwa zehn Jahren, als er durch einen Gemeinschaftsgarten in Belair spazieren ging und einen Imker traf. Er begann sich für das Handwerk zu interessieren, las unzählige Bücher und wagte zum Start der folgenden Saison den Sprung in die Imkerei. Die ersten Bienenkästen stellte er nahe dem Dreiländereck bei Sierck-les-Bains auf. „Danach kamen die Kinder, ich konnte nicht so oft dorthin fahren, sodass ein Umzug in die Stadt nötig wurde“, lächelt Zeler.

Die große Überraschung: „Die ‚Ernte‘ in der Stadt fiel deutlich besser als auf dem Land aus. Außerdem starben weniger Bienen.“ Des Rätsels Lösung: In der Stadt werden keine Insektenvernichtungsmittel eingesetzt im Gegensatz zu ländlichen Gebieten. „Ein weiteres Problem, das mir auf dem Land begegnete, war die stetig wachsende Bevölkerung und der damit einhergehende Bedarf an Nahrungsmitteln. Felder mit Monokulturen von Raps waren an der Tagesordnung.“ Wurde ein Feld abgeerntet, ging mit einem Schlag die Nahrung für Zelers Bienen aus. Mitten im Juli musste der Imker mit Zuckersirup zufüttern, um die Völker vor dem Sterben zu retten.

Die Idee des „Honigs aus dem Viertel“ war geboren. Davon leben konnte der Hobby-Imker bisher nicht. „Um die Imkerei gewinnbringend zu betreiben, sind rund 400 Bienenkästen nötig. Davon bin ich weit entfernt“, sagt der junge Mann. Seine Leidenschaft treibe ihn dennoch an, sein Hobby zum Beruf zu machen. Seit dem Frühjahr 2017 sind die fünf Bienenstöcke nun auf dem Hoteldach aufgestellt, einem von zwei Standorten auf Kirchberg. Und seitdem wird hoch über den Dächern der Hauptstadt feinster Rapshonig geerntet.

Neben Kirchberg sammeln Zelers Bienen Honig in Bonneweg, auf dem Limpertsberg und auf dem Cloche d’Or. Jedes Viertel zeichne sich außerdem durch seine charakteristische Flora aus: Auf dem Limpertsberg seien die rund hundert Linden für den Geschmack der dortigen Honigsorte maßgebend, während in Bonneweg im Frühjahr der Raps und im Sommer die umliegenden Wälder den Geschmack prägen, erklärt Zeler.

„Die Bienen in Ruhe lassen“

Zu seiner Imkerphilosophie gehöre, „die Bienen in ihrem Wohnhaus in Ruhe zu lassen. Ich fasse das ‚Herz‘ des Kastens nicht an, das gehört nur ihnen.“ Darin befindet sich der erste „Honigraum“, der mit Platten, teilweise mit aufgebauten Waben aus Wachs, ausgestattet ist. Die Insekten füllen in den schräg positionierten Waben ihren Nektar ab. Diese Neigung, welche auch die Bienen, wenn sie Waben errichten, stets einhalten, ist nötig, damit die kostbare Flüssigkeit nicht aus den Kästchen hinausläuft. Ist diese „Wohnetage“ l gefüllt, setzt der Imker eine weitere darauf. Vorwiegend die Ernte aus dem oberen Teil des Bienenstocks verarbeitet er, die Produktion der ersten Etage bleibt als „Nahrung“ für die Bienen im Kasten.

Einmal den Nektar in den Waben platziert, wandeln ihn die Bienen in einer festgelegten Abfolge zum Honig um.

Aber Vorsicht, vor allem wer sich streng vegetarisch ernähren will, muss Honig von seinem Speiseplan streichen. Denn um seinen Wassergehalt zu reduzieren, saugt und lässt die Biene jeden Nektartropfen über den Rüssel mehrmals heraus. Auch beim Sammeln und der Lagerung im Stock wird der Honig mit tierischen Enzymen natürlich angereichert.

Nach der Ernte und dem Zentrifugieren muss der Honig ruhen. Mit einem überdimensionalen Mixer rührt Zeler das fertige Produkt cremig. „Mache ich das nicht, bilden sich in kürzester Zeit Kristalle. Kommt zu viel Feuchtigkeit an den Honig, setzt sich der Zucker von den flüssigen Bestandteilen ab.“

Ihr Haus habe an die Initiative aus zwei Gründen geglaubt, erklärt Marie-Hélène Onursal, Geschäftsführerin von Sofitel Luxembourg Europe. „Für uns ist es wichtig, Produkte aus Luxemburg, mit denen wir täglich arbeiten, für unsere Gäste sichtbar und schätzungswerter zu machen. Andererseits engagieren wir uns im Rahmen des unternehmensinternen nachhaltigen Programms ‚Planet 21‘ weltweit für eine gesunde Ernährung mit lokalen Produkten, für die Sensibilisierung des öffentlichen Bewusstseins im Zusammenhang mit der Zukunft des Planeten. Vor allem für die Artenvielfalt spielen die Bienen eine nicht unwesentliche Rolle“, unterstreicht Onursal.

Mietzahlung in Naturalien

Eine Biene, erklärt Stadtimker Zeler, kann bis zu drei Kilometer zurücklegen. Die nächsten Rapsfelder befinden sich in einem Umkreis von 600 Metern bis einem Kilometer. Außerdem biete das Stadtviertel in Sachen Nahrungsangebot den Bienen „eine enorme Ressourcenvielfalt, insbesondere an Blumenarten“.

Ihren Ertrag treten die Bienen quasi als Naturalienzahlung an ihre Vermieter ab. „Es finden mehrere Besichtigungen hier statt. Außerdem ernten wir mit den Mitarbeitern gemeinsam den Honig. Ich fülle ihn ab, versehe das Glas mit der gewünschten Etikette und liefere ihn am Jahresende ans Unternehmen aus, das wiederum den Honig an seine Gästen verschenkt.“

„Es ist die richtige Entwicklung für die Bienen und für die Umwelt, die allein mit der Aufstellung von Bienenstöcken nicht funktionieren würde“, schätzt Zeler die Zusammenarbeit mit dem Hotel. Zu seinem Kundenstamm zählt er bisher die Post und Sofitel. Seine Produkte verkauft Hugo Zeler auch an Privatkunden. Derzeit vertreibt er sie über einen Obst- und Gemüsehandel in Münsbach. Ab dem Herbst plant er, einen Web-Shop zu eröffnen. Dann steigt er endgültig aus seinem bisherigen Beruf aus und widmet sich ausschließlich den Bienen.