Hirnschrittmacher hilft Schlaganfallpatienten

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Von unserer Korrespondentin Elke Bunge

Die gezielte Reizung durch elektrische Signale kann das Bewegungszentrums im Mittelhirn stimulieren. Lähmungserscheinungen nach einem Schlaganfall können so deutlich reduziert werden. Laborversuche mit Ratten zeigen deutliche Erfolge.

Lähmungserscheinungen und Koordinationsstörungen als Folgen von Schlaganfällen zählen weltweit zu den häufigsten körperlichen Behinderungen im Erwachsenenalter. Der apoplektische Insult, so die medizinische Bezeichnung, verursacht eine Mangeldurchblutung des Hirns und in der Folge eine Schädigung im Bereich der Basalganglien, die auch für das Bewegungszentrum zuständig sind. Bisherige medikamentöse Versuche, die Schäden einzugrenzen, sind nur bedingt erfolgreich gewesen.

Ein interdisziplinäres Forscherteam der Universitätsklinik von Würzburg hat nun eine neue Therapiemethode vorgestellt, die möglicherweise die Behinderungen der Schlaganfallpatienten mindern könnte. In der jüngsten Ausgabe von „Annals of Neurology“ stellten sie die Ergebnisse ihrer Studie vor. Die Neurologen und Neuroradiologen stellten dabei Überlegungen an, ob ein möglicher Einsatz der Tiefen Hirnstimulation – eines „Hirnschrittmachers“ – zum Erfolg führen könnte.

Tierversuche sind erfolgreich

Das Team um Jens Volkmann und Christoph Kleinschnitz stellte Überlegungen an, ob der Einsatz von Hirnschrittmachern, bei Parkinson-Patienten bereits erfolgreich, auch bei Apoplexpatienten zu einer Linderung der Beschwerden führen könnte.

Um dies zu testen, lösten die Wissenschaftler bei einer Gruppe von Ratten Schlaganfälle aus. Es kam zu den begleitenden Lähmungserscheinungen und zur Gangunfähigkeit. Tests ergaben, dass die betroffenen Ratten nicht mehr in der Lage waren, auf einem Balken der Länge nach zu laufen. Nun setzten die Neurologen Elektroden in den für das Bewegungssystem verantwortlichen Teil des Hirns ein und stimulierten diese Bereiche mit leichten Elektroladungen. Die Reize waren erfolgreich. „Die Ratten erlangten die Fähigkeit zurück, den Balken ohne Hilfe zu überqueren, rutschten weniger mit den Pfoten ab oder traten daneben“, so Volkmann.

Die Neurologen vergewisserten sich, dass die zurückgewonnene Gehfähigkeit mit dem Einsatz der Tiefen Hirnstimulation zusammenhing und fassten dies kurz im Resümee zusammen: Strom an – die Ratten können sich normal bewegen, Strom aus – die Ratten haben massive Koordinationsstörungen.

Auf Menschen übertragbar

An der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Essen-Duisburg, deren Direktor der an der Studie teilnehmende Neurologe Kleinschnitz nun ist, wurde bereits früher die Tiefe Hirnstimulation eingesetzt, um Patienten mit angeborenen Bewegungsstörungen zu helfen, diese zu überwinden. Als Nebenwirkung hatte sich dabei jedoch mitunter eine Minderung der Artikulationsfähigkeit und der kognitiven Fähigkeit ergeben.

Mit dem neuen Einsatz der Hirnschrittmacher im mesencephalem lokomotorischem Zentrum könnte jedoch die Koordinationsfähigkeit besser stimuliert werden. Es zeigte sich, dass Reize an diesem Ort, der normalerweise von einem Schlaganfall nicht betroffen wird, positive Auswirkungen auf die Linderung der Begleitbeschwerden eines Apoplex haben.

Da die Tiefe Hirnstimulation bereits ein anerkanntes und zugelassenes Verfahren bei der Behandlung anderer Hirnkrankheiten wie Parkinson und Depression ist, sind die Forscher zuversichtlich. „Wir streben eine baldige klinische Prüfung unseres Verfahren bei der Behandlung geeigneter Schlaganfallpatienten an“, so Jens Volkmann.

Zur Autorin

Von Hause aus Physikochemikerin, promovierte Elke Bunge in Berlin als Schering-Stipendiatin auf dem Gebiet der Nano- und Wafertechnologie (Rastertunnelmikroskopie an Einkristalloberflächen) mit Forschungsaufenthalten an der Universität Liverpool und eingeladenen Vorträgen zu ihren Forschungsarbeiten u.a. in Wales, Madrid, Cambridge, und Los Angeles. Im Anschluss folgte eine mehrjährige Mitarbeit als rechte Hand der Forschungsleitung bei Atotech, einer Tochter der französischen TOTAL. Seit 2000 verschrieb sie sich der Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Wissenschaft und Forschung für Forschungseinrichtungen sowie in der freien Wirtschaft. Ihre jahrelangen Erfahrungen auf dem Gebiet Forschung und Entwicklung und die Freude, komplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge für ein breites Publikum verständlich zu machen, brachte sie dazu, seit 2008 als Autorin auf dem Gebiet Wissenschafts-, Technik- und Umweltjournalismus zu publizieren.