„Fehlen nur die Gaskammern …“

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Der KZ-Überlebende Aba Lewit sieht in Österreich eine nationalsozialistische Gefahr.

Der KZ-Überlebende Aba Lewit vergleicht die Situation in Österreich mit dem Bürgerkriegsjahr 1934 und der Zeit vor dem „Anschluss“ an Nazi-Deutschland im Jahr 1938.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Linz

Als Österreichs neuer Innenminister Herbert Kickl vergangene Woche davon sprach, Asylbewerber künftig „konzentriert“ in Grundversorgungszentren unterzubringen, erntete er einen Sturm der Entrüstung.

Da schwang zwischen den Worten der Begriff Konzentrationslager mit, auch wenn der FPÖ-Minister jeden Verdacht zurückwies. Die unsensible Rhetorik, für die Kickl schon als ehemaliger Redenschreiber des FPÖ-Chefs und neuen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache berühmt-berüchtigt war („Daham statt Islam“, „Mehr Mut für unser Wiener Blut, zu viel Fremdes tut niemandem gut“, bereitet vielen Österreichern Unbehagen, vielen Europäern Sorgen.

Beim in Wien lebenden Aba Lewit kommen aber nicht nur Unbehagen und Sorgen auf, sondern geradezu Entsetzen. Seine Lebens- und Leidensgeschichte erlaubt dem 94-Jährigen nicht die weit verbreitete Wird-schon-nicht-so-schlimm-werden-Haltung:

Der 1923 in Dzialoszyse (Polen) geborene Jude ist der Todesmaschinerie der Nazis nur knapp entgangen. Im Konzentrationslager Plaszow bei Krakau hat ihn ein SS-Wächter 1940 angeschossen. Ohne jegliche medizinische Versorgung überstand er wie durch ein Wunder die lebensgefährlichen Verletzungen. Auch das KZ im oberösterreichischen Mauthausen, wohin er 1943 deportiert worden war, überlebte Lewit.

Offener Brief

Mit anderen greisen KZ-Überlebenden richtete er nun in einem Offenen Brief des Mauthausen-Komitees, bei dem der Luxemburger Guy Dockendorf Präsident ist, eine „eindringliche Warnung vor Nationalismus und Rechtsextremismus“ an Bundespräsident Alexander van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Lewit aber steuerte ein Zitat bei, das diese Warnung besonders drastisch illustrieren soll: „Ich denke, dass sich Österreich in derselben Situation wie 1934 (Bürgerkrieg, Anm.) und auf dem weiteren Weg zu 1938 („Anschluss“ an Nazi-Deutschland, Anm.) befindet. Das Einzige, was beim jetzigen Programm (der Bundesregierung, Anm.) fehlt, sind Gaskammern.“

Tageblatt: Sie werden in dem Appell des Mauthausen-Komitees mit Aussagen zitiert, in denen Sie die aktuelle Situation in Österreich mit dem Bürgerkriegsjahr 1934 und dem „Anschluss“-Jahr 1938 vergleichen und dass nur noch die Gaskammern fehlen. Haben Sie das wirklich wörtlich so gesagt?

Aba Lewit: Ja, das stimmt.

Ist das nicht etwas überzogen? Bürgerkriegsgefahr sehen selbst scharfe Kritiker der neuen Regierung keine.

Ja, kann sein, dass es ein bisschen überzogen ist. Aber wir sind befreit worden mit dem Versprechen „Nie wieder“. Und das ist leider nicht eingetroffen.

Sie glauben also tatsächlich, dass in Österreich eine nationalsozialistische Gefahr droht?

Ja.

Woran erkennen Sie das?

Der Populismus hat überall an Boden gewonnen. Und vom Populismus zum Nationalismus ist es nicht weit.

Die neue Regierung wird aber nicht müde, zu betonen, dass sie jede Form von Extremismus ablehnt.

Das glaube ich ihr nicht.

Glauben Sie tatsächlich, dass Kanzler Kurz Ideen hat, die in Richtung Nationalsozialismus gehen?

Nein, das nicht. Aber auf weitere Sicht werden Sie sehen, dass die FPÖ früher oder später das ganze Land beherrschen wird. In einem Jahr oder eineinhalb wird man von Kurz nicht mehr viel sehen.

Was befürchten Sie konkret von der FPÖ?

Der Großteil der FPÖ-Mitglieder ist rechtsradikal, das kann man nicht leugnen.

Aber was sind Ihre konkreten Befürchtungen?

Ich nehme an, Gaskammern wird es nicht geben, auf keinen Fall. Aber es wird Verfolgungen geben. Wenn ich über die Straße gehe, wird man mich zusammenschlagen und die Polizei wird erst eine halbe Stunde später kommen.

Weil Sie Jude sind?

Ja.

Die FPÖ war schon vor 18 Jahren in einer Koalition mit der ÖVP. Damals gab es keine derartigen Vorfälle.

Damals waren sie noch eine Minderheit, jetzt sind sie eine Mehrheit.

Gab es bereits eine Aktion dieser Regierung, die sie in Ihren Befürchtungen bestätigt?

Ich wurde in einem KZ angeschossen und habe überlebt. Nach Mauthausen hat man keine Angst mehr.

Wenn Sie sagen, Sie rechnen damit, zusammengeschlagen zu werden …

… nicht nur ich, jeder, der dagegen oder jüdischen Glaubens ist.

FPÖ-Chef Strache hat sich in den vergangenen Jahren um eine Annäherung an die jüdische Gemeinde bemüht und mehrfach vom Antisemitismus distanziert. Er fordert sogar die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt.

Es war politisch sehr klug von ihm, das zu machen. Aber schauen Sie, wie viele Rechtsradikale in den Schlüsselpositionen der Regierung sitzen.

Für Sie ist die projüdische und proisraelische Haltung Straches nur Inszenierung?

Ja, das kaufe ich ihm nicht ab.

Welche Reaktionen ernten Sie für Ihre scharfe Kritik?

Ich habe Grobheiten von meiner Familie bekommen.

Wieso das?

Die fürchten sich. Die würden lieber nach dem alten jüdischen System vorgehen: den Kopf einziehen, sich schlagen lassen und glauben, dass es vorbeigeht.

Warum haben Sie sich für eine so drastische Wortwahl entschlossen?

Wenn ich das ganz edel formuliere, wird das die Allgemeinheit nicht verstehen.

Andere KZ-Überlebende haben sich auch kritisch zur neuen Regierung geäußert, aber zurückhaltender.

Die haben Angst, ganz einfach Angst.

Jang
15. Januar 2018 - 18.14

Waat komesch Vergleicher an deenen Kommentairen ? Loost eemol déi doten Regierung schaffen, si ass jo +/- vum Vollek gewielt ginn. Nach nëtt esou schnell panikéieren.

Aender
15. Januar 2018 - 16.15

Und im Saarland 1935 Ausszug aus: www.zeitklicks.de Bei der "Saarabstimmung" stimmten 91 Prozent der Bevölkerung für die Wiederangliederung des Saargebietes an Deutschland. Die Saarabstimmung wurde von Hitler als persönlicher Erfolg gefeiert Hitler konnte mit der so genannten Saarabstimmung seinen ersten großen außenpolitischen Erfolg verbuchen. Es nahmen bei der Saarabstimmung fast alle Stimmberechtigten teil und über 90 Prozent stimmten für den Wiederanschluss des Saarlandes an das Deutsche Reich.

Muller Guy
15. Januar 2018 - 15.21

@Jean Henry , Ech kann eer Fro verstoen. Ech hat op den Commentaire vum @Ekojhang geäntwert well den Commentaire eng Äntwert op mein 1. Commetaire war. Mein 1. Commentaire gouf an der Zweschenzeit sou wéi och nach 3 oder 4 anerer vum TB geläscht. Den Grond virwat wees ech net. Sou schlemm waren déi Kommentairen net. Do stoung ganz einfach nemmen d'Wourecht dran.

Jean Henry
15. Januar 2018 - 11.06

@Muller Guy: Ech wees net wéi ee Geschichtsunterricht Dier hat, mee "léieren" eng gewielte Regierung "z'akzeptéieren" geschitt éischter an der Philo an an der Education civique. Ausserdeem, wat huet Äre Kommentar mat deem vum Ekojhang ze dinn?

Grober Jean-Paul
15. Januar 2018 - 10.28

Nët Basta, aus der Geschicht soll een och léieren!

Serenissima en Escher Jong
15. Januar 2018 - 10.01

Mephisto im Reichstag hatten die Nazis nur 33% der Abgeordneten....was Hitler aber nicht gestört hat die Macht zu ergreifen..als .Kanzler wurde er aber noch ernannt vom Reichspräsidenten von Hindenburg...also kein Vergleich mit Österreich..würde ich sagen.

Muller Guy
15. Januar 2018 - 9.59

@Ekojhang; Am Geschichtsunterricht léiert een awer och dass een no freien Demokratischem Wahlen och soll d'Regierung akzeptéieren déi dobei entstanen as. .....wann een an der Schoul opgepasst huet. Domat ...Basta!

Mephisto
15. Januar 2018 - 9.16

Der Mann hat gar nicht so Unrecht ! Hitler war Österreicher und nirgends wurde er mit so frenetischer Begeisterung empfangen als 1938 beim Anschluss ans Reich in Wien.

J.C. KEMP
15. Januar 2018 - 9.03

Et heescht net eng 'konzentréiert' mais eng 'konzertéiert Aktioun', vu Konzert, wou d'Musiker zesummen dat selwecht Stéck (am Prinzip) spillen.

Ekojhang
15. Januar 2018 - 8.14

Nur zur Erinnerung: 1933 wurde Hitler auch demokratisch gewählt. Geschichtsunterricht täte manchmal gut.