Facebook speichert auch Anrufe

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Von unserem Korrespondenten John Dyer

Facebook speichert weit mehr Nutzerdaten als bisher bekannt. Das soziale Netzwerk kann auch verfolgen, wann seine Nutzer telefonieren oder Textnachrichten versenden. Nutzer weltweit haben ihre Anruflisten im Facebook-Speicher gefunden.

Noch hat sich Facebook nicht von Enthüllungen über den Datenmissbrauch durch Cambridge Analytica erholt, da trifft den Riesen aus dem Silicon Valley eine neue Kontroverse. Das soziale Netzwerk soll Textnachrichten und Telefonanrufe von Mobiltelefonen protokolliert haben, die mit dem Android-Betriebssystem von Google ausgestattet sind.

Das mussten Facebook-Nutzer feststellen, die begannen, ihre Daten herunterzuladen. „Ich habe meine Facebook-Daten als ZIP-Datei heruntergeladen“, schrieb Dylan McKay, ein Facebook-Nutzer aus Neuseeland, auf Twitter. „Irgendwie haben sie meine gesamte Anrufliste mit der Mutter meines Partners.“

Facebook weist Vorwürfe zurück

Facebook wies die Vorwürfe zurück. Die Nutzer stimmten zu, dass das soziale Netzwerk ihre Kontakte speichern und ihre Kommunikation aufzeichnen darf. Jeder, der die Funktion ausschalten möchte, könne dies tun. „Die Leute müssen ausdrücklich zustimmen, diese Funktion zu nutzen“, schrieb das Unternehmen in einer Pressemitteilung. „Der Import von Kontakten ist unter den sozialen Apps und Dienstleistungen ziemlich verbreitet, um die Leute, mit denen man sich verbinden möchte, leichter zu finden.“

Wer vor ein paar Jahren Facebook auf ein Android-Telefon herunterlud und dem sozialen Netzwerk die Erlaubnis erteilte, auf seine Kontakte zuzugreifen, der gewährte Facebook automatisch die Erlaubnis aufzuzeichnen, wann und wer Anrufe und Textnachrichten erhalten hat. Inzwischen braucht es dafür eine zweimalige Genehmigung durch den Nutzer.

Datenerfassung voreingestellt

Ars Technica, eine angesehene Nachrichtenseite, berichtete auch, dass Facebook nicht immer der Bitte nach Löschung der gespeicherten Daten nachgekommen sei, obwohl das soziale Netzwerk dies angekündigt hatte. Viele Nutzer hätten zudem dem sozialen Netzwerk nie die Erlaubnis gegeben, ihre Anrufe und Texte zu katalogisieren. Das gehe aus den Daten mehrerer Nutzer hervor, schrieb Sean Gallagher, bei Ars Technica für Informationstechnologie und nationale Sicherheit zuständig. Die Datenerfassung habe zur Standardinstallation für die Facebook-Anwendung gehört.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg entschuldigte sich unterdessen in ganzseitigen Anzeigen in der New York Times, der Washington Post und dem Wall Street Journal sowie in britischen Zeitungen für den Cambridge Analytica-Skandal. Danach hatte der Psychologieprofessor Aleksandr Kogan von der Universität Cambridge eine App benutzt, um Daten über Facebook-Nutzer zu sammeln. Diese hatten ausdrücklich die Erlaubnis gegeben, ihre Aktivitäten und Profile einzusehen. Der Forscher habe dann aber gegen die Richtlinien von Facebook verstoßen und die Daten an Cambridge Analytica weitergegeben. „Das war ein Vertrauensbruch, und es tut mir leid, dass wir damals nicht mehr getan haben“, schrieb Zuckerberg in den Anzeigen. „Wir unternehmen jetzt Schritte, damit das nicht wieder passiert.“

Daten nicht vor Missbrauch geschützt

Kritiker werfen Zuckerberg vor, unaufrichtig zu sein. Facebook habe nicht die einfachsten Schritte unternommen, um seine Daten zu schützen, schreiben Charles Duan und Shoshana Weissmann in einem Beitrag für das Wall Street Journal. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, Daten für die Wissenschaft zu nutzen, ohne sie Missbrauch auszusetzen, so die Forscher des R Street Institute, einer Denkfabrik in Washington. So verschlüssele Apple Daten für Akademiker, damit sie nicht von anderen Unternehmen oder zur Identifizierung von Personen verwendet werden können. Facebooks Fehler liege „nicht in der Sammlung und Weitergabe von Daten, sondern darin, dass es keine technischen Maßnahmen zur Überwachung und zum Schutz dieser Daten ergriffen hat“, so Duan und Weissmann.