Einsamster Baum fasziniert Wissenschaftler

Einsamster Baum fasziniert Wissenschaftler
Dr. Chris Turney hat mit seinen Kollegen den "einsamsten Baum" der Erde untersucht.

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Von unserer Korrespondentin Barbara Barkhausen

Ein einsam gelegener Baum auf einer subantarktischen Insel weist in seinem Holz radioaktive Spuren aus den Atombombentests der 50er- und 60er-Jahre auf. Wissenschaftler glauben nun, dass der Baum den Beginn der Epoche definiert, in der Menschen die Erdgeschichte beeinflussen.

Von Campbell Island sind es rund 600 Kilometer bis nach Neuseeland. Die subantarktische Insel ist weit weg von allem. Deswegen ist es durchaus gerechtfertigt, die einzige Fichte, die Anfang des 20. Jahrhunderts dort gepflanzt wurde, als den „einsamsten Baum“ der Erde zu bezeichnen. Der nächste Baum befindet sich auf den Auckland Islands, etwa 200 Kilometer nordwestlich.

Atombombentests im Holz sichtbar

Aus dieser Fichte haben Chris Turney, ein Klimawandel-Experte an der Universität von New South Wales in Sydney, und seine Kollegen nun einen feinen Holzbohrkern entnommen und dabei festgestellt, dass der Stamm breite, scharf begrenzte Wachstumsringe aufweist. Als sie die Chemie des Holzes untersuchten, fiel ihnen zudem ein großer Anstieg von Kohlenstoff-14 in einem Teil eines Ringes auf, der die zweite Hälfte des Jahres 1965 darstellt.

Die Wissenschaftler interpretieren dies als Folge der Atombombentests, die bis 1963 stattfanden und deren radioaktive Isotope sich bis 1965 großräumig verteilt haben dürften – selbst noch bis zu so entlegenen Orten wie Campbell Island. Über Photosynthese haben diese Radioisotope dann ihre Spur im Baum hinterlassen.

Fichte als Marker des Erdzeitalters des Menschen

Für Turney und seine Kollegen verkörpert der Baum deswegen den Start des Anthropozäns. Diese neue geologische Epoche wird von verschiedenen Forschern auf der ganzen Welt diskutiert. Der Begriff war einst 2000 vom niederländischen Chemiker Paul Crutzen vorgeschlagen worden. Die Epoche beschreibt das sogenannte menschengemachte Zeitalter, in dem der Mensch die Erdgeschichte beeinflusst hat – sei es durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert, den Zuwachs an Plastik oder die Atombombentests nach dem Zweiten Weltkrieg.

Um eine neue geologische Epoche zu deklarieren, muss es jedoch ein präzises, globales Signal geben, und genau das glaubt Turney im Stamm der Fichte nun gefunden zu haben. Denn in den Bäumen der nördlichen Hemisphäre lassen sich die Folgen der Atombombentests bereits 1964 ablesen. Nachdem sich die gleichen Merkmale 1965 nun selbst auf der entlegenen subantarktischen Insel auffinden lassen, ist das Signal laut Turney damit global und präzise geworden.

„Unglaublich aufregend“

Somit sind nach Meinung des Wissenschaftlers die Anforderungen als Marker für eine neue Epoche erfüllt. Turney legt in seinem Aufsatz für das Fachmagazin Scientific Reports den Start des Erdzeitalters des Menschen deswegen auf die Zeit zwischen Oktober und Dezember 1965 fest.

Es sei unglaublich aufregend gewesen, diesen Startpunkt auf einer abgelegenen Insel in der südlichen Hemisphäre zu finden, sagte der Wissenschaftler. „Es gibt uns zum ersten Mal eine wohldefinierte, globale Signatur für eine neue geologische Epoche.“ Auch in mehreren Tausend Jahren werde dies noch „ein erkennbarer Marker für die Transformation der Erde durch die Menschheit“ sein.