Warum DP-Parteipräsidentin Corinne Cahen die heimliche Wahlgewinnerin ist

Warum DP-Parteipräsidentin Corinne Cahen die heimliche Wahlgewinnerin ist
Foto: Editpress

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Die DP sieht sich trotz Stimmverlust gestärkt. Sie wird wohl in einer Dreierkoalition weiterhin den Premierministerposten stellen und könnte damit die Ära Thorn gar übertrumpfen.

Das Führungstandem Corinne Cahen und Xavier Bettel ist dadurch gefestigter als je zuvor.
Der DP-Nationalkongress war im vergangenen April fast zu Ende, da hob noch jemand im Publikum die Hand: Marc Ruppert. Der 33-Jährige wollte das Wort ergreifen. Corinne Cahen ignorierte ihn zuerst, dann reichte die Parteipräsidentin ihm doch das Mikrofon und stellte sich dicht hinter ihn.

Die rund 300 DP-Mitglieder im „Tramsschapp“ hielten den Atem an, gingen vom Schlimmsten aus. Doch Ruppert zeigte sich konziliant und lobte den vorbildlichen basisdemokratischen Charakter, der kurz vor den Wahlen in den Arbeitsgruppen herrschte. Großes Aufatmen.

Ohne Rücksicht auf Verluste

Ein halbes Jahr zuvor sah das noch anders aus. Im November 2017 trat Ruppert von seinem Amt als DP-Generalsekretär zurück. Eine persönliche Entscheidung. Aber Ruppert gab auch öffentlich zu, dass Differenzen über die Parteilinie zu den Gründen seines Rücktritts gehörten. Cahen soll ohne Rücksicht auf Verluste die Partei nach ihrem Willen geformt haben. Gegenstimmen unerwünscht. Das Versprechen von offenen Diskussionen und Basisdemokratie, mit dem Ruppert zum Generalsekretär geködert wurde, sollte sich als Trugbild herausstellen.

Der Konflikt wurde zur kurzen Schlammschlacht. Ruppert war zwar bereits weg, aber Cahen galt dennoch als angeschlagen. Ihre Führungsrolle wurde auch von anderen DP-Mitgliedern zumindest unter vorgehaltener Hand infrage gestellt.

Und heute? Nach den Wahlen ist davon nichts mehr zu hören. Claude Schommer, der Präsident der Jungdemokraten (JDL), aus deren Reihen vor allem Missmut über Cahens Führungsstil kam, will gar nicht darauf eingehen. „Wir haben ein hervorragendes Resultat und hoffen auf eine Fortführung der Dreierkoalition.“ Von Kritik oder gar einem Konflikt mit der Parteipräsidentin will er nichts wissen: „Wir haben stets im Einklang mit der Parteipräsidentin gearbeitet“, so Schommer.

Der Streit – Schommer spricht von „Differenzen“ – zwischen Marc Ruppert und Corinne Cahen sei rein „persönlicher Natur“ gewesen.

Besser als die Ära von Gaston Thorn

Bei Cahen dürften diese Worte Genugtuung hervorrufen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass die Parteipräsidentin alle DP-Kräfte auf Linie gebracht hat und ihre Führungsrolle als Parteipräsidentin nach den Wahlen gefestigter ist als je zuvor.

Tatsächlich konnte sich Cahen mit einem persönlichen Ergebnis von rund 19.500 Stimmen im Vergleich zu 2013 um rund 5.000 Stimmen verbessern. Als Zweitplatzierte setzt sie sich hinter Premier Bettel fest und konnte gar die „ewige“ Bürgermeisterin Lydie Polfer hinter sich lassen.

Cahen versteckt nicht, dass sie „äußerst zufrieden“ mit ihrem persönlichen Ergebnis ist, hebt aber vor allem das Resultat der Partei hervor. Mit zwölf Sitzen hat die DP zwar im Vergleich zu 2013 einen Sitz verloren, aber es wird wohl dennoch reichen, um erneut den Premiermister zu stellen. Und damit könnte dem Tandem Bettel-Cahen ein historischer Coup gelingen, der sogar die Ära von Gaston Thorn in den 1970er-Jahren überflügelt. Zum ersten Mal überhaupt wären die Liberalen in zwei aufeinanderfolgenden Legislaturperioden in der Regierung und könnten sogar den Staatsministerposten behaupten.

Tatsächlich sah es lange überhaupt nicht danach aus. Noch bis vor etwa einem Jahr deutete alles darauf hin, dass die Liberalen einen deutlichen Stimmenverlust erleiden. „Hätte man uns damals zwölf Sitze angeboten, hätten wir ohne Wenn und Aber eingeschlagen“, sagt etwa Fraktionspräsident Eugène Berger. Er steht nicht allein mit dieser Meinung da. Nahezu alle Parteimitglieder feiern das Wahlergebnis als großen, geradezu unerwarteten Erfolg.

So auch Cahen. Angesichts der Umfragewerte der vergangenen Jahre sei diese Aufholjagd geradezu famos. Zudem müsse man bedenken, dass die DP noch 2009 bei lediglich neun Sitzen lag, die Partei mit 13 Sitzen also auf hohem Wert an den Start ging.

Den Kritikern entgegenkommen

Ihre Führungsrolle als Präsidentin will Cahen nicht weiter kommentieren – ebenso wenig wie die Kritik an ihrer Person. „Die Beziehungen mit der JDL sind hervorragend und waren es auch stets“, so Cahen. Anders ausgedrückt: Da war nix.

Aus den Reihen der Jungdemokraten klingt das jedoch anders. Eine Woche nachdem die kritischen Artikel über den Konflikt mit Marc Ruppert erschienen, wurde gleich die erste Arbeitsgruppe einberufen. Die klare Botschaft: Die Basis soll mitwirken. Der Vorwurf der Honoratiorenpartei sollte unter allen Umständen widerlegt werden.

Bis zu den Wahlen gab es etliche Workshops und Arbeitsgruppen, bei denen sich sämtliche DP-Mitglieder einbringen konnten. Das reichte so weit, dass die Veröffentlichung des Wahlprogramms mehrmals nach hinten verschoben werden musste. Und selbst im Juli, beim Parteikongress im „Tramsschapp“, lag der Parteiprogramm der Liberalen in gedruckter Form den Mitgliedern noch nicht vor. Kurz zuvor hatten Colette Flesch und Anne Brasseur, zwei Politikerinnen, die sich eigentlich bereits zurückgezogen hatten, noch über 100 Änderungsanträge eingebracht.

Dieser offene Prozess sei die Frucht des Konflikts mit Ruppert gewesen, so ein JDL-Mitglied. Corinne Cahen sei auf ihre Kritiker zugegangen und hat die Demokratische Partei tatsächlich mehr in Richtung einer demokratischen Partei entwickelt.
Und es hat sich ausgezahlt: Fast ein Jahr nach dem Ruppert-Rücktritt mitsamt schlechten Umfragewerten steht die DP als Wahlgewinner da. Die eigentliche Siegerin ist jedoch Corinne Cahen. Sie konnte ihre Macht konsolidieren. Heute hebt niemand mehr die Hand.

Jang
18. Oktober 2018 - 9.07

Aera Thorn können déi dooten niemols iwertrompen.