Die Natur hat einen Preis

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Wie kann die Natur in Luxemburg und ihre Artenvielfalt besser geschützt werden? Ein neues Gesetz soll Antworten darauf geben.

Luxemburg soll ein neues Naturschutzgesetz bekommen. Dem Parlament liegt ein umfangreicher Reformtext vor, der das aktuelle Gesetz aus dem Jahr 2004 ersetzen soll. Deponiert wurde die Vorlage bereits im August 2016. Nach rund einem Dutzend Sitzungen, etlichen Gutachten und 27 formellen Einsprüchen des Staatsrats könnte der Entwurf in Bälde dem Plenum vorlegt werden. Heute trifft sich der Umweltausschuss des Parlaments zu seiner wohl vorletzten Sitzung zum Thema.

Die ursprüngliche Gesetzgebung war im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder abgeändert und ergänzt worden. Insbesondere die gesetzliche Einbindung neuer EU-Vorschriften, von Umweltschutzprogrammen, Gesetzen über Wasserschutz, über Städte- und Kommunalentwicklung und nicht zuletzt beabsichtigte landesplanerische Leitprogramme sorgten für ein regelrechtes legislatives Dickicht im Umwelt- und Naturschutzbereich.

Die beabsichtigte Reform soll dem Wildwuchs ein Ende bereiten, die Anwendung des Gesetzes erleichtern, mehr Transparenz bieten, zur administrativen Vereinfachung beitragen, andererseits Biodiversität und Ökosysteme erhalten, heißt es in der Begründung.

Erstmals werden die Erhaltung und die Wiederherstellung ökologischer Systeme sowie der Schutz von Ökosystemen als Zielsetzung des Naturschutzgesetzes festgeschrieben gleichbedeutend mit den anderen bisherigen Zielvorgaben wie etwa Landschaftsschutz, natürliche Ressourcen, die Wahrung von Tier- und Pflanzenarten.

Eine der großen Neuerungen des Gesetzestextes ist die Neuregelung der Kompensierungsmaßnahmen. Zwar sah bereits das Naturschutzgesetz aus dem Jahr 1982 derlei Maßnahmen vor. Die Umsetzung sei jedoch bislang unbefriedigend gewesen, hatte Staatssekretär Camille Gira („déi gréng“) in einer Sitzung mit dem Umweltausschuss gesagt. Nun soll der gesetzliche Rahmen für ökologische Kompensierung präzisiert werden.

Werden Naturgebiete wegen Infrastrukturarbeiten zerstört, müssen Biotope wieder instandgesetzt bzw. neue Lebensräume geschaffen werden. Biotope und Lebensräume sollen anhand von Ökopunkten, die einem noch zu bestimmenden Geldbetrag entsprechen, auf ihre Bedeutung hin bewertet werden. Staat und Gemeinden werden Kompensationspools einrichten. Es handelt sich dabei um Land- und Grünflächen-Reserven, in denen die Kompensierungsprojekte gegen Bezahlung realisiert werden müssen. Schließlich werden die Kompensationsmaßnahmen in einem Register eingetragen.

Mehr Transparenz erhoffen sich die Autoren der Gesetzesvorlage durch zusätzliche Begriffserklärungen. Großherzogliche Reglemente werden festlegen, ob, wo und wie der Einzelne in einer Grünzone bauen darf. Willkür werde so ausgeschlossen, heißt es. Insbesondere zügellosem Erwerb von Land und anschließender wilder Baulandspekulation soll damit ein Riegel vorgeschoben werden. Ein weiteres Reglement soll die geschützten Biotope auflisten sowie beschreiben, was als Reduzierung, Vernichtung oder Beschädigung eines Biotops oder eines Lebensraums gewertet werden muss.


Gesetz könnte noch im März verabschiedet werden

Das neue Naturschutzgesetz könnte noch in der zweiten März-Woche im Plenum zur Abstimmung vorliegen. Das hofft Berichterstatter Henri Kox („déi gréng“). Zu nehmen sind nur einige geringfügige Hürden.

Wenn sich der Umweltausschuss auf zwei weitere Änderungsvorschläge einigen kann, die auf Anraten des Staatsrats erfolgen, könnte die Hohe Körperschaft bereits kommende Woche mit einem abschließenden Gutachten befasst werden. Dann stünde der Verabschiedung des Gesetzentwurfs nichts mehr im Wege. Die Änderungsvorschläge betreffen u.a. die kommunalen Kompetenzen im Bereich kommunaler Schutzzonen.

Das neue Gesetz werde mehr Sicherheit in Sachen Naturschutz geben, sagt Kox. Es sei eine Art Leitplanke für den Naturschutz. Von Bedeutung sei, dass viele Elemente des Naturschutzes klarer definiert würden: Was ist ein Biotop, was eine ökologisch wertvolle Zone? Zu guter Letzt habe die Umwelt einen Preis bekommen, so Kox in Anspielung auf die geplanten Ökopunkte für zwingend vorgeschriebene Kompensierungsmaßnahmen.

Auf die gestern von der CSV vorgelegten Änderungsvorschläge reagierte Kox leicht irritiert. Die CSV habe zu lange gewartet mit ihren Vorschlägen, die nicht viel Neues enthielten. Im Ausschuss sei viel und lange diskutiert worden. In etlichen Fragen sei man den christlich-sozialen Abgeordneten entgegengekommen, insbesondere was die Landwirtschaft in Grünzonen anbelangt. Und: „Wir machen ein Gesetz für den Naturschutz und keines für die Landwirtschaft“.

lmo


Bedingte Zustimmung bei der CSV

Die CSV hat gestern mehrere Änderungsvorschläge zu einem bereits mehrmals überarbeiteten Gesetzesentwurf vorgelegt. Zwar sei auch sie für eine Neuauflage des Naturschutzes, sagt die Partei. Doch müsse auch die Zukunft der Landwirtschaft abgesichert werden. So fordert die CSV „eine flexiblere Bestimmung der landwirtschaftlichen Aktivität“ in einer Grünzone.

Abgelehnt werden Kompensationen auf landwirtschaftlich wertvollen Flächen. „Die Landwirtschaft ist ein für Luxemburg wichtiger Wirtschaftssektor, dem wir den wichtigsten Produktionsfaktor (Boden) nicht entziehen dürfen“, heißt es. Gleichzeitig befürwortet die CSV-Fraktion das Prinzip der Kompensierung und den vorgeschlagenen Weg der Ökopunkte und Ökokonten.


Flora und Fauna gefährdet

Die Umweltsituation in Luxemburg hat sich 2014 laut 5. Bericht über Biodiversität von 2015 weiter verschlechtert. Zwischen 1962 und 2007 sind die Feuchtgebiete um 78 Prozent geschrumpft, halboffene Landschaften mit Hochstammobstgärten um 57 Prozent. Diese Entwicklung schadet ebenfalls den Menschen, da Feuchtgebiete u.a. vor Überschwemmungen schützen.

Auch der Zustand der Lebensräume für Wildtiere und Vögel hat sich massiv verschlechtert. 74 Prozent der Tier- und Pflanzenarten, die laut EU-Richtlinie über natürliche Lebensräume besonderen Schutzes bedürfen, sind in Luxemburg gefährdet. Der Artenvielfalt zu schaffen macht insbesondere die extreme Zersiedlung Luxemburgs.