Der Herrscher von Corleone ist tot

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Der Boss der Bosse, Toto Riina, ist in der Nacht zum Freitag gestorben. Der Clanchef der Cosa Nostra hat auch aus strengster Isolationshaft über Jahre die Geschäfte der Mafia geleitet. Er war mitverantwortlich für zahlreiche Attentate.

Der Boss der Bosse, Toto Riina, ist in der Nacht zum Freitag gestorben. Der Clanchef der Cosa Nostra hat auch aus strengster Isolationshaft über Jahre die Geschäfte der Mafia geleitet. Er war mitverantwortlich für zahlreiche Attentate.

Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner, Florenz 

In der Nacht nach seinem 87. Geburtstag starb Salvatore „Toto“ Riina im Krankentrakt des Gefängnisses von Parma. Justizminister Andreo Orlando hatte am Vortag den nächsten Angehörigen gestattet, den bereits im Koma Liegenden zu besuchen und Abschied zu nehmen.

Bis zuletzt hatte Riina, der seit 24 Jahren in verschärfter Isolationshaft saß, die Geschicke der Cosa Nostra auch aus der Haft heraus gelenkt. Die Macht des „Bosses der Bosse“ schien unbegrenzt, sie war vor allem unumstritten. Mehr als 200 Morde werden ihm angelastet. Toto Riina, genannt „u curtu“ (wegen seiner geringen Körperhöhe von 158 Zentimetern) wird für die Bombenattentate gegen die Antimafiarichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino verantwortlich gemacht.

Kriminelle Laufbahn beginnt als Jugendlicher

Am 16. November 1930 wurde Toto Riina als Sohn einer Bauernfamilie geboren. Als Jugendlicher verliert er Vater und Bruder, die beim Versuch ums Leben kamen, Sprengpulver aus einer nicht gezündeten amerikanischen Bombe zu entfernen.

Die Straße in Corleone, in der die Riina-Familie wohnt

Bereits als Jugendlicher beginnt Riina seine kriminelle Laufbahn. Mit seinem Kumpanen Luciano Liggio begeht er Einbrüche und kleine Überfälle, in einem Streit mit einem Widersacher im Alter von 19 Jahren seinen ersten Totschlag. 1949 wird er dafür zu zwölf Jahren Haft verurteilt, verlässt jedoch bereits 1958 das Gefängnis von Ucciardono. Nun beginnt er seine Mafialaufbahn, indem er gemeinsam mit Liggio zunächst den Boss von Corleone, den Arzt Michele Navarra, ermordet. Beide setzen sich an die Spitze des Clans, mit Bernardo Provenzano als Dritter im Bunde. Das Gespann Riina-Provenzano sollte künftig den Clan von Corleone leiten und für den Wandel der Cosa Nostra von einer kriminellen Organisation zu einer terroristischen Vereinigung sorgen.

 

Krieg dem Staate

Mitte der 70er-Jahre bediente sich Italiens langlebiger Ministerpräsident Giulio Andreotti auch der Dienste der Mafia. Über Palermos Bürgermeister Vito Giancimino liefen die Beziehungen Riinas und Provenzanos zur Democrazia Cristiana.

1992 explodierte eine Autobombe bei Palerma. Der Antimafia-Staatsanwalt Giovanni Falcone, seine Frau und seine Bodyguards starben.

Andreotti scheute sich nicht, politische Gegner von der Mafia beseitigen zu lassen. Ende der 80er Jahre jedoch wollte sich „il Divo“, wie Andreotti genannt wurde, vom Geschäft zurückziehen. Die Cosa Nostra reagierte prompt und eröffnete den Krieg gegen den Staat. Politiker der DC wurden ermordet, den Attentaten der Mafia erlag auch Piersanti Mattarella, der Bruder des heutigen Staatspräsidenten.

Nach dem Maxiprozess gegen die Cosa Nostra im Januar 1992, bei dem 460 Mafiosi zu insgesamt 2.665 Jahren Haft verurteilt wurden, ordneten die Bosse Riina und Provenzano eine Serie von Morden und Attentaten an. Zu den prominenten Opfern gehörten die Antimafiarichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, die mit wenigen Wochen Abstand bei zwei Bombenattentaten ermordet wurden. Zudem wurden Riina die Bombenanschläge von Mailand, Rom und Florenz 1993 zur Last gelegt. Im selben Jahr wurde der Boss der Bosse in seiner Villa auf Sizilien verhaftet und saß seither in verschärfter Isolierhaft. Das hinderte ihn nicht daran, die Geschäfte der Mafia weiterzuleiten.

Stillhalteabkommen bleibt unaufgeklärt

So wurde mit Genehmigung Riinas ein Stillhalteabkommen zwischen Mafia und Staat geschlossen. Verabredungen, die bis heute nicht aufgeklärt sind: Aussagen des früheren Staatspräsidenten Giorgio Napolitano liegen wegen „Interessen des italienischen Staats“ unter Verschluss. Mit Riina starb nun nach Provenzano einer der letzten Zeugen der Abkommen. Darunter auch jener Verabredungen, die die Cosa-Nostra-Bosse mit Marcello Del’Utri und Silvio Berlusconi geschlossen hatten, in deren Folge die Italien Jahrzehnte regierende Forza Italia gegründet wurde.