Abtreibung: Proteste in Polen gegen Initiative der Kirche

Abtreibung: Proteste in Polen gegen Initiative der Kirche

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Von unserem Korrespondenten Jens Mattern

Im polnischen Parlament Sejm wird auf Druck der Kirche eine Gesetzesinitiative für ein verschärftes Abtreibungsrecht diskutiert. Im ganzen Land ist es daher gestern zu massiven Protesten von Frauen gekommen. Die regierende PiS ist in einer Zwickmühle.

Polens Hauptstadt war am Freitag lahmgelegt. Dunkel gekleidete Frauen mit dunklen Schirmen protestierten vor dem Parlament Sejm und dem Sitz der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts.

„Meine Wahl“ oder „Dein Glaube, meine Strafe“ stand auf den Transparenten. In rund 150 Städten gingen die Polinnen und auch Polen auf die Straße, in 60 Städten außerhalb des Landes kam es ebenfalls zu kleineren Protestaktionen. Grund des Anstoßes ist eine Gesetzesinitiative der Stiftung „Leben und Familie“. Diese wurde von einem Sejm-Ausschuss am Montag zur Begutachtung angenommen. Demnach sollen Frauen auch Kinder auf die Welt bringen müssen, wenn diese behindert oder schwerbehindert sein werden. Bislang erlaubt die polnische Gesetzgebung einen Schwangerschaftsabbruch in diesem Fall, wie auch bei einer Vergewaltigung oder einer Gefährdung des Lebens der Mutter.

Eine ähnliche Initiative der internationalen Stiftung „pro Life“, die ein Totalverbot forderte, wurde im Oktober 2016 durch einen Massenprotest verschiedener Frauenorganisationen gestoppt. Damals demonstrierten knapp 100.000 Polinnen und Polen, in Warschau waren es 30.000. Jaroslaw Kaczynski, der einflussreiche PiS-Chef, fürchtete den Druck der Straße und ließ gegen das Totalverbot der Abtreibung stimmen. Später wurde noch ein Gesetz erlassen, dass Frauen mit rund 4.000 Zloty (950 Euro) prämiert, wenn sie ein behindertes Kind zur Welt bringen.

PiS in der Zwickmühle

Die jetzige Gesetzesinitiative, die mit 830.000 Unterschriften im November eingebracht wurde, ließ die Regierungspartei verschleppen, um sich diesen Konflikt vom Leibe zu halten. Bis die Bischöfe in der vergangenen Woche massiv Druck machten und in einem Schreiben ein „unverzögertes Aufnehmen der Gesetzgebungsarbeit des Parlaments“ forderten.

Nun kann der Sejm – wie oft geschehen – auch nachts über die Initiative abstimmen. Davor fürchten sich Organisationen wie „Streik der Frauen“ und „Rettet die Frauen“, die allgemein ein weitaus liberaleres Recht auf Schwangerschaftsabbruch fordern. An der Protestaktion nahmen jedoch auch Frauen teil, die das bislang strenge Abtreibungsrecht erhalten wollen.

Dieses ist so streng, der Druck auf die Ärzte so groß, dass in Polen jährlich nur etwa 1.000 legale Abtreibungen umgesetzt werden. Die Föderation für die Sache der Frauen und Familienplanung geht von 100.000 illegalen Abtreibungen von Polinnen jährlich aus. Vermögendere Frauen fahren nach Deutschland oder Tschechien. Den gänzlich unvermögenden Polinnen bleibt nur der Kleiderbügel aus Draht.

Großteil der Abtreibung wegen Behinderung
Von den 1.098 offiziellen Abtreibungen im Jahr 2016 fanden 1.042 aufgrund einer zu erwartenden Behinderung des Kindes statt.

Hinter der Stiftung „Leben und Familie“ steht vor allem Kaja Godek, Mutter eines geistig behinderten Kindes mit Down-Syndrom. Sie empfand es als Zumutung, dass ihr Arzt ihr die Abtreibung empfahl. Ein Mädchen mit Down-Syndrom lächelt den Betrachter auch auf der Internetseite der Stiftung an. Nach Angaben der Stiftung hätten 90 Prozent der Föten, die legal aufgrund von Behinderung abgetrieben wurden, ein Down-Syndrom.

Marta Lempart von der Organisation „Streik der Frauen“ widerspricht dem – 75 Prozent der abgetriebenen Föten hätten solch schwere Schäden, dass sie nach der Geburt qualvoll sterben würden.

Die Regierungspartei ist nun in einer Zwickmühle. Denn die katholische Kirche gab bei den Parlamentswahlen im Herbst die Empfehlung, sich für die „Lebensschützer“ zu entscheiden. Allerdings sind nach Umfragen rund 70 Prozent der Polen gegen eine Verschärfung der bestehenden Regeln.

In rund 150 polnischen Städten kam es zu Kundgebungen

 

CESHA
25. März 2018 - 17.27

Es steht ja auch gläubigen Christen frei, nach den Vorschriften ihrer Religion zu leben - wenn die Kirche allerdings versucht, auf weltliche Gesetzgebung Einfluss zu nehmen und damit auf das Leben von Nicht- oder Andersgläubigen, dann kann ich das nur als unzumutbare Einmischung betrachten

Scholnier
25. März 2018 - 8.03

Jeder Mensch ,der eine Bindung an humanistisches Gedankengut hat, wird das Töten des ungeborenen Leben ablehnen. Egal welcher Religion oder politischer Ausrichtung man angehört, Abtreibung ist Mord.

CESHA
24. März 2018 - 7.21

Wann hört die katholische Kirche endlich auf, sich in das Privatleben der Menschen einzumischen?