„300 Prozent“

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Am Freitag findet im Escher Rathaus die erste Gemeinderatssitzung unter dem neuen CSV-DP-„déi gréng“-Schöffenrat statt. Für die 31-jährige grüne Politikerin Mandy Ragni ist es ihre erste Sitzung überhaupt. Und dann noch gleich als Schöffin. Aufgeregt ist sie deshalb aber nicht.

Die gelbe Farbe an den Wänden und die gerahmten Fotos stammen noch von ihrem Vorgänger Dan Codello. „Nicht mein Geschmack“, sagt Mandy Ragni, „les goûts et les couleurs …“. Zurzeit wird viel gestrichen im ersten Stockwerk des Escher Rathauses. Am 11. Dezember soll auch ihr Büro eine neue Farbe bekommen.
Das Bild auf dem Fenstersims hat sie selbst mitgebracht. Die älteste ihrer beiden Töchter hat es gemalt. Sie ist acht Jahre alt. Das Bild zeigt ihre Familie: Mandy, ihren Mann, der sie vollends unterstützt, die beiden Kinder und den Hund. Sie leben in Lallingen.
Viel Zeit hat sie nicht. Draußen vor der Tür wartet bereits ein Kamerateam von RTL. „Viel los im Moment“, meint Mandy Ragni.

Am Freitag findet die erste Sitzung des Escher Gemeinderats nach den Wahlen statt. Mandy Ragni ist jetzt Schöffin. Vergangene Woche wurde sie zusammen mit dem neuen CSV-Bürgermeister Georges Mischo und ihren Amtskollegen Martin Kox („déi gréng“), André Zwally (CSV) und Pim Knaff (DP) von Innenminister Dan Kersch vereidigt. Die fünf waren gemeinsam in einem Wagen zur Vereidigung in die Hauptstadt gefahren, um die Umwelt zu schonen und CO2 zu sparen. Mischo saß am Steuer. Mandy hatte „ganz spontan und ohne politische Hintergedanken“ ein Selfie im Auto geschossen und das Foto auf Facebook gepostet. Die Stimmung war gut. Es wurde viel gelacht. Das soll auch in Zukunft so bleiben.

Mandy Ragni hatte sich am 8. Oktober zum ersten Mal in ihrem Leben den Wählern gestellt. Als eine von vier SpitzenkandidatInnen von „déi gréng“ erhielt sie hinter dem „alten Hasen“ Martin Kox die meisten Stimmen.
Sie sei mit in die Versammlungen der Grünen gegangen, weil sie sich für Politik und die Stadt Esch interessiere, erzählt die 31-Jährige. Als Mutter von zwei Kindern müsse man auch an die Zukunft denken. Wer sich politisch engagiert, habe ein Mitspracherecht und könne im Interesse der Kinder etwas bewegen.

Kindheit in den Belvaler Wiesen

Umwelt und Kinder liegen Mandy Ragni besonders am Herzen. Mit großer Begeisterung erzählt sie von ihrer eigenen Kindheit in den Wiesen jenseits der Belvaler Straße, wo sie mit den anderen Kindern aus dem Viertel Hütten baute und sich beim Kanal traf, was bei den Eltern nicht gern gesehen war.
Den Rest ihrer Freizeit verbrachte Mandy ab dem Alter von vier Jahren bei Madame Sylvie in der Tanzschule Germaine Damar. Später wechselte sie mit ihrer Tanzlehrerin ins Escher Konservatorium, bis sie mit 19 Jahren zu Sara Eden ging. Auch heute sieht sie sich noch gerne Vorführungen im Theater an, doch die Tanzschuhe hat sie an den Nagel gehängt, als sie ihre Ausbildung begann.

In den vergangenen zehn Jahren arbeitete Mandy Ragni als „Educatrice diplomée“ im Brill, wo sie auch ihre Primärschulzeit absolvierte. Doch mit dieser Arbeit ist jetzt Schluss. Eine Anstellung bei der Stadt Esch ist mit der Mitgliedschaft im Gemeinderat gesetzlich nicht vereinbar, deshalb hat Mandy ihre Stelle in der Brill-Schule erst einmal aufgegeben. Es sei ihr nicht leichtgefallen, sich von ihren Arbeitskollegen zu verabschieden, die für sie zur zweiten Familie geworden waren. „Manchmal ist es eben so, dass man wie in einem Buch eine Seite umblättern und seinen Weg weitergehen muss“, erklärt die neue Schöffin ihre Entscheidung. In den nächsten drei Jahren will sie sich ausschließlich ihrer neuen politischen Aufgabe widmen.

Doch die junge Frau, die am 6. Dezember ihren 32-jährigen Geburtstag feiern wird, verfügt kaum über politische Erfahrung. „Von Null auf Hundert“ sei sie in den Gemeinderat gekommen. „Es ist ein Beweis dafür, dass die Escher Bürger einen selbst und die Idee wertschätzen. Das ist sehr schön“, beschreibt Mandy Ragni ihr persönliches Resultat bei den Gemeindewahlen. Wegen des guten Abschneidens ihrer Partei, die sich von zwei auf drei Mandate verbessern konnte, hat sie es sogar bis in den Schöffenrat geschafft. Damit ist sie in derselben Situation wie ihre fast gleichaltrige Amts- und Parteikollegin Laura Pregno in Differdingen, die am vergangenen Mittwoch ihre erste Sitzung als Schöffin unbeschadet überstanden hat. Beide kennen sich noch aus ihrer gemeinsamen Lyzeumszeit und haben sich auch kürzlich ausgetauscht.

„Ich bin nicht nervös“

Aufgeregt ist Mandy Ragni vor ihrem Debüt heute aber nicht. „Ich bin nicht nervös. Natürlich ist alles neu, man muss sich einarbeiten, aber das ist überall so, wenn man etwas neues beginnt“, beteuert die Politikerin. Das sehe auch Laura Pregno so, die am Mittwoch dann doch etwas nervös war. Beide Schöffinnen kümmern sich in ihren jeweiligen Gemeinden um die gleichen Ressorts: Bildung, Kinderbetreuung, Jugend.
Eingearbeitet habe sie sich schon, meint Mandy Ragni, doch bei der Frage nach den politischen Prioritäten verweist sie auf das Koalitionsabkommen. Eine der wichtigsten Vereinbarungen sei der Ausbau der Schulen und Betreuungseinrichtungen. Kleine Viertelschulen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad für Kinder leicht zu erreichen sind, sollen künftig Priorität haben. Auf der „Lentille Terre-Rouge“ und auf der Industriebrache Esch-Schifflingen sollen Schulen und „Maison relais“ Vorrang haben. Auch die Zentrumsschule im ehemaligen „Sprëtzenhaus“ soll umgesetzt werden.

Neben der Ressortaufteilung gibt es aber noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Mandy Ragni und Laura Pregno. Beide sind die einzigen Frauen in ihren jeweiligen Schöffenräten und dementsprechend wurde ihnen auch die Chancengleichheit zugeteilt. Jene Chancengleichheit, die weder im Differdinger noch im Escher Gemeinderat zurzeit vorgelebt wird. In drei Jahren wird in Esch voraussichtlich gar keine Frau mehr im Schöffenrat vertreten sein, denn Ende 2020 soll Mandy Ragni von Frunnes Maroldt von der CSV abgelöst werden. Ihr Schöffenamt wurde „gesplittet“.
Doch bis dahin will Mandy alles für die Stadt Esch geben. „Ich werde mich zu 300 Prozent für das Wohl des Escher Bürgers einsetzen, weil ich ja nur die Hälfte der Mandatsperiode zur Verfügung habe“, betont die neue Schöffin entschlossen.