Zwei-Kinder-Politik: Ägypten will demografische Bombe entschärfen

Zwei-Kinder-Politik: Ägypten will demografische Bombe entschärfen
Blick von der Baustelle des Großen Ägyptischen Museums auf die Pyramiden: Das Land braucht Millionen neuer Arbeitsplätze. Foto: AFP

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Das Bevölkerungswachstum belastet die knappen Ressourcen Ägyptens. Die Regierung will das Problem mit dem Programm "Zwei sind genug" entschärfen.

Das Bevölkerungswachstum belastet die knappen Ressourcen Ägyptens. Die Regierung will das Problem mit dem Programm „Zwei sind genug“ entschärfen: Jede Frau soll möglichst nur noch zwei Kinder bekommen. Doch das widerspricht der Einstellung vieler Familien.

Von unserem Korrespondenten Jacob Wirtschafter, Kairo

Im bevölkerungsreichsten Land des Nahen Ostens werden bis Ende des Jahres 99 Millionen Menschen leben. Wenn es bei den derzeit 3,2 Kindern pro Frau bleibt, würde die Einwohnerzahl Ägyptens bis 2030 auf 128 Millionen steigen. Die Regierung will das vermeiden. „Das Bevölkerungswachstum stellt eine echte Bedrohung für die Bemühungen des Staates dar, wirtschaftliche und soziale Reformen durchzuführen“, sagte Premierminister Sherif Ismail an einer Konferenz Anfang Juni. Bei einer Bevölkerung von 128 Millionen Menschen brauchte Ägypten nach Schätzungen der Vereinten Nationen 377.000 weitere Ärzte und 1,09 Millionen mehr Lehrer.

Und das Land braucht Millionen neuer Arbeitsplätze. Die Regierung konnte die Arbeitslosenquote mit ihren Wirtschaftsreformen auf 10,6 Prozent drücken, vor einem Jahr hatte sie noch 11,3 Prozent betragen. Doch sie müsse ihre Reformen weiter ausweiten, sagt der Abgeordnete Mahmoud Shaalan. Sonst würde das Bevölkerungswachstum die Ergebnisse der Reformen auffressen.

Die Regierung hat nun das Programm „Zwei sind genug“ lanciert. Es sei Teil der nationalen Strategie zur Begrenzung des Bevölkerungswachstums durchgeführt werden, sagte Ghada Wali, Ministerin für soziale Solidarität, bei der Vorstellung des Programms. „Wir wollen das Bewusstsein der Frauen für die Vorteile kleiner Familien schärfen.“ Das Programm richtet sich zunächst an etwa 1,15 Millionen Frauen in den ärmsten Familien des Landes – und auf die Regionen mit den höchsten Geburtenraten von bis zu 4,6 Kindern pro Mutter.

Zum Beispiel im Südteil des Landes. „Es ist nicht einfach, in Oberägypten über dieses Thema zu sprechen“, sagte Sanaa Atta Mahmoud, eine 24-jährige Reiseleiterin in Luxor. „Die Familien sind verärgert, wenn eine Braut im ersten Jahr der Ehe nicht schwanger wird.“ Und sie erwarteten das nächste Baby innerhalb eines weiteren Jahres. Sanaa Atta Mahmoud hat sich dieses Jahr verlobt. Sie und ihr Verlobter wollen vor ihren Familien geheim halten, „dass wir in den ersten Jahren keine Kinder wollen, und dass wir es uns nicht leisten können, mehr als zwei Kinder aufzuziehen“.

Auch Abtreibung sollte möglich sein

Abdul Fatah El Sisi dürfte sich darüber freuen. „Sie wollen sicherstellen, dass alle eine Ausbildung erhalten? Beheben Sie das Bevölkerungsproblem. Sie wollen Arbeitsplätze sichern? Beheben Sie das Bevölkerungsproblem. Sie wollen medizinische Leistungen? Das Bevölkerungsproblem lösen“, sagte der ägyptische Präsident auf einem Jugendforum im vergangenen Jahr.

Ägyptens Frauenrechtlerinnen drängen die Regierung, noch weiter zu gehen. „Es ist an der Zeit, dass wir mit den Menschen über Ressourcen oder genauer gesagt über den Mangel an Ressourcen sprechen“, sagt Nada Nashat, eine Anwältin des in Kairo ansässigen Centre for Egyptian Women’s Legal Assistance. Aber das Programm „Zwei sind genug“ sei unzureichend, weil es nicht bei der Kultur in den Familien ansetze. Es brauche einen umfassenderen Ansatz, um die Einstellung vieler Ägypter zur Familiengröße zu ändern.
„Junge Männer müssen in die Bildungsbemühungen einbezogen werden“, sagt Nada Nashat. „Abtreibung muss eine legitime und legale Option für Frauen zusätzlich zur Verhütung sein.“ Dennoch: „Zwei sind genug“ sei ein wichtiger Schritt, um die Geburtenraten des Landes mit seinen Ressourcen in Einklang zu bringen, sagt Aleksandar Bodiroza, Vertreter des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen UNFPA in Ägypten.

Er verweist darauf, dass Sisis Vorgänger Hosni Mubarak die Geburtenrate bereits von 5,8 Kindern pro Mutter auf drei senken konnte. „Ein außergewöhnlicher Erfolg“, so Bodiroza. Allerdings seien diese Bemühungen nach dem Aufstand gegen Mubarak 2011 unterbrochen worden und die Geburtenrate sei wieder gestiegen. Nun knüpft Sisis Regierung an die früheren Programme an.

 

DanV
15. Juni 2018 - 9.02

Ägypter flüchten nicht - oder nur sehr selten.

Jacques Zeyen
14. Juni 2018 - 20.07

Bravo. Die Menschen sind immer noch nicht aufgeklärt und gebildet genug,um den Ernst der Lage zu erkennen. Wenn man nur ein Kind ernähren kann,darf man keine sechs bekommen.Das ist eiskalte Arithmetik,das Gegenteil von vatikanischem Gedankengut.Die Natur macht keine Ausnahmen. Wenn man sechs Kinder auf die Welt setzt und vier davon müssen nach Europa "flüchten"um zu überleben,hat man etwas falsch gemacht.