Lieber Proporz- als Majorzsystem

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BÖWINGEN/TÜNTINGEN – Seit Mai 2014 steht es fest: Böwingen/Attert und Tüntingen wachsen zusammen. Viel Arbeit ist davor und danach in die "Heirat" geflossen.

Saeul hatte zuvor abgewinkt. Bei den kommenden Gemeindewahlen geht die neue Zentrumsgemeinde, die „Helperknapp“ heißen wird, noch im Majorzsystem mit. Böwingens (Noch-) Bürgermeister wäre das Seit Mai 2014 steht es fest: Böwingen/Attert und Tüntingen wachsen zusammen. Viel Arbeit ist davor und danach in die „Heirat“ geflossen. Proporzsystem lieber gewesen.

Böwingen ist eine ländliche Gemeinde genau wie Tüntingen auch. Viel Grün, gute Fahrrad- und Wanderwege und Landwirtschaft prägen das Umfeld. Die Ruhe nimmt sich in der dank „Nordstrooss“ nur rund eine Viertelstunde von der Hauptstadt entfernten 2.500- Einwohner-Gemeinde himmlisch aus. Und der Ar Bauland ist mit Preisen zwischen 55.000 und 80.000 Euro noch vergleichsweise „günstig“. Das wären auch die Vorzüge, mit denen der amtierende Böwinger Bürgermeister Paul Mangen einem Fremden die Gemeinde schmackhaft machen würde. Mit Tüntingen kommen zu den acht Ortsteilen noch vier Dörfer und rund 1.600 Einwohner hinzu. Eigentlich müsste am 8. Oktober im Proporzsystem gewählt werden. Das entsprechende Fusionsgesetz erlaubt aber anderes.

Bis 2023 noch Majorzsystem

In der Übergangszeit, sie geht bis 2023, wird noch im Majorzsystem gewählt. Sieben Gemeinderäte kommen aus dem größeren Böwingen, sechs aus Tüntingen, es gelten zwei Sektionen. So steht es im Gesetz zur Fusion. Böwingens Bürgermeister hätte rückblickend lieber gleich im Proporzsystem gewählt. Der Landwirt ist Mitglied der CSV und kandidiert zusammen mit der Tüntinger Bürgermeisterin in einem, wie er sagt, „Team“ für einen der 13 Gemeinderatsposten.

„Da hätten wir auch gleich im Proporzsystem wählen können“, sagt er und will von einem zweiten „Team“, das sich gerade zusammenfindet, wissen. Ein „Gegeneinander“ würde er gerne verhindern. „Wir haben so gut und so viel für die Fusion gearbeitet“, sagt er, „das müssen wir weiter gemeinsam realisieren“. Die Bürger wurden vorher umfassend informiert, eine Broschüre gedruckt, Informationsveranstaltungen fanden statt. Es wurde an alles gedacht. Sogar das neue Logo für „Helperknapp“ ist darin vorskizziert.

Der Fusion selbst kann er nur Vorteile abgewinnen. „Es ist manchmal schwer, aber ich bin darüber sehr froh und stolz auf die Arbeit beider Gemeinderäte für die Fusion“, sagt er. Die Zustimmungsrate von 69 Prozent beim Referendum bestätigt dies. Bei den jüngeren Gemeindemitgliedern hat es schon immer eine enge Zusammenarbeit mit dem Nachbarn gegeben. Im Sport sowieso und auch das Jugendhaus war für jeden offen. Zusammenarbeit gab es auch bei den Feuerwehren beider Orte. „Früher war es ein Spaß, welche Feuerwehr zuerst beim Brand war“, erinnert Mangen sich.

Die Skulptur zur Fusion

Der Ex-Kommandant der Böwinger Feuerwehr, Gilbert George, ein Fan der Fusion und Mitarbeiter des „Service technique“, hat die „Fusions“-Skulptur entworfen: zwei Holzkörper mit Köpfen, die sich einander zuneigen und sich symbolisch per Seil die Hand geben. Darunter werden die Monate, bis es so weit ist, gezählt. „Nach 5 Méint bis Gemeng Helperknapp“ steht auf einer Holztafel darunter. Wenn sie abgelaufen sind, dann darf auch der langjährige Gemeindesekretär Henri Bausch nach über 40 Jahren Dienst endlich in Rente gehen. „Wir haben ihn immer wieder gebeten, zu bleiben“, sagt Mangen, „er kennt sich gut aus, hat Lebenserfahrung und so jemand hätten wir für ein Jahr nicht gefunden“. In das neue Rathaus in Tüntingen, das für rund zwei Millionen Euro renovierte ehemalige Pfarrhaus, wird er also am 1.1.2018 nicht mehr miteinziehen. Der Kollege aus Tüntingen übernimmt. Das dann leer stehende Rathaus in Böwingen wird in ein „Centre médical“ mit Ärzten umgewidmet.

Der neue Name „Helperknapp“ ist ein Kompromiss. Viele Vorschläge lagen auf dem Tisch. Einer davon bezog sich auf die beiden Flüsse durch die Gemeinden. Durch Böwingen fließt die Attert, durch Tüntingen die Eisch. „Eischdall/Attertdall-Gemeng“ lag als Vorschlag auf dem Tisch.

Symbolträchtiger Name

„Helperknapp“

Der Quelle auf der Anhöhe werden heilende Kräfte zugesprochen. Die Legende sagt, dass sie sogar Karl dem Großen (747-814), der auf einer Jagd in der Gegend weilte, geholfen hat. Fieber plagte ihn und als er das Wasser aus der Quelle trank, ging es ihm schlagartig besser.
Aus Dank soll er eine Kirche auf dem Hügel gebaut und sie Johannes dem Täufer gewidmet haben. Soweit zur Sage, die der Lehrer Nicolas Gredt in seinem Werk „Sagenschatz des Luxemburger Landes“ (1883) erzählt. Athenäum-Lehrer Nicolas Wies führt die Ursprünge des „Helperknapp“ in seinem Buch „Die Urbewohner des Luxemburger Landes und ihre Religion“ auf die Kelten zurück. Dafür sprechen die gallischen Münzen, die dort gefunden wurden und im derzeitigen Wappen von Böwingen verewigt sind. Sie sind heute
im Staatsmuseum zu besichtigen.

„Da habe ich gesagt, das kann ich nicht schreiben“, sagt Mangen mit dem ihm eigenen Humor und lacht. Keine Frage: „Helperknapp“ ist der symbolträchtigere Name. Die Erhebung ist mit 390 Metern Höhe der höchste Punkt der Gemeinde und schon seit 1939 als „Monument historique“ eingestuft. Die Ursprünge des heute unbesiedelten Ortes mit Heilquelle gehen auf die Kelten zurück. Da wo heute die kleine Kapelle steht, wird der heilige Willibrord angebetet und es war immer ein Handelsplatz der Bauern aus der Umgegend. Der „Helpermaart“ hat dort historisch seinen Ursprung. Zwar wurde er 1923 nach Mersch ausgelagert, konnte aber durch die Initiative des Böwinger „Syndicat d’initiative“ 1988 wieder in die Gemeinde zurückgeholt werden. Seitdem ist es an Pfingsten ein wichtiger Eintrag im Terminkalender und findet in den Straßen von Buschdorf statt. Viele Gründe also, den Hügel zum Namensgeber der neuen Gemeinde zu machen.

Ob sich die Sorgen von Mangen bezüglich einer „Konkurrenz“ bewahrheiten werden, sei dahingestellt. Zurzeit blickt die Gemeinde eher praktisch und konsensorientiert in die Zukunft. Die neue zentrale Grundschule in Brouch mit Platz für rund 520 Kinder ist verabschiedet. Sie wurde schon im Hinblick auf die Fusion auf den Weg gebracht und wird die „Mitgift“ von neun Millionen Euro für das Zusammenwachsen verschlingen.

Kostenpunkt: 40 Millionen Euro

Das ist übrigens auch im Fusionsgesetz festgeschrieben. Rund 40 Millionen Euro kostet das Projekt mit integrierter Sportinfrastruktur insgesamt. Auch andere Investitionen, die die neue Gemeinde machen muss, sind im Gesetz festgeschrieben: Investitionen in die Trinkwasserversorgung, die Errichtung eines „Centre de documentation historique“, ein Foyer für Senioren sowie ein Gelände für die mittelständigen Betriebe, um weitere Arbeitsplätze in der Gemeinde zu schaffen. Mangen, traditions- und heimatverbunden, will wie beim Schulbau keine Experimente machen. „Das sind unsere Hausaufgaben“, sagt er über die Zukunft, „ich will luxemburgische Firmen beschäftigen“. Er weiß, dass das nicht die günstige Variante ist.

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