„Das wird Stimmen kosten“

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ESCH/SAUER – Die Staueseegemeinde Esch/Sauer ist eine der neuen Fusionsgemeinden.

„Esch-sur-Sûre“ ist eine der neuen Fusionsgemeinden. Viele Touristen kennen das Dorf mit seinen rund 350 Einwohnern, es ist bekannter als die neuen Partner „Heischent“ oder „Ënsber“. Mit 2.500 Einwohnern nach dem Zusammenschluss wird auch zukünftig im Majorzsystem gewählt. Bürgermeister Gilles Kintzelé tritt erneut an und hat einen prominenten Gegner: Ex-Minister Marco Schank (CSV) will zurück in die Gemeindepolitik und tritt mit einer „Liste“ an.

Im Rathaus, und zwar in Heiderscheid, saß Marco Schank schon einmal, und zwar als Schöffe zwischen 1982 und 1994, später als Bürgermeister von 1994 bis 2009. Danach wechselte er als Minister für Wohnungsbau und delegierter Minister für nachhaltige Entwicklung und Infrastrukturen in die Nationalpolitik. Seit 2013 sitzt er wieder als Abgeordneter im Parlament. Zwischendurch fusionierte die Gemeinde Heiderscheid. Das hat er nach eigenen Angaben noch mitgestaltet. Nun will der 62-Jährige zurück in die Gemeindepolitik. Sein Antrieb: Enttäuschte Wähler und ein Politikstil, der missfällt. Seine Kritik bezieht sich vor allem auf die für die Übergangszeit vorgesehene „Rotation“ der drei Schöffen.

Nur einer von ihnen machte in der letzten Legislaturperiode die Stabübergabe. „Das haben viele Leute nicht gut gefunden“, sagt Schank vor dem Kontext einer sowieso zunehmend zu Politikkritik tendierenden Öffentlichkeit, die sehr genau verfolgt, ob und wie die Versprechen eingelöst werden. Den Verkauf des „Buttik vum Séi“, der die Produkte der Region vermarkten und die Nahversorgung garantieren sollte, kann der „Grüne“ in der CSV ebenfalls nicht gutheißen. Auf seiner neunköpfigen „Liste“ stehen parteilose Bürger genauso wie welche mit Parteizugehörigkeit – bei verschiedenen Parteien. Es ist ihm ernst damit. Eine Internetseite informiert über sein Verständnis von Bürgerbeteiligung und regionaler Wertschöpfung. Seine Kandidatur ist ernst gemeint. Eine eventuell CSV-geführte Regierung ab 2018 braucht nicht mehr – wie beim letzten Mal – bei ihm anzuklopfen, das hat er vorab klargestellt.

Keine „Geschenke“, um gewählt zu werden

In der Zwischenzeit wechselte Gilles Kintzéle (LSAP) vom einen ins andere Rathaus. Bis 2011 war er Bürgermeister von Esch/Sauer. Danach wurde der Viertgewählte vom Gemeinderat zum Chef der neuen Fusionsgemeinde gewählt. Er hatte viel zu tun, denn seitens der neuen Partner gab es einige „Überraschungen“, wie er sagt. „Da haben nicht alle die Karten offen auf den Tisch gelegt“, sagt Kintzelé. Das betrifft vor allem Heiderscheid, den mit 1.500 Einwohnern deutlich größten Ort der Fusionsgemeinde. 4.600 Euro Pro-Kopf-Verschuldung standen einer von 3.000 Euro pro Kopf in Esch/Sauer und Neunhausen gegenüber. Mittlerweile ist die Verschuldung auf 2.600 Euro pro Kopf in allen Gemeindeteilen heruntergeschraubt. Auch bei den im Gesetz zur Fusion festgelegten Investitionen im Straßenbau und bei den Versorgungsleitungen fand der neue Gemeindechef mehr „Flickwerk“, wie er sagt, als eine gesunde Basis vor. „Da hätte vorher großflächig gedacht werden müssen“, sagt er.

Zwölf Kilometer Straßennetz hat er insgesamt saniert. Überall in den anderen Gemeindeorten, vorwiegend in Heiderscheid, nichts auf dem Gebiet seiner „alten“ Gemeinde Esch-Sauer.

Abgesehen davon, dass Investitionen wie diese nicht gerade „populär“ sind, hat er auch auf das im Gesetz vorgesehene Kulturzentrum am See verzichtet, das „Séicenter Ënsber“. „Warum soll ein Gebäude realisiert werden, das die Gemeinde viel Geld gekostet hätte, wenn es Alternativen gibt?“, sagt der 57-jährige Architekt. Stattdessen will der aktuelle Gemeindechef die durch die Fusion zukünftig leer stehenden Gebäude der Kommune einer neuen Nutzung zuführen. Das betrifft das ehemalige Gemeindeatelier mit Sporthalle in Nachbarschaft der Jugendherberge in Lultzhausen sowie das leer stehende Rathaus in Esch/Sauer. Nach dem Vorbild des Differdinger 1735° C soll dort ein „Kreativhub“ entstehen, von dem neue Impulse Richtung Sport und Kultur für die Region kommen. Naiv? „Das wurde auch in Differdingen gesagt“, sagt Kintzelé, „da funktioniert es und wir können von deren Erfahrungen profitieren“.

Wenn Schank von mehr Bürgerbeteiligung spricht, spricht der aktuelle Gemeindechef von mehr Gerechtigkeit. Er mahnt die Gleichbehandlung aller Bürger an – egal, aus welchem Ort sie kommen – und sagt, dass vorher staatliche Zuwendungen nicht so verteilt wurden, wie es hätte sein müssen. Das Wort „Konkurrenz“ nimmt keiner der beiden Kandidaten in den Mund. Nach natürlich gewachsener Partnerschaft unter den Ortschaften klingt es aber auch (noch) nicht so richtig. „Ich weigere mich, in der Logik von kleinen Geschenken zu denken, um Stimmen zu bekommen“, sagt Kintzelé, „ich habe in den letzten sechs Jahren immer danach entschieden, was am wichtigsten ist – auch wenn es Stimmen kostet.“