Zoff unterm Magic Money Tree

Zoff unterm Magic Money Tree

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In Nordirland drängt die Zeit. Wenn sich Republikaner und Unionisten bis am Nachmittag nicht auf ein Regierungsprogramm einigen, droht die Direktherrschaft aus London. Dabei geht es um viel Geld, vor allem aber um grundsätzliche Ansichten. Und wie immer in Nordirland ein bisschen auch um alte unbeglichene Rechnungen.

Es ist nicht so, als hätten sich die Stürme über Theresa Mays Vereinigtem Königreich gelegt. Die Tories werden zwar seit Montag von der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) im britischen Unterhaus gestützt. Ruhe kehrt aber keine ein. May ist mittlerweile auf die Stimmen der zehn DUP-Abgeordneten aus Nordirland angewiesen, um ihre Brexit-Gesetze und die Queen’s Speech, eine Art Regierungserklärung, durchs Parlament zu bringen. Vor dem Debakel bei der von den Tories selber ausgerufenen Neuwahl verfügten die Tories in Westminster über die absolute Mehrheit.

Milliarde des Anstoßes

Die DUP hat für ihre Unterstützung viel Geld für die eigene Region Nordirland herausgehandelt. Eine Milliarde Pfund soll bis 2020 zusätzlich von London nach Belfast fließen. Dort wird das Geld bitternötig gebraucht. Fließen soll es zur einen Hälfte in die Infrastruktur, zur anderen in Gesundheit, Bildung und die Förderung armer Regionen. Die anderen Regionen des Vereinigten Königreiches reagieren umgehend, sind verärgert, fühlen sich verraten. Alle fragen sich: Wo kommt der Magic Money Tree plötzlich her, von dem May bislang die Existenz bestritt?

Das Bild vom magischen Geldbaum hat die Briten durch den Wahlkampf begleitet. Die Tories konterten die Wahlversprechen von Labour von mehr Umverteilung mit dem Verweis auf die Nichtexistenz eben dieses Magic Money Tree. Den Vogel aber schoss Theresa May höchstpersönlich ab, als sie in einer TV-Fragerunde einer Krankenschwester, die seit zehn Jahren vergeblich auf eine Gehaltserhöhung wartet, erklärte, das gehe nun mal nicht, es gebe ja keinen … Magic Money Tree.

Eine erwachsene, sehr wahrscheinlich hart arbeitende Frau in einer TV-Runde so abzuspeisen, mit einem Erklärungsansatz wie aus einem Märchen, der sogar bei Zehnjährigen nicht mehr zieht – es waren auch Auftritte wie dieser, die May die Stimmen kosteten.

Nun ist der Magic Money Tree also wieder da. Nur sorgt er jetzt in Nordirland für eine zusätzliche Volte in einem bereits jetzt facettenreichen und handfesten Regierungskrach. Seit Montag, als sich, abseits von Mays Lager, Spott und Entrüstung die Waage hielten über den plötzlichen Geldsegen für die Stimmen von zehn Obskurantisten, hat sich der Blick in deren Heimatregion verlagert. Nicht ohne Grund natürlich: Die DUP regiert zwar jetzt in London mit, daheim, im Belfaster Stormont, liegen die Geschäfte aber brach. Und die Zeit, eine Einigung zu finden, drängt.

In Belfast müssen Katholiken und Protestanten seit 1998 gemeinsam regieren. Dies regelt das Karfreitagsabkommen, das den jahrzehntelangen blutigen Unruhen zwischen Anhängern beider Konfessionsgruppen ein Ende setzte.

Nach dem Zusammenbruch der Koalition im vergangenen Januar und seit der vorgezogenen Neuwahl von Anfang März streiten die unionistische DUP und die irisch-katholische Sinn Féin um ein gemeinsames Abkommen. Die Frist läuft am Donnerstag um 16.00 Uhr ab. Finden beide Parteien nicht zueinander, droht der Direct Rule aus London, das demnach die nordirischen Regierungsgeschäfte übernimmt – und somit auch alleine bestimmen könnte, wo das ganze schöne neue Geld hinfließen soll.

Sprache und Homoehe

Das hat den Druck auf die ewigen Streithähne Nordirlands noch einmal erhöht. DUP wie Sinn Féin gehen mit breitem Kreuz in die Verhandlungen. Beide fühlen sich nach der Unterhauswahl gestärkt, beide haben Sitze dazugewonnen (die Sinn-Féin-Abgeordneten lehnen die Annahme allerdings immer ab, da sie sich weigern, einen Treueschwur auf die britische Krone zu leisten). Die DUP kann auftrumpfen, da das Geld, das sie in London erhandelt hat, für alle in Nordirland da sein soll. Spielt die Sinn Féin nicht mit, wird die DUP sie als Spielverderber hinstellen, so viel darf vorausgesagt werden.

Doch der Weg zu einer Einigung ist steinig. Am Dienstagmorgen beschwerte sich der nordirische Abgeordnete Declan Kearney. Die DUP weigere sich, auch nur eine der Grundsatzforderungen der  Sinn Féin anzunehmen. Es geht dabei um die Anerkennung der irischen Sprache, mehr Rechte für die LGTB-Gemeinschaft, ein Bekenntnis zu einer nordirischen Grunderechtecharta, wie sie das Good Friday Agreement seit 1998 vorsieht.

„Erodiert unsere Britishness“

Viele Protestanten in Nordirland sehen aber jede Zurschaustellung irischer Kultur als Bedrohung. Für Jim Allister, früher bei der DUP, danach Gründer der radikalen DUP-Splittergruppe „Traditional Unionist Voice“, würde die Anerkennung des Irischen sogar „unsere  ’Britishness‘ erodieren“.

Von der Irish Times befragt, sagt Kearney, die Sinn Féin würde sogar über ihren Schatten springen und wieder mit DUP-Chefin Arlene Foster zusammenarbeiten. Nicht zuletzt wegen Foster war in Belfast im Januar die Regierung zerbrochen. Die Sinn Féin verweigerte Foster damals die weitere Zusammenarbeit, zumindest bis deren Verantwortung in einen Energieförderskandal geklärt ist, der die nordirischen Steuerzahler wohl mindestens 500 Millionen Pfund kosten wird.

DUP-Chefin Arlene Foster

Dies bedeutete das Ende der Koalition in Stormont und ist der Ausgangspunkt für den Countdown, der heute Nachmittag ausläuft. Dass Foster darüber hinaus als äußerst stur und in ihrer erzkonservativen Partei am rechten Rand stehend gilt, schmälert die Aussichten auf eine baldige Einigung.

Die erzkonservative DUP ist weiterhin gegen die Homoehe, gegen Abtreibungen, viele ihrer Mitglieder glauben wenig an Klimawandel und umso mehr an die Schöpfungstheorie. Die Rechte von Homosexuellen zu stärken, dürfte Foster demnach schon alleine aus innerparteilichen Gründen schwerfallen.

Generationswechsel: Die neue Sinn-Féin-Chefin in Nordirland, Michelle O’Neill

Darüber hinaus stecken beide Parteien in einem immer noch schwelenden Konflikt fest. Die linke Sinn Féin hat zwar seit Januar mit der 1977 geborenen Michelle O’Neill eine neue Vorsitzende in Nordirland, nach wie vor finden sich aber viele ehemalige IRA-Leute in ihren Reihen wieder. Ihr Ziel eines vereinigten Irlands verfolgen die Republikaner weiter. Auf der anderen Seite stehen die oft fanatisch antikatholischen Unionisten.

Einig nur in einem Punkt

Einig sind sich Republikaner und Unionisten nur in einem Punkt: Ein harter Brexit mit Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik muss unbedingt vermieden werden.

Am Dienstag  ließ auch der britische Nordirland-Minister James Brokenshire noch einmal die Alarmglocken läuten. Sollten sich DUP und Sinn Féin nicht auf ein Regierungsprogramm einigen, habe das „schwerwiegende und ernsthafte Folgen“.

Brokenshire schloss eine Verlängerung der Frist gegenüber dem Belfast Telegraph nicht grundsätzlich aus. Dafür müsste aber eigens ein neues Gesetz in London gestimmt werden. Es wäre die mittlerweile vierte Verlängerung seit Januar in dieser zähen Wahlangelegenheit. Es wäre allerdings die erste unter Mays umstrittenem Geldsegen aus dem Magic Money Tree.