Der frühere Neonazi, der in die Regierung drängt

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HC Strache von der FPÖ ist der extrem Rechte Kandidate bei der Wahl in Österreich. Aber viele Bürger scheinen ihm das nicht mehr anzusehen.

Heinz-Christian Strache, den in Österreich alle nur HC nennen, positioniert sich im Wahlkampf als „Vordenker“. So steht es auf seinen Plakaten, die auch zeigen, wer der Nachahmer sein soll: Im Hintergrund ist ÖVP-Kandidat Sebastian Kurz zu sehen. Die Kampagne hat ihre Berechtigung.

Kurz hat Strache und der FPÖ ihre Stimmen-Geschäftsgrundlage entzogen – in Ausländerfragen und solchen der Sicherheit und der Migration sind die Programme der beiden Parteien mittlerweile nahezu deckungsgleich. Dass ihre Abschottungspolitik plötzlich solch breiten Anklang findet, kann Strache und Co. aber kaum freuen. Seitdem Kurz in diesen Bereichen mit einem Quasi-FPÖ-Programm auf Wählerfang geht, steigen seine Umfragewerte, die von Strache sinken dagegen.

Er war der beliebteste Politiker

Noch vor einem Jahr galt Strache als der beliebteste Politiker der Alpenrepublik. Von diesem Thron hat ihn Kurz längst verdrängt. Dazu hat der 48-Jährige das Problem, dass er gegenüber seinen Konkurrenten Kurz und Kern wenn nicht der älteste, so doch der alteingesessenste ist. Anders ausgedrückt: Der als rechtsextrem einzustufende, aber zumindest im Fernsehen immer moderater auftretende Strache ist aufgrund seiner langjährigen politischen Karriere mehr im „Politik-Establishment“ verwurzelt als die anderen. Das Etikett „neu und unverbraucht“ kann er sich nicht mehr anheften; da geht es ihm nicht viel anders als einer anderen Galionsfigur des europäischen Rechtspopulismus, der französischen Front-national-Chefin Marine Le Pen.

Doch die FPÖ hat dem Wiener viel zu verdanken. Strache ist der Mann, der die Freiheitlichen nach der Ära Jörg Haider wieder aus dem Umfragetief befreite. Als Jugendlicher und junger Erwachsener mischte er fleißig in Neonazikreisen mit. Heutzutage tut er das als „Jugendtorheit“ ab, schafft es dabei aber, sich nicht völlig davon zu distanzieren. Aus gutem Grund: Die FPÖ ist auch heute noch eine rechtsextreme Partei, auch wenn nicht jeder FPÖ-Wähler ein Rechtsextremist ist.

Schlagende Burschenschaften und Neonazis

In den Rängen der Partei finden sich weiterhin viele schlagende Burschenschafter und Neonazis. Strache selbst ist damit der feuchte Traum eines jeden Rechtspopulisten: die Vergangenheit tiefbraun, die Gegenwart fast staatsmännisch; denn eines kann dem Mann nicht abgestritten werden: Politisches Talent besitzt er reichlich.

Politisches Angriffsziel der FPÖ und demnach von Strache ist (neben allen möglichen Ausländern und besonders den muslimischen) immer wieder die Koalition aus Rot und Schwarz, die er mit Stillstand gleichsetzt. Am Ende könnte es darauf hinauslaufen, dass es Strache ist, der über die zukünftige politische Richtung Österreichs entscheidet.

Koalitionsoption mit Gewicht

Mit dem erwarteten Viertel aller Stimmen ist seine Partei eine schwergewichtige Koalitionsoption – sowohl für die ÖVP als für die SPÖ. Es wäre die erste Regierungsbeteiligung eines Politikers mit neonazistischem Hintergrund in der Europäischen Union.

Wirtschaftspolitisch liegen FPÖ und ÖVP sehr nahe beieinander, sozialpolitisch ist die Nähe zur SPÖ etwas größer (haben allerdings viele sozialpolitische Gesetzesanträge der SPÖ nicht mitgestimmt). Erst gestern Abend wurde das im österreichischen Parlament noch einmal deutlich: SPÖ, FPÖ und Grüne überstimmten die ÖVP mit einem neuen Gesetz zur Gleichstellung der Rechte von Arbeitern und Angestellten. A.B.