Jagd auf die Jägerin – Rumänien will Kövesis Kür zu Europas Chefanklägerin unbedingt verhindern

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Gefürchtet und verfemt: Mit aller Macht will Rumäniens Regierung die Ernennung der früheren Korruptionsjägerin Laura Kövesi zu Europas Generalstaatsanwältin verhindern – und greift zu immer drastischeren Mitteln.

Sie wird geschätzt, gefürchtet – und zunehmend verfemt: Mehr als fünf Jahre lang hatte sich die rumänische Staatsanwältin Laura Kövesi als unerbittliche Jägerin korrupter Amtsträger einen Namen gemacht. Im vergangenen Sommer zwang die von der sozialistischen PSD geführte Regierung die lästige Korruptionsjägerin aus ihrem Amt als Leiterin der Sonderstaatsanwaltschaft DNA. Nun müht sich Bukarest, mit einer beispiellosen Schmutzkampagne, Kövesis Kür zur Leiterin von Europas neuer Generalstaatsanwaltschaft (EUGSt) in Luxemburg zu verhindern.

Das Europaparlament hat die 45-Jährige trotz des Dauerstörfeuers aus Bukarest zu seiner bevorzugten Kandidatin für den Spitzenjob gekürt. Aussichtsreich im noch offenen Rennen liegt jedoch auch noch der französische Jurist Jean-François Bohnert, der auf die Unterstützung einer knappen Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten bauen kann. Wer den Posten erhält, ist ungewiss. Sicher ist, dass von einer normalen Auswahlprozedur kaum mehr eine Rede sein kann.

Jedes Mittel recht gegen Korruptionsjägerin

Statt die Kandidatur ihrer Landsfrau zu unterstützen, tut Rumäniens Regierung seit Wochen alles, um sie mit Hilfe eines juristischen Kesseltreibens vorzeitig straucheln zu lassen: Mit aller Macht will Bukarest vermeiden, dass die unbequeme Juristin künftig europaweit gegen den Missbrauch von EU-Geldern ermittelt.

Bei der Wahl der Mittel beim Amokfeldzug gegen Kövesi ist Bukarest nicht zimperlich. Ausgerechnet an dem Tag, als die frühere Basketballnationalspielerin zu einer der ersten Vorstellungsrunden nach Brüssel abreisen wollte, bestellte sie eine neue, von der Regierung installierte Sonderermittlungsbehörde Ende Februar zu einer Anhörung wegen des vermeintlichen Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Korruption ein. Um die dennoch vom Europarlament nominierte Kövesi endgültig aus dem Rennen zu nehmen, legten die juristischen Hilfstruppen der Regierung Ende März noch einen Zahn zu: Mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen wurde sie vergangene Woche unter Polizeiaufsicht gestellt – und gegen die Juristin ein Reise- und Kommunikationsverbot mit der Presse verhängt.

Als „Maßnahme, um mich zum Schweigen zu bringen“, bewertete die kompromisslose Korruptionsjägerin das verschärfte Störfeuer: Es sei offensichtlich, dass ihre Kandidatur „all denjenigen, die unbedingt stehlen wollen, Angst eingejagt“ habe. Ihr umgehend eingelegter Einspruch gegen die gegen sie verhängten Schikanen wurde erhört: In dieser Woche hat Rumäniens Oberster Gerichtshof sämtliche Auflagen gegen Kövesi wieder aufgehoben.

Illegale Eigeninteressen überwiegen

Es ist der wegen Amtsmissbrauch vorbestrafte PSD-Chef Liviu Dragnea, der den Karrieresprung von Kövesi nicht zuletzt aus Eigeninteresse unbedingt verhindern will: Gegen Rumäniens mächtigsten Strippenzieher laufen auch Ermittlungen wegen des Verdachts des Missbrauchs von EU-Mitteln.

In dem Politkrimi um Kövesi gehen trotz der nahenden Europawahlen selbst Europas Sozialdemokraten zu den schwarzen Partnerschafen der PSD mittlerweile auf deutliche Distanz. Deren niederländischer Spitzenkandidat, der stellvertretende EU-Kommissionschef Frans Timmermans, fordert Bukarest auf, der Bewerbung der „mutigen“ Juristin „keine Hindernisse mehr in den Weg zu legen“. Außerdem droht er mit „harten Reaktionen“ Brüssels, falls Rumänien weiter mit Eilverordnungen die anvisierte Amnestie für wegen Korruption verurteilte Politiker durchzusetzen trachte.

Wegen der umstrittenen Notverordnungen, mit der Bukarest die Justiz zunehmend unter Regierungskontrolle bringt, rücken auch Europas Liberale (ALDE) von ihrer gleichnamigen rumänischen Partnerpartei ab. ALDE-Fraktionschef Guy Verhoftstadt macht sich gar für den Ausschluss der Problempartner der rumänischen ALDE stark, die als Juniorpartner der PSD mit auf Rumäniens Regierungsbank sitzen.

Im Kampf um Rumäniens bedrohten Rechtsstaat will Staatschef Klaus Johannis nun zeitgleich mit den Europawahlen am 26. Mai ein Referendum über die Zulässigkeit von Eilverordnungen zur Änderung des Strafrechts und über die geplante Amnestie für Korruptionsstraftäter ansetzen: Es sei das Recht der Bürger, „zu entscheiden, ob Korruption zur Staatspolitik werden soll“.

 

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad