Fußball, Familie und Freunde: Von einem, der auszog, um in Luxemburg Fußballprofi zu werden

Fußball, Familie und Freunde: Von einem, der auszog, um in Luxemburg Fußballprofi zu werden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Von den Spielen der kleinen Staaten weiß er nicht so viel, sein Steckenpferd ist in erster Linie der Fußball. Doch für sein Geburtsland Montenegro sind die JPEE eine tolle Möglichkeit zur Werbung in eigener Sache. Adnan Huremovic verließ das Land seiner Eltern vor 20 Jahren und fand seine neue Heimat in Luxemburg, genauer in Esch.

Wer mit Adnan Huremovic zu einem Fußballspiel in Esch geht, braucht Geduld. Ständig muss man stehen bleiben, während er einen Bekannten nach dem anderen grüßt und einige Worte mit ihnen wechselt. Da kann der Weg zur „Buvette“ schon mal etwas länger dauern. Vor allem im Stade Emile Mayrisch, wo er zwischen 2003 und 2008 für die Fola spielte, seine längste Station als Fußballer in Luxemburg. „Ich bin ein offener Mensch, ein ‚Hallo‘ oder ‚guten Tag‘ kostet nichts“, erklärt er seine vielen Bekannten. In Montenegro sei das eben so: Die Leute sind offen und die Eingangstüren zu den Häusern nie verschlossen. „Jeder ist willkommen, das gilt übrigens auch für unser Haus hier in Esch.“

Mit dem FK Berane stieg Adnan Huremovic in die 2. Liga Jugoslawiens auf

FK Berane

Fußball spielt Adnan Huremovic seit seinem zehnten Lebensjahr. In seiner Heimatstadt Berane durchläuft er beim FK sämtliche Jugendkategorien. Mit 17 debütiert er in der ersten Mannschaft und steigt mit ihr auf Anhieb in die zweite jugoslawische Liga auf. Doch die Karriere wird jäh unterbrochen, da Huremovic zum einjährigen Militärdienst eingezogen wird. Und obwohl Montenegro nicht direkt in die Kampfhandlungen des Balkan-Kriegs involviert ist, ist die Gemengelage in der Region doch recht explosiv (die Montenegriner hatten beim Referendum 1992 mit 96% für einen Verbleib im Staatenbund Jugoslawiens gestimmt).

Adnan beschließt daher, nach dem Dienst an der Waffe das Land zu verlassen und sein (fußballerisches) Glück in Luxemburg zu suchen, schließlich wohnt dort sein Onkel. Gleichzeitig nähert sich der Kosovo-Konflikt seinem Höhepunkt. Zwischen März und Juni 1999 führt die NATO einen Luftkrieg gegen Jugoslawien. Huremovic spielt zwei Jahre bei der hauptstädtischen Spora, ehe er 2001 wegen der Aufenthaltsgenehmigung in seine Heimat zurück muss.

Drei Dinge

… die ich an Montenegro besonders mag:

1. Meine Heimat, meine Familie, meine Freunde
2. Das Klima
3. Die Küche

… die ich an Luxemburg besonders mag:
1. Meine Heimat, meine Familie, meine Freunde
2. Esch, aber nicht nur Esch
3. Das tolle Bildungs- und Gesundheitssystem

Trotzdem ist der Entschluss gefasst: Er will sich in Luxemburg eine Existenz aufbauen. Der Fußball hilft ihm dabei, auch wenn er heute betont: „Bei all meinen Stationen hierzulande wurde mir eine Arbeit in Aussicht gestellt. Eine bekommen habe ich nirgendwo.“ Nicht beim RM Hamm und auch nicht bei der Fola, wo er als beinharter, aber stets fairer Defensivmann (trotz vieler Gelber Karten kassierte Huremovic nie einen Platzverweis) maßgeblichen Anteil an der Rückkehr in die Nationaldivision hat. Nach dem Aufstieg aber bekommt er einen Tag vor Transferschluss von den Verantwortlichen mitgeteilt, er solle sich nach einem neuen Verein umsehen. Mit Gerard Lopez hatte die Fola einen finanzkräftigen Geldgeber gefunden und somit ganz neue Möglichkeiten auf dem Transfermarkt. Der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan.

Huremovic wechselt in die erste Division nach Ehleringen, es folgen Stationen in Münsbach und Schifflingen, ehe es zurück nach Ehleringen geht, wo er mit 37 Jahren seine aktive Laufbahn beendet und fortan wenn, dann „nur“ noch beim FC Commune Esch kickt. Denn inzwischen hat es auch mit der Arbeit geklappt, seit 2015 ist er Angestellter der Escher Gemeinde und hat seitdem noch keinen Tag gefehlt.

Familie in Luxemburg

2015 ist Fußball aber schon lange nicht mehr das Wichtigste in seinem Leben, die Familie ist in den Mittelpunkt gerückt. 2005 heiratet er Elida, die heute als „Coordinatrice des médiations interculturelles“ im Bildungsministerium arbeitet. Obwohl beide aus dem rund 80.000 Einwohner zählenden Berane stammen, haben sie sich erst in Luxemburg kennengelernt.

2007 kommt mit Hana die erste Tochter zur Welt, später folgt mit Una das Nesthäkchen der Familie. „Die Familie ist das Allerwichtigste. Wir leben für unsere Kinder, machen alles für sie“, sagt Adnan. Und weiter: „Ich erzähle Hana oft, wie wir damals in Berane aufgewachsen sind und welch großes Glück sie und Una haben, hier groß zu werden. Doch sie können sich das nicht so richtig vorstellen. Zum Beispiel was es heißt, mit einem Paar Schuhe auszukommen.“

Adnan Huremovic kann sich noch gut an diese Kindheit erinnern. Er wächst mit seinen zwei Brüdern im Elternhaus auf, in dem auch noch der Großvater lebt. Der Vater ist Fabrikarbeiter, die früh verstorbene Mutter kümmert sich um Familie und Haushalt. Adnan besucht die Berufsschule, bis er 16 ist. Danach zählt nur noch der Fußball. Das große Vorbild ist Fiorentina-Stürmer Gabriel Batistuta, den sie in Italien ob seiner Treffsicherheit „Batigol“ nennen.

Zur großen Karriere soll es für Huremovic nicht reichen, aber immerhin öffnet der Fußball ihm die Tür zu einem neuen Leben in Luxemburg. „Heute kann ich Luxemburg nur Danke sagen. Es hat mir die Chance auf ein neues Leben gegeben und ist nun meine Heimat. Hier möchte ich bleiben, bis ich sterbe.“

Nur etwas bereut er, und zwar, dass er kein Luxemburgisch spricht: „Wenn die Kinder sich mit meiner Frau am Esstisch auf Luxemburgisch unterhalten, sitze ich ein bisschen blöd daneben. Ich verstehe zwar so gut wie alles, doch selber sprechen ist etwas anderes. Aber das ist ja meine eigene Schuld. Und es ist noch nicht zu spät“, sagt der 43-Jährige abschließend. An Diskussionspartnern und somit Übungsgelegenheiten fehlt es Adnan Huremovic am Rande der Escher Fußballplätze jedenfalls nicht.


Montenegro und Luxemburg

In Montenegro leben 620.000 Menschen, was eine fast identische Einwohnerzahl im Vergleich zu Luxemburg bedeutet. Von den JPEE-Teilnehmerländern hat lediglich Zypern mehr Einwohner. Flächenmäßig allerdings ist Montenegro etwas mehr als fünfmal so groß wie das Großherzogtum. Hauptstadt ist Podgorica (186.000 Einwohner). Montenegro bedeutet übersetzt „schwarzer Berg“ und weist auf die Landschaft des Landes hin, denn die höchsten Berge sind rund 2.500 m hoch. Die seit 2006 unabhängige Republik an der südöstlichen Adriaküste hat zudem 293 km Meeresküste. 72 Prozent der Einwohner gehören der serbisch-orthodoxen Kirche an, während rund 16 Prozent Moslems sind. In Luxemburg lebten zum 1.1.2019 insgesamt 3.389 Montenegriner, womit Montenegro die größte Gemeinde aller Balkanrepubliken im Großherzogtum stellt.

Seit 2011 nimmt Montenegro als neunte Nation an den Spielen der kleinen Staaten Europas teil. Sport spielt im Land traditionell eine große Rolle. Fußball ist dabei deutlich die Nummer eins. Zur Weltspitze gehört man unterdessen im Wasserball. Einen Europameister-Titel 2008 sowie eine Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft 2013 holte Montenegro in dieser Sportart. Im Handball gewann das Damennationalteam bei den Olympischen Spielen 2012 in London ebenfalls Silber. Eine weitere populäre Mannschaftssportart ist Basketball. Nikola Vucevic spielt etwa in der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA für Orlando Magic und wurde in diesem Jahr erstmals in die All-Star-Auswahl gewählt.


Lesen Sie auch

„Eine zweite Heimat gefunden“: Über die Spiele der kleinen Staaten nach Luxemburg