„Das ist kein Ort, wo Kinder hingehören“

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Überwiegend positiv, doch mit einem krassen Ausreißer. So bilanziert der Menschenrechtskommissar Luxemburgs Bemühungen in der Flüchtlingspolitik.

Nils Muiznieks hat sie alle getroffen. Vom Großherzog bis zu den Vertretern der NGOs. Dazwischen die Minister Asselborn, Schmit, Braz und Cahen, Parlamentspräsident Di Bartolomeo und einige Abgeordnete. Dann die Ombudsfrau, Vertreter der Justiz, den Polizeidirektor. Er war in der Luxexpo, im Foyer Lily Unden, im „Centre de rétention“.

Willkommensgeist in Luxemburg

In seiner ersten Woche in Luxemburg hat der Kommissar für Menschenrechte des Europarates sich demnach ein umfassendes Bild der Situation rund um Migration und Flucht in Luxemburg machen können. Das Fazit des Letten fällt überwiegend positiv aus. Dabei ist Luxemburg eines der letzten Länder, die er besucht. Zuvor war er in 43 Staaten der 47 Mitglieder zählenden und in Straßburg ansässigen Institution. An Vergleichen fehlt es Muiznieks also nicht.

Besonders erfreut Muiznieks die Offenheit Luxemburgs bei den Familienzusammenführungen. Andere Länder hätten hier strengere, Muiznieks zufolge „unnötige“ Regeln. Für den Kommissar liegt gerade bei der Familienzusammenführung „eine der langfristigen Lösungen für Integration in eine Gesellschaft“. Dazu gebe es in Luxemburg weder einen Aufschwung von rechtspopulistischen Strömungen noch einen Anstieg an rassistisch motivierter Gewalt. Beides Anzeichen, dass die Luxemburger Gesellschaft die Neuankömmlinge „willkommen heißt“.

Es fehlt an Statistiken

Nils Muiznieks im Interview mit Tageblatt-Journalist Armand Back

Doch in Sachen Migration und Integration ist auch im Großherzogtum noch lange nicht alles perfekt. So bedauert Muiznieks die im internationalen Ländervergleich teils sehr langen Asylprüfverfahren. Hier seien unbedingt weitere Anstrengungen nötig. Auch gelinge es den Behörden nur schleppend, die Asylbewerber zu identifizieren, die aufgrund von Traumata besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung bräuchten. Zudem wundert sich der Lette, wieso es einem „mittelgroßen Land wie Luxemburg“ nicht gelingt, verlässliche Statistiken zu führen, besonders was die Betreuung von Flüchtlingskindern betrifft.

Für verbesserungswürdig hält der Kommissar den Personalschlüssel in den Flüchtlingsunterkünften. Je nachdem, wer diese betreut, gibt es hier beträchtliche Unterschiede. So komme in den vom OLAI in Eigenregie geleiteten Unterkünften ein Betreuer auf 150 Aufgenommene. Bei den von NGOs betreuten Unterkünften liege der Schlüssel bei rund eins zu 50. Was das „Centre de rétention“ angeht, erneuert Muiznieks seine bereits vor Monaten angebrachte Kritik. „Wer das Zentrum einmal von innen gesehen hat, dem sollte klar sein: Das ist kein Ort, wo Kinder hingehören“, sagt Muiznieks. Auch, dass es wiederholt vorkomme, dass Menschen mehrmals in Folge dort untergebracht würden, hält der Lette für eine unzureichende Lösung, die zu viel Frust führe.

Bessere langfristige Strategien

Allgemein müsse Luxemburg an seinen langfristigen Strategien feilen, wie Flüchtlinge besser Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt finden können. So ist es keine Seltenheit, dass Menschen, die den Flüchtlingsstatus haben, weiter in Unterkünften leben müssen, da sie keine Wohnung finden. Muiznieks appelliert an Luxemburg, endlich die Istanbul-Konvention über häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen zu ratifizieren. Nicht, dass Luxemburg hierbei ein Problemfall wäre. Aber anders könne es seinen Vorbildcharakter besser zur Geltung bringen.

Einmal musste Muiznieks während seiner fünftägigen Tour durch Luxemburg besonders schlucken: beim Anblick der Zelte in der Luxexpo im sogenannten „Centre d’hébergement d’urgence“ für Erstankömmlinge. Muiznieks war sichtlich erstaunt, in einem Land wie Luxemburg solche Unterkünfte überhaupt noch anzutreffen. Kurzum: dass hierzulande tatsächlich noch Zelte zur Unterbringung von Menschen gebraucht würden. „Da muss ich mich schon fragen“, so Muiznieks, „ob das die neue Normalität ist oder überhaupt sein kann.“

Der Europarat hat seit 1999 einen Kommissar für Menschenrechte. Dieser hat die Aufgabe, sich für den Schutz der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten einzusetzen. Der studierte Politologe und spätere Politiker Nils Muiznieks kam 2012 in dieses Amt.

jang_eli
22. September 2017 - 23.31

Was wird denn nun verändert werden ? Oder, macht man betretene Gesichter und alles bleibt trotzdem beim alten ?