Das Fragezeichen hinter dem M

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In der SREL-Affäre kommt es im Herbst zum Prozess. Ein Kläger in dem Fall ist der windige Geschäftsmann Loris Mariotto.

22. September 1980 vor einem Wohnhaus in Gasperich. Mehrere Ermittler der Gendarmerie unter der Leitung von Nicolas Schuller klingeln an der Haustür mit der Nummer 35, rue Franklin. Ein 22-Jähriger öffnet die Tür. Die Gendarmen in Zivil halten dem jungen Mann einen Durchsuchungsbefehl unter die Nase und treten ein. Die „Section de recherche“ hatte Anfang September einen Tipp bekommen.

Ein Außendienstmitarbeiter der Versicherungsgesellschaft La Prévoyance Sociale erstattete am 1. September bei der Gendarmerie Anzeige. In dem Protokoll mit der Nummer 410 heißt es: „Derselbe hegte gegenüber dem Berichterstatter den Verdacht, dass der Eingangs erwähnte Mariotto Loris, welcher ebenfalls bei dieser Versicherungsgesellschaft beschäftigt ist, aller Wahrscheinlichkeit nach Telefonapparate genannter Gesellschaft überwache resp. Telefongespräche abhöre.“

Waffen und Sprengstoff?

Und es geht noch um mehr. Neben dem Verdacht auf illegalen Besitz von Abhörgeräten fallen die beiden Wörter Waffen und Sprengstoff. Ermittler Schuller trommelt ein Team zusammen. Ein Durchsuchungsbefehl wird beantragt. 14 Tage später schlagen die Gendarmen zu. In der Wohnung von Mariotto werden die Beamten auch fündig. Es werden drei Gewehre und zwei Revolver vorläufig beschlagnahmt. Sprengstoff finden sie keinen. In einem Zimmer finden sie allerdings sieben Abhörvorrichtungen (Wanzen), einen Abhördetektor, ein als Tischfeuerzeug getarntes Abhörgerät, einen UKW-Empfänger sowie ein Diktiergerät mit Kassette.

Loris Mariotto bringt den SREL in Bedrängnis.

Loris Mariotto muss zur Vernehmung auf die Dienststelle. Auf die Frage, für welchen Zweck er die Wanzen nutze, antwortet er: „Von einer deutschen, mir unbekannten Mannsperson habe ich vor etwa sechs bis sieben Monaten zwei dieser Wanzen gekauft. Dies war im Lokal ‚Bugatti‘. Die anderen Wanzen habe ich aus Deutschland von einer Firma zuschicken lassen. All diese Apparate benutze ich lediglich für mich. Ich installiere dieselben nur bei mir zu Hause und sonst nirgendwo.“

„Ich habe keine Funkgespräche abgehört“

Ermittler Schuller hakt während der Vernehmung des damals 22-jährigen Mariotto immer wieder nach, gibt sich mit den Antworten nicht zufrieden. Schuller zu Mariotto: „Hören Sie mit diesem Apparat Funkgespräche, Autotelefongespräche ab?“ Mariotto: „Ich habe diesen Apparat (UKW-Funkempfänger) auch in Deutschland gekauft. Ich brauche diesen Apparat nur, um meine eigenen Wanzen abzuhören. Ansonsten habe ich bis heute weder Autotelefone noch sonstige Funkgespräche abgehört. Das ist alles, was ich Ihnen zu Ihrer Frage antworten kann.“

Ermittler Nicolas Schuller glaubt Loris Mariotto nicht, spricht von einer Lüge und wirft nach: „Was sagen Sie, wenn ich Ihnen vorhalte, den Beweis eines solchen bzw. mehrerer Gespräche (Funksprüche) bei Ihnen vorgefunden zu haben? Bei diesen handelt es sich um Funkverkehr der Polizei bzw. der Gendarmerie, so dass ich demnach behaupten kann, Sie würden lügen.“

„Kontakte“

Immer wieder tauchen geheime Daten auf.

Loris Mariotto streitet in der Vernehmung ab, Funkgespräche aufgezeichnet zu haben. Er bringt einen Freund mit dem Namen Renato O. ins Spiel. Dieser habe während seiner Abwesenheit zu Hause die Funksprüche aufgezeichnet. Die Ermittler überprüften die Personalien des Mannes. Ob es damals zu einer Vernehmung kam, ist bis heute unklar.

Ermittler Schuller und sein Team erklären im Detail, wie die Wanzen funktionieren und wie man einen Raum abhört. Dabei stellen sie in ihrer Analyse fest: Man kann sich anhand dieser Beispiele vorstellen, was unbefugte Personen mit solchen Apparaten alles anstellen können. Solche spezialisierten Apparate können bei Spezialfirmen in Deutschland erworben werden, wenn man die nötigen „Kontakte“ hat.

Gewehr mit Zielfernrohr

Ebenfalls stutzig wird das Ermittler-Team bei Mariottos Waffensammlung. Alles ist zwar ordnungsgemäß angemeldet, Mariotto besitzt auch einen Waffenschein, doch bei der Munition und einem starken Zielfernrohr stellen sich die Gendarmen Fragen. Sie sprechen in ihrem Bericht über Mariotto von einer „zwielichtigen Person“. Es sei hervorgehoben, dass diese Munition, wenn sie in einen Körper einschlägt, verheerende Wirkung hinterlässt.

Solche Munition wird auf jeden Fall nicht benutzt, um Zielscheiben-Schießsport auszuüben. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Gewehr der Marke ERMA 22 Long Rifle um eine mit einem teuren Fernglas ausgestattete Präzisionswaffe handelt. Man kommt nicht umhin, sich die berechtigte Frage zu stellen, was eine so „zwielichtige Person“ wie Mariotto mit einem solchen Gewehr und solch gefährlicher Munition anfängt.

Geschäftsbeziehungen

Die Analyse der Ermittler über die Wanzen landete 1982 in einem Separatbericht (Nr. 411). Ein Auszug: „Auch konnten Beweise erbracht werden, dass derselbe mittels dieser Apparate Telefongespräche, Autotelefon sowie den Sprechfunkverkehr der Gendarmerie und Polizei abhörte bzw. aufzeichnete. Hinzu kommt, dass auf einem Handdiktaphon Gespräche aufgezeichnet sind, über ein Drogengeschäft mit Heroin sowie ein Gespräch des Chefs der ‚Brigade volante‘ der Gendarmerie – Funk – und ein Funkgespräch der Polizei, ‚Section de recherche‘.“
Fazit der Ermittler: Nach Meinung des Berichterstatters besteht die Möglichkeit, dass Mariotto in naher Zukunft mit dem Gesetz strafrechtlich in Konflikt geraten wird. Es war damals eine harte Analyse über einen erst 22-Jährigen jungen Mann. In den folgenden Jahren gerät Loris Mariotto immer wieder mit dem Gesetz in den Konflikt. Nach Tageblatt-Informationen ging es um Versicherungsbetrug (1990), Drohungen und Beleidigungen (2000) sowie Hausfriedensbruch (2000).

Doch sein Faible für Wanzen verschafft Mariotto mit der Zeit ein lukratives Geschäft sowie internationale Kontakte. Er spezialisiert sich auf Alarm- und Überwachungstechnik. Viele Menschen im Land schwören auf sein Material, darunter zahlreiche Polizisten. Die Geschäftsbeziehungen seiner Firmenkonstrukte reichen bis nach Asien. Selbst der großherzogliche Hof und der Vatikan werden Kunden. Der Geheimdienst wird auf den umtriebigen Geschäftsmann aufmerksam. Unter dem damaligen SREL-Direktor Charles Hoffmann werden Kontakte geknüpft. Der Geheimdienst ist an Wanzen made by Mariotto interessiert. Mittelsmann Ed W. wickelt das Geschäft ab. Um Spuren zu verwischen, wird der Abhörspezialist über die „Imprimerie centrale“ bezahlt. Ironie der Geschichte: SREL-Direktor Hoffmann wird selbst Opfer eines illegalen Lauschangriffs in seinem Büro.

Mariotto kennt den Inhalt geheimer Gespräche

Ende 2005 bittet der Wanzen-Experte um ein Treffen mit dem SREL-Mitarbeiter André Kemmer. Beide kannten sich damals. Mariotto habe eine wichtige Information. Nach dem Gespräch laufen im Geheimdienst die Drähte heiß. Laut Mariotto gibt es einen heimlichen Mitschnitt eines Gesprächs zwischen dem damaligen Premierminister Jean-Claude Juncker und Großherzog Henri. Thema „Bommeleeër“. Loris Mariotto kenne den genauen Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs. Da die Information so brisant sei, habe er die Audiodatei verschlüsselt.
Fragen

In der Geheimdienstzentrale in der Escher Straße setzt man alle Hebel in Bewegung, um an die verschlüsselte CD zu kommen. Man beschließt, Mariotto zu belauschen. Agent Kemmer soll ihm via Telefongespräch die brisanten Informationen aus der Nase ziehen – was am Ende nicht gelingt. Mariotto wird rund 48 Stunden lang telefonüberwacht.

Grünes Licht von Juncker persönlich

Einen richterlichen Beschluss dafür hat der Geheimdienst nicht, allerdings soll es über Telefon grünes Licht von Premierminister Jean-Claude Juncker persönlich gegeben haben. Es handelt sich um eine „procédure d’urgence“ – entsprechende Gesetze rechtfertigen dann eine solche Praxis. Die mündliche Order muss allerdings durch eine schriftliche Bestätigung nachträglich erfolgen – was wiederum nicht passiert ist. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kann oder will sich nicht mehr daran erinnern. Die Prozeduren zur Zustimmung einer Telefonüberwachung sind klar und müssen schriftlich erfolgen. „Ich habe keine Erinnerung an dieses Telefonat, kann es jedoch nicht ausschließen“, sagt Juncker bei seiner Vernehmung im Mai 2015.

Und Mariotto? Er nutzt die Gunst der Stunde und sieht sich als Opfer eines illegalen Lauschangriffs. Er erstattet Anzeige. Aber wie kam der Techniker an die CD? Was weiß er über den Inhalt? Warum gibt er sein Wissen der Justiz nicht preis? Welche Rolle spielt die „zwielichtige Person“ – wie ihn die Ermittler der Gendarmerie damals nannten – in der heutigen Affäre? Gibt es Mitwisser oder sogar Hintermänner? Alles Fragen, die eigentlich von der Justiz behandelt werden müssten.

Cocolores
24. Juli 2017 - 17.10

Liebes Tageblatt, wenn sie Leute 'windiger Geschäftsmann' benennen, dann könnten sie auch bald mal vor Gericht stehen.

Laird Glenmore
24. Juli 2017 - 16.52

die Reichweite von Caliber 22 High Velocity fliegt laut Hersteller weit über eine Mile und sie ist Treff genauer, Caliber 38 ( 9mm ) oder Caliber 45 ( 11,45 mm ) fliegen nicht so weit weil sie zu schwer sind. Zum punkt Gefährlichkeit, alle Waffen mit scharfer Munition egal welches Caliber sind gefährlich und sollten nicht in falsche Hände gelangen.

Jek Hyde
24. Juli 2017 - 15.41

Fast korrekt. Kleine Kaliber sind nicht gefährlicher und haben auch keine grössere Reichweite. Ausschlaggebend ist das Geschoss und die Ladung. Kaliber .22 also 0,22 Inch im Durchmesser ist eine relativ schwache Munition die hauptsächlich zum schiessen auf Scheiben, 25 oder 50 Meter, benutzt wird.

René Charles
24. Juli 2017 - 14.35

Bingo

Laird Glenmore
24. Juli 2017 - 14.23

@Pompier Sam : kleine Caliber sind gefährlicher als die großen und außerdem haben sie eine größere Reichweite und sind Zielgenauer, selbst die Militärs gehen zurück auf kleinere Caliber. Im überigen sind die kleinsten Caliber sogenannte Zimmerstutzen mit 4 mm, Caliber 22 sind 5,62 mm.

Student
24. Juli 2017 - 13.49

They have space and time 2.

Pompier Sam
24. Juli 2017 - 12.16

22 Long rifle as dat klengsten Kaliber waat et vir eng Schosswaff get. "gefährlicher Munition" scheint mer dovir en bessen iwerdriwen. Ech perseinlech hun mat Herr M Een vun den Nonzegerjoren 2-3 an engem Bistro gepottert. Vir mech wor relatif seier kloer dass hien gaer vun sech selwer schwezt an dass hien et mat der Wourrecht net esou genau hellt, dovir fannen ech et shockand dass den Srel mat esou Leit eppes ze dinn hat.

MartaM
24. Juli 2017 - 11.57

Welch schöner Stoff für einen Politthriller.Hintermänner manövrieren einen Staatsminister ins Aus und gelangen so an die Macht.Herr Overdick übernehmen Sie.