Ukraine-Konflikt tobt auch in Medien heftig

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Internet und Staatsfernsehen gelten als "unsichtbare Front" in der Ostukraine-Krise. Im Kampf um die Informationshoheit schenken sich Kiew und Moskau nichts. Fakten sind nicht unbedingt ein Kriterium.

Zerstörte Flüchtlingskonvois und ausgebombte Städte – wie schrille Trompetenstöße hallen Horrornachrichten Tag für Tag durch russische und ukrainische Medien. Abseits des Schlachtfelds in der Ostukraine tobt im Internet und im Fernsehen ein verbissenes Propagandagefecht. Es ist ein Kampf an unsichtbarer Front.

Schlechte Erfahrung hat auch schon die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemacht, die an diesem Samstag in Kiew zu einer heiklen Mission erwartet wird. Als „Frau Ribbentrop“ geisterte sie in einer Kampagne durchs Internet – wütende Ukrainer verglichen ihre Politik mit der unter Hitlers Außenminister Joachim von Ribbentrop.

Kampfzone „soziales Netzwerk“

Immer mehr werden die sozialen Netzwerke zur Kampfzone in diesem Konflikt. Besonders die prowestliche Führung in Kiew, die im Februar nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch an die Macht kam, versucht mit dem Zeitgeist zu gehen – etwa mittels gezielter Kommunikation über Facebook. Die dortigen Durchhalteparolen und Erfolgsmeldungen seien aber oft etwas „durchsichtig“, meint der ukrainische Politologe Konstantin Bondarenko. „Propaganda ist eben doch nur ein hartnäckiger Versuch, andere Menschen glauben zu machen, was man selbst nicht glaubt“, sagt er.

Aber ob an der „realen Front“ ein Flugzeug mit 298 Passagieren abstürzt oder die Gefechte kurz ruhen: Kaum ein Tag vergeht ohne Mitteilung von Innenminister Arsen Awakow und seinem Berater Anton Geraschtschenko. Über die Wirkung ihrer Worte scheinen sich die wenigsten Politiker im Klaren zu sein. Trotzdem: Präsident Petro Poroschenko ist in gleich sieben sozialen Netzwerken „zu Hause“.

Zwischenstaatlicher Zündstoff

Dabei wird zwischenstaatlicher Zündstoff, wie etwa ein geplantes Einreiseverbot für russische Künstler in die Ukraine, von einem Minister auch schon einmal in dürren Worten im Internet verbreitet – als sei es ein Restauranttipp. Dann wiederum, etwa nach dem mutmaßlichen Abschuss der malaysischen Boeing 777-200, folgten aber durchaus dramatische Aufrufe. „Europa, USA, Kanada, zivilisierte Welt – öffne die Augen! Hilf uns mit allem was du kannst! Das ist ein Krieg des Guten gegen das Böse!“, schreibt etwa Ministerberater Geraschtschenko nach dem Absturz der Maschine vor gut einem Monat.

Russland steht der Ukraine in diesem „Cyberkrieg“ in nichts nach. „Die entscheidende Rolle spielt die Sprache“, meint der Moskauer Medienanalytiker Igor Jakowenko. Seit Wochen hämmere das Staatsfernsehen den Zuschauern ein, dass die prorussischen Separatisten „antifaschistische Freiheitskämpfer“ und die ukrainischen Soldaten „Angehörige eines Strafkommandos“ sowie die prowestliche Regierung in Kiew eine „nationalistische Junta“ seien.

Fakten zählen nicht

„Das wirkt, denn 94 Prozent der Russen nennen das Staatsfernsehen als einzige Informationsquelle“, schreibt Jakowenko im Moskauer Magazin „The New Times“. Für die Berichterstattung über den Konflikt im Nachbarland seien Fakten oder Wahrhaftigkeit kein Kriterium. «Im Staatsfernsehen werden Zuschauer erst mit Großaufnahmen weinender Kinder und zerfetzter Leichen weichgeklopft, bevor sogenannte Experten dazu aufrufen, zwei Drittel der ukrainischen Soldaten zu töten und auf Kiew zu marschieren», schildert er. In Sachen Propaganda sei Präsident und Ex-Geheimdienstchef Wladimir Putin erfolgreicher als die Sowjetunion.

Mit dem Verbot von Fernsehkanälen geht die Ukraine nun gegen ungeliebte Berichte aus dem Nachbarland vor. Und um bei der angestrebten Informationshoheit auf Nummer sicher zu gehen, planen Innenministerium und Geheimdienst in Kiew auch eine Zensur im Internet. „Nach den Vorbildern Israel, USA und China wollen wir alle Seiten abschalten können, die unseren Menschen Böses bringen“, sagt Geraschtschenko. Wie weit die Regierung gehen will, ist noch unklar. Experten warnen die Ukraine aber davor, die Medienfreiheit unter dem Eindruck des Krise so stark zu beschneiden wie ihr „Gegner“ Russland.