Ottawa unter Schock

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(AP)

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Bei einem Anschlag auf das kanadische Regierungsviertel haben Unbekannte in Ottawa am Parlamentsgebäude einen Wachmann angeschossen und einen Soldaten am Weltkriegsdenkmal getötet.

Im kanadischen Parlament in Ottawa haben die Fraktionen gerade ihre wöchentlichen Sitzungen begonnen, als Schüsse durch die neugotische Eingangshalle des imposanten Gebäudes hallen. „Ich hatte buchstäblich gerade meine Jacke abgelegt, um in die Fraktionssitzung zu gehen, als ich pop, pop, pop rund zehn Schüsse hörte“, schildert der Abgeordnete John McKay später dem Sender CBC die Situation.

Sicherheitskräfte seien kurz darauf in den Raum gestürmt und hätten alle Abgeordneten durch den Hinterausgang hinaus gebracht. Die Lokalzeitung „Globe and Mail“ veröffentlicht später ein Video, das Beamte zeigt, die mit gezogener Waffe in geduckter Haltung in der Eingangshalle vorrücken, als plötzlich ein Schuss durch die Halle knallt. Sofort sind zahlreiche weitere Schüsse zu hören, die unter dem Kreuzgewölbe widerhallen. Kanadischen Medien zufolge zeigt das verwackelte Handyvideo möglicherweise den Moment, in dem einer der Angreifer getötet wurde.

Gewehre

Ersten Ermittlungen zufolge hatte der Angreifer zuvor vor dem Nationalen Kriegsdenkmal schräg gegenüber vom Parlament einen Wachsoldaten niedergeschossen und schwer verletzt. Anschließend zwang der Täter den Fahrer eines Wagens, ihn bis vor den Eingang des Parlaments zu bringen. „Ein Mann ist rennend ins Parlament eingedrungen. Er wurde von mit Gewehren bewaffneten Polizisten verfolgt, die allen zuriefen, in Deckung zu gehen“, berichtet der Augenzeuge Marc-André Viau. Ein Mitarbeiter der Parlamentskantine sagt dem Sender CBC, er habe einen Mann mit einem langen Gewehr in einem Auto sitzen sehen. Ein Tourist beschrieb den Angreifer seinerseits als „kleinen Mann mit langen schwarzen Haaren“.

Nach dem Schusswechsel in der Eingangshalle ist die Situation unklar. Polizisten sagen, es werde noch mindestens ein Angreifer auf dem Dach des Parlaments vermutet. Auch von einem nahen Einkaufszentrum werden Schüsse gemeldet. Die Polizei fordert die Anwohner von Ottawa auf, sich von Fenstern fernzuhalten und nicht auf die Dächer zu steigen. Während die Polizei mit gepanzerten Fahrzeugen das Parlamentsviertel abriegelt, versorgen Rettungsärzte den angeschossenen Wachsoldat vor dem Kriegsdenkmal. Die Sanitäter nehmen eine Herzdruckmassage vor, bevor sie den Verletzten auf einer Trage in einen Krankenwagen heben. Doch all das hilft nicht: Die Regierung meldet wenig später den Tod des Soldaten. Der Angriff erschüttert Kanada in einem Moment, da es sich kaum von einem Angriff auf zwei Soldaten am Montag erholt hat.

Terrorangriff

Ein polizeibekannter Islamist hatte mit seinem Auto die beiden Armeeangehörigen auf einem Supermarktparkplatz bei Montréal überfahren und einen der beiden tödlich verletzt. Auf der Flucht überschlug sich der 25-Jährige mit seinem Auto, doch ging er anschließend mit einem Messer auf die Polizei los, die ihn erschoss. Die Regierung sprach von einem Terrorangriff und setzte die Alarmstufe von niedrig auf mittel hoch. Die kanadische Luftwaffe soll demnächst die US-geführte Militärallianz unterstützen, die Stellungen der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) im Irak und Syrien angreift.

Die Extremisten haben ihre Anhänger in aller Welt zu Angriffen auf Bürger von Staaten aufgerufen, die sich an der Militäroperation beteiligen. Dabei nannte die Gruppe ausdrücklich Angriffe mit Autos. Der Abgeordnete Charlie Angus fordert nach dem Angriff auf das Parlament am Mittwoch die Öffentlichkeit auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. Ausdrücklich warnt er davor, das Parlament nun für die Bürger zu sperren. „Wir dürfen uns nicht der Angst hingeben, wir dürfen diesen schönen Ort nicht abschotten.“