Kampf der Kulturen in Nigeria

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In Nigeria treiben Islamisten den Kampf gegen das Christentum mit Terror voran. Korruption und Misswirtschaft erhöhen in Afrikas bevölkerungsreichstem Land nun die Gefahr eines Bürgerkriegs.

Die Extremisten der islamistischen Sekte Boko Haram kommen in Nigeria ihren mörderischen Zielen immer näher. Seit Jahren terrorisieren sie Christen besonders im Norden des Landes, jüngst mit blutigen Bombenanschlägen ausgerechnet an Weihnachten. Die Geduld der Kirchen scheint nun langsam zu schwinden. „Es ist eine Kriegserklärung“, betonte der Präsident des christlichen Dachverbands CAN, Bischof Ayo Oritsajafor. Boko Haram habe den Christen Nigerias den Dschihad, den Heiligen Krieg erklärt. „Wir müssen angemessen reagieren.“

Die angespannte Lage im Norden hat nun erst einmal zu einer Fluchtbewegung geführt – auch wenn die Zentralregierung in Abuja am Donnerstag noch Medienberichte bestritt, nach denen über 90.000 Christen aus der Stadt Potiskum in den Süden geflohen seien. Viele Orte im Norden Nigerias wirken allerdings in diesen Tagen wie Geisterstädte, das öffentliche Leben erstirbt spätestens bei Sonnenuntergang. In den Restaurants und Bars, beliebte Ziele der islamistischen Terroristen und Scharia-Verfechter, herrscht gähnende Leere. Und die Furcht wächst noch, denn Boko Haram hat auch für die Neujahrsfeiern Anschläge angekündigt.

Sultan von Sokoto: Kampf zwischen guten und bösen Menschen

Islamische Geistliche mahnen derweil zur Besonnenheit. Das spirituelle Oberhaupt der Muslime in Nigeria, der Sultan von Sokoto, Muhammad Saad Abubakar, betont, es gebe keinen Kampf zwischen Muslimen und Christen, sondern nur „zwischen guten und bösen Menschen“. Imam Alhaju Abdul-Fatai Olutsin von der Ansar Ud-Deen Society erklärt: „Der Islam unterstützt kein Massakker, keinen Völkermord und kein Töten.“ Nigerias christlicher Präsident Goodluck Jonathan ruft zum innerreligiösen Dialog auf und kündigt verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an. Die Kirchenführer betonen ihren ungebrochenen Willen zur Friedfertigkeit.

Aber in Nigeria, mit 150 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichstes Land Afrikas, droht in wachsendem Maße ein Konflikt entlang der religiösen Trennungslinien. Jeweils mehr als 40 Prozent der Nigerianer sind Christen oder Moslems. Es wäre wohl nicht nur ein erbitterter Streit zwischen islamisch geprägtem Norden und christlich dominiertem Süden um die Macht in dem ölreichen, aber von Misswirtschaft und Korruption geplagten Land. Zumindest Boko Haram würde alles daran setzen, es zu einem für Afrika exemplarischen Kampf der Kulturen zu machen. Denn Nigerias Islamisten haben allem Westlichen und Christlichen den erbarmungslosen Kampf angesagt – seit langem schon lassen sie ihren radikalen Worten blutige Taten folgen.

Massakriert

Viele Jahre seien Christen „massakriert, sei ihr Besitz zerstört und ihre Kirchen geschändet worden“, klagt der Kirchenverband CAN. Es sei weder Feigheit noch „Mangel an Kenntnissen“, dass die Christen bisher gegen die „teuflischen Elemente“ friedfertig geblieben seien, heißt es in einer Erklärung zum islamischen Dschihad. Nun aber werde „den christlichen Gemeinschaften in Nigeria keine andere Wahl gelassen, als alles zu tun, um sich zu verteidigen“. Denn der „Ruf nach dem Heiligen Krieg wird immer lauter“.

Die Kirchen beklagen die aus ihrer Sicht lahmen Erklärungen der islamischen Repräsentanten: „Die Reaktionen des Obersten Islamischen Rates und anderer islamischer Organisationen zu dieser Sache sind nicht akzeptabel und eine Verweigerung, Verantwortung für ihre extremistischen Mitglieder zu übernehmen.“

Kein Monopol auf Aggression und Gewalt

Es sei aber ein Irrtum, zu glauben, dass die Islamisten „das exklusive Anrecht und Monopol auf Aggression und Gewalt haben“, schreiben die Bischöfe. Nur den Kirchenführern sei es zu verdanken, dass sich militante christliche Gruppen stets zurückgehalten hätten. „Nun aber erzählen sie uns, dass ihre Geduld zu Ende geht.“

Schon am Dienstag scheint es dafür einen ersten, blutigen Beleg zu geben: Ein Unbekannter warf in der südnigerianischen Stadt Sapele eine Bombe durch das Fenster einer muslimischen Schule und verletzte sechs Kinder zwischen vier und neun Jahren. Die Aussichten Nigerias für 2012 erscheinen düster.