Griechen brauchen mehr Milliarden

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(AFP/Antonis Nikolopoulos)

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Finanzminister oder Finanzen - die Griechen sollen sich entscheiden: Sagen sie "Ja" zum Sparkurs, will der Finanzminister die Brocken hinwerfen. Sagen sie "Nein", bekommen sie wohl kein frisches Geld.

Die Griechen steuern bei ihrem umstrittenen Referendum zur Schuldenkrise auf eine schicksalhafte Entscheidung zu. Kurz vor der Abstimmung beschrieben Gegner und Befürworter eines strikten Sparkurses immer drastischer mögliche Folgen des Votums am Sonntag. Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlichte am Donnerstag in Washington eine Schätzung, wonach Griechenland bis 2018 zusätzlich mehr als 50 Milliarden Euro benötigt.

Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis will von seinem Amt zurücktreten, falls die Griechen mehrheitlich „Ja“ sagen zu den Sparforderungen der Geldgeber. Sein niederländischer Amtskollege und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem erwog unterdessen ein Ausscheiden der Griechen aus der Eurozone.

Fundamentale Frage

Obwohl ein solcher „Grexit“ rechtlich gar nicht vorgesehen ist, sagte Dijsselbloem am Donnerstag im Parlament in Den Haag: Bei einem „Nein“ zum Sparkurs fehle nicht nur die Grundlage für ein neues Hilfsprogramm, „sondern dann ist es sehr fraglich, ob es überhaupt eine Basis für Griechenland in der Eurozone gibt“. Der Vorsitzende der Euroländer-Finanzminister fügte hinzu: „Das ist die fundamentale Frage, um die es tatsächlich geht.“

Analysten der US-Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) erklärten, die Folgen eines Austritt aus der Eurozone würden sich im Wesentlichen auf Griechenland beschränken. „Ein Grexit hätte keine unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Kreditbewertung der anderen Länder der Eurozone“, prognostizierten die S&P-Experten. Sie begründete dies mit Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der nationalen Regierungen, um ein Ausbreitung der Krise zu verhindern.

1,54 Milliarden Euro nicht zurückgezahlt

Griechenland hatte am Dienstag eine fällige Kreditrate von 1,54 Milliarden Euro nicht an den IWF zurückgezahlt und ist damit von weiteren Hilfen zunächst abgeschnitten. IWF-Experten berechneten nun, allein von Oktober 2015 bis Oktober 2016 brauche das Land zusätzlich 29 Milliarden Euro. Bis 2018 seien es rund 52 Milliarden Euro. In dem Papier, das noch nicht mit der IWF-Führung abgestimmt ist, war die jüngste Entwicklung ausdrücklich noch nicht berücksichtigt.

Demnach muss allein die Eurozone nach IWF-Einschätzung bis Ende 2018 noch einmal rund 36 Milliarden Euro an frischem Geld nachschießen. Außerdem erklärten die IWF-Experten, dass eine Lockerung der bislang erwogenen Reformpakete auch einen Schuldenschnitt notwendig machen würde.

Athen benötigt nach Referendum weiterhin Hilfe

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici appellierte an die Griechen, bei der Volksabstimmung „Ja“ zum Sparkurs zu sagen. „Wir müssen die Gespräche mit Griechenland einen Tag nach dem Referendum wieder aufnehmen“, sagte Moscovici in Brüssel. Ein „Nein“ würde diese Verhandlungen viel komplizierter machen. Athen brauche aber weitere internationale Unterstützung: „Griechenlands Finanzbedarf wird ja nicht verschwinden.“

Griechenlands Staatschef Prokopis Pavlopoulos sagte angesichts der zugespitzten Lage in Athen seinen für Dienstag geplanten Antrittsbesuch bei Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin ab. Am Telefon habe Pavlopoulos um Verständnis dafür gebeten, dass er angesichts der aktuellen Situation in seiner Heimat in der nächsten Woche nicht verreisen wolle, sagte eine Sprecherin Gaucks.

Knappes Rennen

Einer Umfrage zufolge zeichnet sich bei dem Volksentscheid ein knappes Rennen ab. 47,1 Prozent der Befragten würden demnach „Ja“ sagen zu den unlängst von den internationalen Gläubigern des Landes vorgeschlagenen Reformschritten. 43,2 Prozent wären dagegen, ergab die Befragung im Auftrag der konservativen Zeitung „Eleftheros Typos“. Dafür wurden 1000 Menschen aller Altersgruppen in verschiedenen Teilen des Landes interviewt.

Die Regierung in Athen warb weiter heftig für ein «Nein». Finanzminister Varoufakis knüpfte am Donnerstag seine politische Zukunft an den Ausgang der Abstimmung. Sollten die Griechen „Ja“ zu den Sparforderungen der Geldgeber sagen, werde er von seinem Amt zurücktreten, sagte Varoufakis dem Fernsehsender Bloomberg TV.

Demonstrationen

Gegner der Sparpolitik riefen für diesen Freitag und Samstag zu Demonstrationen in mehr als 120 europäischen Städten auf. Die Organisation Blockupy listete für Deutschland Protestveranstaltungen in Berlin und zwölf weiteren Städten auf.

Regierungschef Alexis Tsipras hatte die Volksabstimmung am Wochenende überraschend angekündigt. Daraufhin scheiterten die Verhandlungen der Euro-Finanzminister mit Athen. Griechenland wurde seit 2010 mit internationalen Hilfszusagen im Umfang von 240 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt. Das bisherige Hilfsprogramm für Athen war am 30. Juni ausgelaufen, noch offene Milliardenhilfen sind damit verfallen.

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