Erneut dutzende Tote im Gazastreifen

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Ungeachtet internationaler Rufe nach einem Waffenstillstand dauern die Gefechte im Gazastreifen unvermindert an. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bemühte sich in Kairo um eine Waffenruhe.

Der Gaza-Krieg hat in zwei Wochen schon mehr als 500 Menschenleben gefordert und droht noch blutiger zu werden. Die israelische Bodenoffensive gegen militante Palästinenser im Gazastreifen entwickelt sich immer mehr zu einem verlustreichen Häuserkampf. Mehr als 3300 Menschen wurden bereits verletzt. Bis zu 200 000 sind nach palästinensischen Angaben in dem abgeriegelten Küstenstreifen auf der Flucht.

Es könnten noch schwere Tage bevorstehen, kündigt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Ausweitung der Offensive an. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reiste angesichts der dramatischen Lage in die Region. Am Abend wurde US-Außenminister John Kerry in Kairo erwartet, um eine Feuerpause im Gaza-Konflikt zu unterstützen.

Schulgebäude als Lazarette

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNRWA versorgt Zivilisten in Schulgebäuden, die jetzt während der Ferien leer stehen – aber die Zufluchtsstätten sind heillos überfüllt. Andere Palästinenser suchen bei Freunden und Verwandten Unterschlupf. Bunker für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen gibt es nicht.

Selbst Krankenhäuser geraten ins Visier. Bei israelischem Artilleriebeschuss einer Klinik kamen nach palästinensischen Angaben vier Menschen ums Leben und etwa 50 wurden verletzt. Ein Großteil der Opfer gehörten zum medizinischen Personal der Klinik in Dir el Balah, sagte der Leiter der Rettungsbehörden im Gazastreifen, Aschraf al-Kidra.

Getötete Kinder

Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Haus im Zentrum der Stadt Gaza wurden nach palästinensischen Angaben acht Menschen getötet. Die Hälfte davon seien Kinder gewesen, teilten die örtlichen Rettungsdienste mit. Bei einem israelischen Luftangriff in Rafah wurden neun Mitglieder einer Familie getötet, darunter vier Minderjährige.

Radikale Palästinenser feuerten weiter Raketen auf Israel ab – am Montag heulten erstmals seit drei Tagen wieder die Sirenen in Tel Aviv. Nach Angaben der israelischen Armee wurden zwei Raketen über Tel Aviv und drei Raketen über Aschdod abgeschossen. Die Hamas teilte mit, sie habe vier Raketen des Typs M-75 auf Tel Aviv abgefeuert.

Sie kamen durch einen Tunnel

In Gaza wurden allein im dicht bewohnten Viertel Sadschaija bei Gefechten in der Nacht zehn Hamas-Kämpfer getötet, wie der israelische Militärsprecher Peter Lerner mitteilte. Mindestens zehn weitere bewaffnete Palästinenser wurden demnach bei einem versuchten Anschlag getötet. Sie waren durch Tunnel aus dem nördlichen Gazastreifen nach Israel vorgedrungen, wie es hieß.

In Sadschaija seien mehrere Tunnel gefunden worden, sagte Lerner. Die Tunnel führen unterirdisch auf israelisches Gebiet und sollen für Anschläge und Entführungen genutzt werden. Auch Raketen werden häufig aus den dicht besiedelten Wohnvierteln auf Israel abgefeuert. Seit Beginn des Bodeneinsatzes am Donnerstag nahm die Armee nach eigenen Angaben 20 Palästinenser fest.

Auch mehr Opfer auf israelischer Seite

Auf israelischer Seite übersteigt die Zahl der Toten bereits die Verluste bei der Operation „Gegossenes Blei“, die im Januar 2009 endete. Damals waren zehn Soldaten und drei Zivilisten getötet worden, heute sind es bereits 25 Soldaten und zwei Zivilisten. Die Zahl der getöteten Palästinenser wurde am Montagabend mit etwa 570 angegeben. Im Gazastreifen leben rund 1,8 Millionen Menschen.

Zu Berichten der radikal-islamischen Hamas über einen entführten israelischen Soldaten sagte Militärsprecher Lerner: „Wir können es nicht ausschließen.“ Man prüfe den Vorfall weiter. Der israelische UN-Botschafter Ron Prosor hatte die Angaben der Hamas, die auch den Namen und eine persönliche Erkennungsnummer veröffentlichte, vorher als unwahr dementiert.

Vermittlungsversuche

UN-Generalsekretär Ban traf indes am Montagnachmittag in der ägyptischen Hauptstadt Kairo ein. Geplant war eine Unterredung mit Außenminister Sameh Schukri. Am Abend wurde auch US-Außenminister John Kerry in Kairo erwartet. US-Präsident Barack Obama kündigte an, Kerry werde auf eine „sofortige Waffenruhe“ dringen. Ägypten hat traditionell eine Vermittlerrolle zwischen Israel und der Hamas, allerdings ist die Beziehung zu der radikalislamischen Bewegung seit längerem gespannt. Ban, der zuvor auch in Kuwait und Katar Gespräche über eine Waffenruhe geführt hatte, forderte Israel zur Zurückhaltung auf. „Israel muss viel mehr tun, um Zivilisten zu schützen“, mahnte Ban am Sonntag in Doha.

Auch der UN-Sicherheitsrat zeigte sich bei seiner Dringlichkeitssitzung am Sonntagabend tief besorgt über die wachsende Zahl der Todesopfer und forderte die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen. Der UN-Sicherheitsrat forderte eine Feuerpause und den Schutz von Zivilisten. „Wir sind sehr besorgt um die Zivilisten im Kampfgebiet“, hieß es in New York. Frankreichs Staatschef François Hollande sagte nach einem Telefonat mit Ban, es müsse „alles getan werden, um das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen sofort zu beenden“. Zudem sagt er Ban „seine ganze Unterstützung“ bei dessen Bemühungen um eine Waffenruhe zu.

Ägypten hatte vergangene Woche einen Vorschlag für eine Waffenruhe vorgelegt, der von Israel angenommen wurde. Die Hamas, die nicht konsultiert worden war, lehnte ihn dagegen ab. Die Hamas fordert als Bedingung für eine Waffenruhe, dass Israel seine Blockade des Gazastreifens beendet und zahlreiche Gefangene freilässt. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der Hamas-Führer Chaled Maschaal forderten am Montag bei einem Treffen in Doha ein Ende der „israelischen Aggression“ gegen den Gazastreifen und die Aufhebung der Blockade. Es war ihr erstes Treffen seit Beginn der Offensive am 8. Juli.