Als die ersten knapp 200 Flüchtlinge mit dem Zug aus Ungarn um kurz nach 18.30 Uhr am Münchner Hauptbahnhof einrollen, erwartet sie zunächst einmal deutsche Bürokratie. Ein Bericht vor Ort.
Die Menschen werden von Bundes- und Landespolizei im Tross vom Bahnsteig in ein ungenutztes Nebengebäude geführt und dort einer nach dem anderen registriert. Die meisten stammen aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Erleichtert lächeln die Männer, Frauen und Kinder, als sie nach einer Odyssee über den Balkan deutschen Boden betreten.
Rund zwei Stunden wird die Prozedur der Registrierung dauern, dann geleiten die Beamten die Flüchtlinge (Link) in bereitstehende Busse vor dem Bahnhof. Sie bringen sie zum Erstaufnahmezentrum in einer ehemaligen Kaserne im Norden der Stadt. Fast gleichzeitig kommt der zweite Zug aus Budapest.
Aus Ungarn rausgeworfen
Dass mehrere Züge mit Flüchtlingen ankommen, hat sich mittlerweile in München herumgesprochen. Vier Männer und eine junge Frau mit dunklen Sonnenbrillen stehen mit verschränkten Armen an Gleis 15. Ihre Tätowierungen und ihre Kleidung deuten auf die rechte Szene hin. Sie werden schnell entdeckt von Menschen mit gefärbten Haaren und bunten Kappen. Die Menge versucht das Grüppchen mit Sprechchören zu vertreiben. Die Polizei und der Sicherheitsdienst der Bahn gehen dazwischen. Nach und nach werden die fünf in Richtung eines Seitenausgangs gedrängt.
Auf dem Bahnsteig berichten die Neuankömmlinge von ihrer Reise. „Letztlich haben sie uns aus Ungarn rausgeworfen, nachdem sie unsere Fingerabdrücke genommen haben“, erzählt der 18-Jährige Mohammad Al-Azaawi auf Englisch. „Es ist so gut hier zu sein, wir sind so glücklich.“ In Damaskus habe er sein Ingenieurstudium nicht mehr fortsetzen können. Nachdem er durch eine Autobombe verletzt worden sei, sei die Entscheidung gefallen, zu fliehen. Al-Azaawi zeigt Narben am Bauch. „Es ist besser hier, hoffentlich kann ich hier weiter studieren.“
„Dem Tod entkommen“
Sein Bruder Ahmed erzählt von der kostspieligen Reise. „Wir haben so viel gezahlt, überall, in der Türkei, in Griechenland, in Mazedonien, Serbien. Insgesamt 2000 bis 3000 Euro.“ Die Familie habe ihr Haus verkaufen müssen, um das Geld aufzubringen. „Wir sind dem Tod in Syrien entkommen. Wir wollen hier bleiben für eine bessere Zukunft.“
Für die Nacht wurden noch zwei weitere Züge aus Ungarn erwartet. Auch in ihnen sollen hunderte Flüchtlinge sitzen.
Daisy Schengens Laufbahn beim Tageblatt begann 2010 als Online-Redakteurin, später in der Lokalredaktion, bevor sie leitende Redakteurin des Magazin-Hefts wurde. Ihre Schwerpunkte umfassen die Themengebiete Gesundheit und Ernährung. Die gebürtige Bulgarin hat einen Magisterabschluss in Germanistik und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrem Sohn lebt sie an der Mosel. Wenn sie nicht über Genuss und Gesundheit schreibt, widmet sie sich dem Tanz(-sport).
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