„Frustration und Wut“

„Frustration und Wut“
(Reuters)

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Eine Milliardenschwere Nachzahlungs-Forderungen aus Brüssel lässt dem britischen Premier David Cameron den Kragen platzen. Luxemburg darf sich auf 91 Millionen Euro freuen.

Mit „Frustration“ und „Wut“ im Gepäck ist der britische Premier David Cameron vom EU-Gipfel abgereist: Auslöser war eine Zwei-Milliarden-Euro-Rechnung, die sein Land von der EU-Kommission erhalten hat – zahlbar bis zum 1. Dezember. „Wir werden nicht sofort unser Scheckbuch herausholen und einen Scheck über zwei Milliarden Euro schreiben“, kündigte Cameron am Freitag in Brüssel an. Die EU-Kommission wies die Kritik zurück.

Rückzahlung für Luxemburg
Großbritannien muss von allen 28 EU-Staaten den größten Betrag zurückzahlen. Aber es gibt auch Staaten, die Geld zurückbekommen. Frankreich kann auf ein Rückzahlung in Höhe von mehr als einer Millarde Euro hoffen. Deutschland bekommt 780 Millionen Euro.

Luxemburg dürfte sich auf 91 Millionen Euro bis Ende des Jahres freuen. Genaueres weiß Premierminister Xavier Bettel allerdings auch nicht. Wir haben noch nicht alle Information oder ein Datum zusammen, so Bettel gegenüber dem Tageblatt am Freitag.

Auslöser des Eklats war, dass die EU-Kommission wie jedes Jahr die fälligen Nachzahlungen der Mitgliedstaaten an Brüssel für das laufende Jahr kalkuliert hat. Ersten Berechnungen zufolge soll Großbritannien innerhalb weniger Wochen 2,1 Milliarden Euro überweisen, obwohl er erst am Donnerstag davon erfahren habe, schimpfte Cameron. Es sei normal, dass es beim EU-Haushalt Anpassungen und in einem gewissen Rahmen Nachzahlungen gebe, sagte Cameron, aber: „Es ist vollkommen inakzeptabel, dass eine Rechnung über eine so große Summe erstellt wird – mit so wenig Zeit zu bezahlen.“

Barroso genervt

Die Berechnung wurde erstmals auf Grundlage neuer Regeln zur Berechnung der Bruttoinlandsprodukte erstellt, wodurch die Zahlen weitaus höher als gewöhnlich ausfielen. „Das hätte eigentlich keine Überraschung sein dürfen“, wies der seinerseits offenbar genervte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die britische Kritik zurück. Die Zahl stütze sich schließlich auf Angaben der britischen Behörden.

Die Summe sei höher als der Gesamtbeitrag mancher Staaten zum EU-Budget, entrüstete sich aber Cameron, der in einer Pressekonferenz die EU-Kommission mehrfach nur „diese Organisation“ nannte. Der Brite erhielt nach eigenen Angaben die Unterstützung mehrerer Kollegen, etwa des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi, der Cameron zufolge gesagt haben soll: „Das ist keine Summe, das ist eine tödliche Waffe.“

Merkel erstaunt

Der Niederländer Mark Rutte, der seinerseits mehr als 600 Millionen Euro nach Brüssel überweisen soll, sagte: „Diese Nachricht ist eine unschöne Überraschung und wirft viele Fragen auf.“ Deutschland soll den vorläufigen Berechnungen zufolge 779 Millionen Euro zurückerhalten, das mit Haushaltsproblemen kämpfende Frankreich sogar etwa eine Milliarde Euro. „Als ich heute in die Zeitung geblickt habe, war auch ich erstaunt, wie der eine was kriegt und der andere was zahlen muss“, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es sei nicht ganz einfach, innerhalb kurzer Zeit einfach mal zwei Milliarden Euro zu zahlen, zeigte die Kanzlerin einerseits für Cameron Verständnis. Sie fügte aber auch hinzu: „Das was da jetzt errechnet wurde, das wird von uns nicht angezweifelt.“

Cameron kündigte jedoch an: „Wir werden das auf jede möglich Weise anfechten.“ Ihm zufolge sollen die Finanzminister auf einem „Dringlichkeitstreffen“ nun klären, wie die ungewöhnlich hohe Nachzahlung zustande gekommen ist. Aber die Erregung des Briten hat wohl vor allem innenpolitische Gründe, da nun die in Großbritannien verbreitete europafeindliche Stimmung noch schlechter werden könnte. Das zeigte sich am Freitag bereits: „Das ist einfach empörend“, sagte der Chef der EU-feindlichen United Kingdom Independence Party (Ukip), Nigel Farage. Cameron habe versprochen, die Zahlungen an die EU zu verringern – doch nun steige der Betrag. „Die EU ist wie ein durstiger Vampir, der sich vom Blut der britischen Steuerzahler ernährt.“

Nicht hilfreich

Camerons regierende Konservative müssen sich im Frühjahr Parlamentswahlen stellen. Bei den Europawahlen im vergangenen Mai war die Ukip stärkste Kraft geworden. Der britische Premier hat den Briten unter dem Druck der EU-Skeptiker bei einer Wiederwahl für 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU versprochen. „Wenn man so eine Rechnung erhält, ist das dann hilfreich für eine britische EU-Mitgliedschaft?“, fragte Cameron und fügte hinzu: „Nein.“