„Es war eine US-Entscheidung“

„Es war eine US-Entscheidung“
(AP/Carolyn Kaster)

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Erst hat John Campbell erklärt, der Anschlag auf die Klinik von "Ärzte ohne Grenzen" in Kunduz sei auf Bitten Afghanistans erfolgt. Nun krebst er zurück.

Nach dem US-Beschuss einer Klinik von Ärzte ohne Grenzen in Kundus mit 22 Toten hat der zuständige Militärkommandeur Fehler eingeräumt. Trotz rigoroser Prüfinstanzen, die solche Fehler verhindern sollten, sei das Krankenhaus am Samstag getroffen worden, sagte der Oberbefehlshaber der US- und Nato-Truppen in Afghanistan, John Campbell, am Dienstag bei einer Befragung durch den Streitkräfteausschuss des US-Senats. In der afghanischen Stadt kam es erneut zu Gefechten zwischen Militär und Taliban.

Die Aufständischen hatten Kundus vergangene Woche überrannt und drei Tage lang unter ihrer Kontrolle gehalten. Campbell mahnte angesichts dieser Entwicklung dazu, die Zahl der US-Soldaten nicht wie geplant bis Ende 2016 weiter zu reduzieren. US-Präsident Barack Obama wollte ursprünglich statt der nun 9800 Mann nur noch 1000 in den diplomatischen Vertretungen der USA in Afghanistan belassen. Seit dieser Entscheidung im Jahr 2014 habe sich aber vieles geändert, sagte Campbell.

US-Spezialkräfte

Die USA hatten nach der Eroberung von Kundus durch die Taliban die afghanischen Truppen bei ihrer Gegenoffensive unterstützt. Dabei kam es auch zu dem Luftangriff, bei dem die Klinik getroffen wurde. Afghanische Soldaten hätten von US-Spezialkräften vor Ort Luftunterstützung angefordert, als sie unter Beschuss geraten seien, sagte Campbell. Darauf hin sei das Kampfflugzeug vom Typ AC-310 gerufen worden und habe auf die Klinik gefeuert.

„Um es klar zu sagen, die Entscheidung (für Luftangriffe) war eine US-Entscheidung, die innerhalb der US-Befehlskette getroffen wurde. Das Krankenhaus wurde versehentlich getroffen. Wir würden niemals eine geschützte medizinische Einrichtung absichtlich angreifen“, sagte Campbell den Senatoren. Die genauen Hintergründe müssten noch in Untersuchungen ermittelt werden.

Kalt erwischt

Die Darstellung Campbells zweifelte die Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen, Joanne Liu, an. Die afghanische Regierung habe behauptet, dass Taliban-Kämpfer von der Klinik aus auf Soldaten geschossen hätten. „Diese Erklärungen deuten darauf hin, dass die afghanischen und US-Truppen in Zusammenarbeit entschieden, ein voll funktionierendes Krankenhaus zu zerstören, was auf ein Eingeständnis eines Kriegsverbrechens hinausläuft“, sagte Liu.

Die überraschende Eroberung von Kundus hatte die USA, aber vor allem auch die afghanische Regierung von Präsident Aschraf Ghani kalt erwischt. Auch nach ihrer Vertreibung aus großen Teilen der Stadt wollten die Taliban aber nicht aufgeben. In der Nacht griffen sie das Polizeihauptquartier an, wie Polizeisprecher Sarwar Hussaini am Dienstag mitteilte. Einige Angreifer seien bis ins Zentrum vorgedrungen.

Einwohner geflohen

Ein Vertreter der Katastrophenhilfe sagte, die Lage sei zu gefährlich, um Nahrung und Hilfsgüter in die Stadt zu bringen. Die Behörden brächten Hilfsmittel in Orte in der Nähe, wohin Einwohner aus Kundus geflohen seien. Einwohner berichteten, die Taliban hätten Soldaten angegriffen und sich dann schleunigst zurückgezogen.

Augenzeuge Abdul Manan sagte der Nachrichtenagentur AP am Telefon, er habe eine Gruppe Taliban beobachtet, die auf dem zentralen Platz der Stadt die Regierungsfahne heruntergerissen hätten und nach einem etwa halbstündigen Feuergefecht mit Sicherheitskräften geflohen seien.

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