„Unverzichtbare“ Union

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Das Brexit-Votum und diverse Krisen spalteten die EU-Staaten und ihre gemeinsamen Institutionen in den vergangenen Wochen und Monaten. Das informelle Gipfeltreffen gestern in Bratislava sollte die verbliebenen EU-27 wieder in geordnete und gemeinsame Bahnen lenken.

Es wäre zu viel verlangt gewesen, wenn am Ende des gestrigen Tages in der slowakischen Hauptstadt alle Streitpunkte, die zwischen den 27 bestehen, von der Flüchtlingspolitik über die Grenzsicherungen und Schengen bis hin zu den Wirtschafts- und Haushaltsfragen, beigelegt worden wären. Doch haben sich die Gipfelteilnehmer offenbar wieder auf die Bedeutung ihrer Union besonnen. Das geht nicht nur aus der Schlusserklärung des Gipfels hervor, in der sie unter anderem feststellen, dass die EU „unverzichtbar für den Rest von uns“ bleibe, auch wenn ein Land die Union verlassen wolle. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel meinte nach dem Treffen, dass unter den Staats- und Regierungschefs ein „Geist der Zusammenarbeit“ geherrscht habe, den sie den „Geist von Bratislava“ nannte. Zudem seien die Gipfelteilnehmer der Überzeugung gewesen, dass sie Kompromisse bräuchten sowie „ein Gefühl der Solidarität und ein Gefühl der Zusammenarbeit“ und sie auf der Grundlage gemeinsamer Werte arbeiten müssten, so die Kanzlerin weiter. Die übrigens demonstrativ gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande nach der Tagung vor die Presse trat.

„Geist von Bratislava“

Die 27 haben gestern in Bratislava eine sogenannte Roadmap mit Arbeitsschwerpunkten, die bis zum kommenden Jahr abgearbeitet sein und in Beschlüsse münden sollen, festgelegt. Diese sollen dann im März 2017 bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge in Rom angenommen werden. Diese Schwerpunkte betreffen die Migration und Kontrolle der Außengrenzen, die innere und äußere Sicherheit sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die Lage der jungen Menschen in der EU. Damit wollen die Staats- und Regierungschefs wieder das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der EU zurückgewinnen.
Viel Lob erntete EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dessen Rede am vergangenen Mittwoch über die Lage der Union vor dem Europäischen Parlament als Blaupause für den „Bratislava-Fahrplan“ diente. Er habe die „richtigen Schwerpunkte gesetzt“, erklärte die deutsche Kanzlerin. Und auch der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, der mit seinem Einladungsschreiben zum Gipfeltreffen einen Kontrapunkt zu Juncker setzen wollte, beglückwünschte diesen für seine „exzellenten Initiativen“.

Inwieweit der von Merkel beschworene „Geist von Bratislava“ nun Früchte tragen wird und zu einem besseren Umgang zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen und den EU-Institutionen führen wird, werden die nächsten Monate zeigen. Für den slowakischen Regierungschef und Gastgeber Robert Fico, der selbst mit seinem ungarischen Nachbarn Viktor Orban in der EU-Flüchtlingspolitik aus der Reihe tanzt, war der Gipfel jedenfalls von „Erfolg gekrönt“. Und um dies zu untermauern, verwies Tusk darauf, dass sich gestern alle bereit erklärt hätten, Bulgarien bei der Sicherung seiner Grenze zur Türkei zu helfen. Für den Polen sei dies der Beginn eines Prozesses, bei dem auf Erklärungen auch Taten folgen würden.
In seiner Rede vor dem EU-Parlament hatte Juncker bereits angekündigt, dass die Grenzschutzagentur Frontex 200 Beamte und 50 Fahrzeuge nach Bulgarien entsenden werde, um das Land bei der Grenzsicherung zu unterstützen. Zudem stellte der Kommissionspräsident dem bulgarischen Regierungschef Boyko Borissow 108 Millionen Euro an Hilfen für die Grenzsicherung in Aussicht. Die Bereitstellung weiterer 52 Millionen Euro werde in den nächsten Tagen geprüft, so Juncker weiter.

Unsicherheit vermeiden

Überhaupt scheint die Sicherung der Außengrenzen derzeit die größte Priorität zu genießen. Tusk etwa will unbedingt vermeiden, dass es zu „Unstabilität und Unsicherheit“ an den EU-Grenzen kommt. Doch auch Hollande hob diesen Punkt besonders hervor.
In Sachen Aufnahme von Flüchtlingen scheint sich ebenfalls etwas zu tun. So hätten die Visegrad-Staaten – Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn – eine „flexible Solidarität“ in dieser Frage in Aussicht gestellt. Was bedeutet, dass sie auf freiwilliger Basis Flüchtlinge aufnehmen könnten.
Merkel begrüßte das als Entgegenkommen der Visegrad-Staaten und erkennt darin einen „positiven Ansatz“. Die vier Länder lehnen eine automatische Verteilung von Flüchtlingen mit verbindlichen Quoten ab. Ungarn und die Slowakei haben eine Klage gegen einen entsprechenden Beschluss der EU-Innenminister vor dem Europäischen Gerichtshof eingebracht.

Ohnehin dürfe es nicht mehr zu einem unkontrollierten Zustrom von „irregulären Migranten“ kommen und deren Zahl müsse weiter reduziert werden, heißt es weiter in der Schlusserklärung des Gipfeltreffens.
In puncto Sicherheit sollen nicht nur EU-Bürger bei der Ein- und Ausreise aus der Union kontrolliert werden. Es soll ebenfalls ein Informations- und Autorisierungssystem für Einreisewillige in die EU geschaffen werd