„Wir werden keine Feiglinge sein“

„Wir werden keine Feiglinge sein“
(AP/Thanassis Stavrakis)

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Für die einen ist er ein gewieften Taktiker, für die anderen ein planloser Novize, der sein Land in unkartierte Gewässer steuert. Vor Alexis Tsipras liegen noch harte Kämpfe.

Vor dem 40-jährigen, Regierungschef liegen noch harte Wochen und keiner weiß das besser als er selbst: „Der schmerzhafte Weg hört hier leider noch nicht auf“, rief er seinem linken Regierungslager bei der Abstimmung zum zweiten Reformpaket zu, das vom griechischen Parlament am Donnerstag gebilligt wurde (Link). Auf eine eigene Mehrheit konnte sich der junge Ministerpräsident bei der Abstimmung allerdings nicht stützen – wie schon beim ersten Sparpaket lag die Zahl der Abweichler in den eigenen Reihen bei über 35.

Tsipras muss also in den nächsten Wochen nicht nur die Gläubiger im Zaum halten, denen er ein neues Hilfspaket in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro abtrotzen will, sondern auch die eigenen Leute. Schon wird in Griechenland laut über vorgezogene Neuwahlen spekuliert. Auch wenn die Regierung in Athen das derzeit ausschließt, müsste Tsipras davor wohl keine Angst haben. Seine Umfragewerte sind grandios, bei der Bevölkerung ist er äußerst beliebt. Als Vorkämpfer für die „nationale Würde“ der Griechen gegen das „Spardiktat“ der Gläubiger wurde Tsipras nicht nur zum Held vieler Griechen, sondern auch der linken Parteien in Europa.

Gewieft

Daran änderte wenig, dass er sechs Monate nach seinem Amtsantritt – von der Wiederöffnung des Staatssenders ERT abgesehen – wenig konkrete Erfolge vorzuweisen hat. Vielmehr war er gezwungen, die Fortsetzung des Sparkurses und der Strukturreformen zuzusagen. Die Lebensbedingungen für die Griechen haben sich auch nicht verbessert. Schon seit seinem Amtsantritt Ende Januar gibt der am Stadtrand von Athen geborene 40-Jährige seinen Landsleuten und den Europäern Rätsel auf.

Die einen halten ihn für einen gewieften Taktiker, die anderen sehen in ihm einen planlosen Novizen, der sein Land in unkartierte Gewässer steuert – mit potenziell katastrophalen Folgen. Auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise, als viele schon einen Grexit für unausweichlich hielten, überraschte er die Gläubiger von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit der Ankündigung eines Referendums über die Sparauflagen. Mehr als 60 Prozent der Griechen folgten seinem Aufruf und stimmten Anfang Juli mit Nein.

„Entschlossenheit“

Dass Tsipras wenig später sogar härteren Spar- und Reformauflagen der Gläubiger zustimmte, tat seiner Popularität dennoch keinen Abbruch – trotz geschlossener Banken, Beschränkungen beim Geldabheben am Automaten und leeren Supermarkt-Regalen wegen Hamsterkäufen. Den Gläubigern kam Tsipras auch mit der Entlassung seines scharfzüngigen Finanzministers Giannis Varoufakis entgegen.

Während Varoufakis mit seinem konfrontativen Stil seine Kollegen vor den Kopf gestoßen hatte, war Tsipras stets konzilianter im Ton – wenn auch nicht in der Sache. Den von ihm geforderten Erlass eines Großteils der horrenden Schulden des Landes konnte Tsipras bisher zwar nicht durchsetzen. Den Griechen und seinen Syriza-Abgeordneten versprach er aber am Donnerstag, er werde weiter für bessere Bedingungen für Griechenland kämpfen: „Wir werden keine Feiglinge sein. Wir werden die Kämpfe, die vor uns liegen, mit Entschlossenheit führen.“

Wenn der gelernte Ingenieur Tsipras diese Kämpfe durchstehen will, braucht er auf jeden Fall eine gute Kondition. Seine 73-jährige Mutter klagte erst kürzlich, dass ihr Sohn nicht einmal mehr Zeit habe, seine Kinder oder sie selbst zu sehen: „Alexis isst in letzter Zeit nicht mehr, schläft nicht, aber er hat keine Wahl – er hat eine Verantwortung den Menschen gegenüber, die ihre Hoffnung in ihn gesetzt haben.“

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