Von den „Boomtown Rats“ zum Polit-Aktivist

Von den „Boomtown Rats“ zum Polit-Aktivist
(Reuters/Neil Hall)

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Rockstar und Polit-Aktivist Bob Geldof wird 65. Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich der Ire gegen Hungersnöte, Armut Verschuldung und für eine bessere Welt.

Eine Woche vor dem Brexit-Referendum in London, auf der Themse zwischen Tower Bridge und Parlament: Der Kampf für oder gegen einen Austritt aus der EU hat sich im Juni aufs Wasser verlagert – es geht um die Fischereipolitik. Mittendrin: Bob Geldof.

Breit grinsend, mit schwarzer Sonnenbrille, die Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen, bringt sich „Sir Bob“ auf seinem Ausflugsboot in Gefechtsstellung und winkt ironisch. Die Gegner: UKIP-Parteichef Nigel Farage mit einer Mini-Flotte aus Fischkuttern und Brexit-Befürwortern.

Mischt sich beim Referendum ein

Klar, dass sich Geldof auch beim Referendum einmischt. Die Stimmung heizt sich auf, schließlich durchnässen die Fischer ihn und andere EU-Aktivisten mit Wasserschläuchen, während Geldof sich mit dem ohrenbetäubenden Dobie-Gray-Hit „The In Crowd“ rächt. Eine Episode, die typisch für den ewigen Aktivisten und gelegentlichen Rockstar ist. Am 5. Oktober feiert er nun seinen 65. Geburtstag.

Geldofs Kindheit war geprägt vom frühen Leukämie-Tod seiner Mutter. Geboren 1951 in einer kleinen Hafenstadt außerhalb Dublins, ziehen ihn seine älteren Schwestern Cleo und Lynn auf – beide fanatische Cliff-Richards-Anhänger. Seine eigene Musik findet der junge Geldof erst, als er mit elf die Rolling Stones entdeckt.

Am Anfang waren die „Boomtown Rats“

Doch bis er die Musik zum Beruf macht, dauert es: Er driftet von Job zu Job, im Schlachthaus, als Straßenarbeiter und Englischlehrer in Spanien, bevor er Musikjournalist in Kanada wird.

Zurück in Irland gründet er 1975 mit ein paar Jungs aus der Gegend die New-Wave- und Punkband „Boomtown Rats“. In der „Yorkshire Evening Post“ erinnert sich Geldof an einen typischen Auftritt: „Ich verlangte: „Wenn wir spielen, setzt ihr euch nicht hin!“ Dann schmettere ich ein Glas gegen die Wand und wir spielen „My Generation“ von „The Who“ sehr laut und sehr schlecht.“

Band Aid und Live-Aid

Innerhalb eines Jahres werden die „Rats“ eine der erfolgreichsten Bands in Irland mit einer Serie von Hitsingles und Alben, gewinnen Brit Awards und Grammys. Sie sind die erste irische Rockband mit Nummer-Eins-Hits in den britischen Charts, zuerst mit „Rat Trap“ und danach mit dem weltweiten Megahit „I Don’t Like Mondays“.

Seine Berufung findet Geldof jedoch 1984, als er das Projekt Band Aid auf die Beine stellt, um mit der Hitsingle „Do they know it’s Christmas“ Geld gegen die Hungersnot in Äthiopien zusammenzutrommeln.

Im darauffolgenden Jahr organisiert er Live Aid, das bis dato größte Rockkonzert der Musikgeschichte, in London und Philadelphia. Internationale Superstars wie David Bowie, Elton John, Queen, Joan Baez und Tina Turner treten auf und stimmen zum Schluss „We Are the World“ an, während 1,5 Milliarden Menschen am Fernseher zuschauen.

100 Millionen an Spenden

Live Aid bringt im ersten Anlauf mehr als 100 Millionen Euro an Spenden ein und etabliert Geldof international als einflussreichen Polit-Aktivisten. Er wird für den Friedensnobelpreis nominiert und die Queen würdigt sein Engagement. „Alte Damen kamen näher und brachen in Tränen aus“, beschrieb Geldof den damaligen Hype in der Zeitung „Daily Mail“.

Er macht den Hype aber auch zu Geld. Bei einer internationalen Investment-Konferenz in London 2011 stellte er sich so vor: „Mein Name ist Bob, und ich bin eine Kapitalbeteiligungs-Hure.“ Sein Vermögen wird auf 40 Millionen Euro geschätzt.

Privates Unglück

Auf den Erfolg der 80er Jahre folgen private Tragödien: Seine erste Frau Paula Yates, mit der er drei Töchter hat, verlässt ihn für INXS-Sänger Michael Hutchence. Drei Jahre nach dem mysteriösen Tod des Sängers stirbt Yates an einer Überdosis Drogen; die beiden hinterlassen eine Tochter, Tiger Lily. Geldof adoptiert sie und setzt sich seither zusätzlich für die Rechte von Vätern ein.

Im April 2014 stirbt an einer Überdosis Heroin überraschend auch seine zweitälteste Tochter Peaches. „Wir sind außer uns vor Schmerzen“, sagt Geldof kurz danach. „Sie war die wildeste, lustigste, klügste, witzigste und verrückteste von uns allen.“ Kurz danach heiratete Geldof seine langjährige Lebensgefährtin, die französische Schauspielerin Jeanne Marine.

Bringt vier Flüchtlingsfamilien unter

Seine Koteletten sind inzwischen weiß geworden, doch engagiert und schnell aufgebracht ist er immer noch: Als vor einem Jahr das Foto eines kleinen syrischen Jungens um die Welt geht, der an einem türkischen Strand tot geborgen wird, bietet Geldof in einem Interview mit dem irischen Radiosender RTÉ an, sofort vier Flüchtlingsfamilien in seinen Häusern in Kent und London unterzubringen.

Die Musik aber war ihm immer wichtiger als Proteste und Aktionen. Er selbst sieht sich in erster Linie als Songwriter. Live-Auftritte seien eine Katharsis, sagt er der „Yorkshire Evening Post“. „Ich bin körperlich, emotional, psychisch ausgelaugt, aber es fühlt sich gut an, wenn ich etwas Wichtiges getan habe. Und danach schlafe ich den Schlaf der Gerechten.“