/ Von "Horkel" bis "Merklande"
Irgendwann am späteren Sonntagabend griff die Kanzlerin dann doch noch zum Telefon. Es war gegen 22.00 Uhr, als Angela Merkel zum ersten Mal Kontakt mit einem Mann aufnahm, den sie bis dahin noch nie gesprochen hatte: Frankreichs neuer Präsident François Hollande. Merkel gratulierte, wie es sich gehört – auch wenn sie das bis dahin eigentlich ganz gern vermieden hätte. Hollande gab seinen Dank trotz allem freundlich zurück.
Allzu lange dauerte die weitere Unterhaltung dann nicht. Aber zumindest verständigten sich die beiden schon einmal darauf, dass sie sich nächste Woche zu einem Gespräch unter vier Augen sehen werden. Hollande will dazu gleich nach dem offiziellen Machtwechsel im Elysée-Palast nach Berlin ins Kanzleramt kommen, vermutlich am frühen Dienstagabend. Es wird die erste Dienstreise des neuen Präsidenten überhaupt sein.
Ärger zwischen Merkel und Hollande
Solche Treffen sind üblich, wenn es in einem der beiden wichtigsten europäischen Partnerländer zu Veränderungen an der Staats- oder Regierungsspitze kommt. Aber nach dem Ärger, den es in den vergangenen Monaten zwischen Merkel und Hollande gegeben hatte, war das keine Selbstverständlichkeit mehr.
Allzu deutlich hatte die CDU-Vorsitzende darauf gesetzt, dass Nicolas Sarkozy für weitere fünf Jahre Hausherr im Elysée bleiben werde – auch als über Monate hinweg sämtliche Umfragen das Gegenteil vorhersagten. Hollande bekam im Kanzleramt bis zum Schluss des Wahlkampfs nicht einmal einen Termin. Die Kanzlerin kann sehr hartnäckig sein.
Gutes Arbeitsverhältnis trozu Fiskalpakt
Merkel ärgerte sich insbesondere darüber, dass der Kandidat von Frankreichs Sozialisten angekündigt hatte, den mühsam zwischen 25 EU-Ländern ausgehandelten Fiskalpakt aufschnüren wollte. Trotzdem wollen sich beide Seiten jetzt darum bemühen, baldmöglichst zu einem guten Arbeitsverhältnis zu kommen. Einfach wird das nicht.
Wohl versprach die Kanzlerin am Montag, den neuen Partner „mit offenen Armen“ zu empfangen. „Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist essenziell für Europa. Da wir alle den Erfolg Europas wollen, wird diese Zusammenarbeit schnell beginnen.“ Aber zugleich stellte sie in der Nachbetrachtung zum Wahl-Sonntag klar, dass an Nachverhandlungen über den Fiskalpakt weiterhin nicht zu denken sei.
Ergänzung um „Wachstumspakt“
„Das geht einfach nicht“, sagte Merkel. „Der Fiskalpakt ist beschlossen.“ Im Nachsatz deutete sie dann aber an, was aus deutscher Sicht möglich wäre. Der Pakt könne weiterbearbeitet werden, versprach sie – eine etwas unglückliche Formulierung. Gemeint damit ist die Ergänzung um einen „Wachstumspakt“, der auf dem nächsten EU-Gipfel Ende Juni beschlossen werden könnte. Damit könnten sowohl Merkel als auch Hollande das Gesicht wahren.
In den nächsten Wochen geht es nun darum, den Begriff mit Inhalten zu füllen. Dabei gehen die Meinungen noch ziemlich weit auseinander. Aus ihrer bisherigen Erfahrung als wichtigste europäische Krisenmanagerin lehnt Merkel ein „Wachstum auf Pump“ ab. „Riesen-Konjunkturprogramme“, so stellte sie klar, seien mit ihr nicht zu machen. Hollande hingegen setzt französisch-traditionell auf staatliche Ausgaben, um die Konjunktur anzukurbeln.
Hollande unter Beobachtung der Märkte
Allerdings weiß er selbst, wie stark er unter Beobachtung der Märkte steht. Die Spielräume für ihn sind eng wie noch nie für einen französischen Präsidenten zuvor. Die Vergleiche mit François Mitterrand – bislang der einzige Sozialist an der Spitze der Fünften Republik – taugen deshalb nur bedingt. Mitterrand brauchte nach dem Wahlsieg 1981 fast zwei Jahre, bis er auf einen gemäßigteren Kurs einschwenkte.
So viel Zeit hat Hollande nicht. Einer von Merkels wichtigsten Ministern sagt dazu: „Hollande hat keine 18 Monate und auch keine zwölf Monate. Sondern höchstens zwei.“ Klar ist dem schwarz-gelben Regierungslager aber, dass man sich irgendwie zusammenraufen muss. Die Hoffnung ruht nun darauf, dass es auch zwischen so unterschiedlichen Leuten wie Mitterrand und Helmut Kohl bislang immer noch gut gegangen ist. Sogar mit Sarkozy war es anfangs alles andere als einfach.
Ohnehin sind Merkel und Hollande nicht die einzigen, die sich miteinander schwer tun. Auch die Suche nach einem Namen für das neue Tandem, das nun an die Stelle von „Merkozy“ tritt, kam noch nicht so richtig voran. In Europas Zeitungen wurden am Montag alle möglichen Kombinationen ausprobiert, von „Merklande“ bis hin zu „Horkel“. Aber so richtig überzeugend war keine davon.
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