Verfassungsreform nimmt erste Hürde, aber…

Verfassungsreform nimmt erste Hürde, aber…
(Reuters/Philippe Wojazer)

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Frankreichs Nationalversammlung hat der angestrebten Verfassungsreform mit 317 gegen 199 Stimmen zugestimmt. Damit ist sie jedoch noch nicht in trockenen Tüchern.

Das umstrittene Vorhaben namens Verfassungsreform stiß bereits im Vorfeld bei Abgeordneten aller Parteien auf Widerstand. Mit der Verfassungsänderung will Hollande einerseits den Ausnahmezustand, der den Behörden in Krisenzeiten umfassende Befugnisse einräumt, in das französische Grundgesetz aufnehmen. Zugleich soll in der Verfassung die Möglichkeit festgehalten werden, Franzosen nach einer Verurteilung wegen terroristischer Taten auszubürgern. Insbesondere dieser Punkt sorgt seit Wochen für heftigen Streit.

Auch zahlreiche sozialistische Abgeordnete lehnen das Vorhaben ab. Bei einer Abstimmungen über den ersten Teil der Verfassungsreform – die Verankerung des Ausnahmezustands in der Verfassung – gab es am Montagabend in der Nationalversammlung zwar eine breite Mehrheit. Die Abstimmung über die Ausbürgerung verurteilter Franzosen am Dienstagabend fiel aber äußerst knapp aus: Es gab 162 Ja- und 148 Nein-Stimmen. Premierminister Manuel Valls warnte die sozialistischen Abgeordneten deswegen vor der Abstimmung über die Verfassungsreform als Ganzes, gegen das Vorhaben zu stimmen würde bedeuten, „die Regierung in Schwierigkeiten zu bringen“ und dem Präsidenten die Mehrheit zu entziehen.

Franzosen „schützen“

Hollande betonte in einer Kabinettssitzung, er „wünsche“ eine Bestätigung der Verfassungsänderung. Sie diene dazu, die Franzosen zu „schützen“. Der Fraktionschef der Sozialisten, Bruno Le Roux, sagte dem Sender France 2, er rechne mit einer breiten Mehrheit für die Verfassungsreform. Einige sozialistische Abgeordnete, die gegen die Ausbürgerung von Franzosen sind, wollen trotzdem für die Verfassungsänderung stimmen. Eine Ablehnung der Verfassungsänderung durch die Nationalversammlung wäre das Ende des Vorhabens.

Ein positives Votum würde dagegen noch lange nicht bedeuten, dass die Reform beschlossen ist: Sie müsste zunächst in den Senat. Erst wenn beide Parlamentskammern mit einfacher Mehrheit für einen identischen Text stimmen, kann Hollande einen Kongress einberufen, eine gemeinsame Sitzung von Abgeordneten und Senatoren im Schloss von Versailles. Dort ist dann eine Mehrheit von drei Fünftel der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Anerkennung der Staatsbürgerschaft

Im Streit um die Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft war im Januar Justizministerin Christiane Taubira zurückgetreten. Am Dienstagabend distanzierte sich Wirtschaftsminister Emmanuel Macron von dem Vorhaben: „Man heilt nicht ein Übel, indem man es aus der nationalen Gemeinschaft ausschließt.“ Die oppositionellen konservativen Republikaner sind gespalten, was die Verfassungsreform angeht: Parteichef Nicolas Sarkozy ist für das Vorhaben, die Ex-Regierungschefs Alain Juppé und François Fillon sind dagegen. Juppé, ein innerparteilicher Konkurrent Sarkozys, prangerte am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter eine „unnötige Reform, die spaltet,“ an.