UNO startet massive Impfkampagne

UNO startet massive Impfkampagne

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die UNO hat ihre bislang massivste Polio-Impfkampagne gestartet, um die Ausbreitung der Kinderlähmung in Syrien und der gesamten Region zu stoppen. Wissenschaftler warnen vor einer Gefahr für Europa.

In den kommenden sechs Monaten sollen 20 Millionen Kinder in dem Bürgerkriegsland und sechs weiteren Staaten immunisiert werden, teilten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das UN-Kinderhilfswerk Unicef am Freitag in Genf mit. Wissenschaftler mahnten, auch Europäer müssten besser geschützt werden.

In Syrien seien schon rund 650.000 Kinder gegen Poliomyelitis geimpft worden, darunter 116.000 im Kampfgebiet Deir al Sur im Nordosten, teilten WHO und Unicef mit. Der Erreger habe in der Region schon zehn Kinder gelähmt und bedrohe hunderttausende weitere Kinder in der Region. In den vergangenen zwölf Monaten sei der Virus in Abwasserproben in Ägypten, Israel, Westjordanland und Gazastreifen nachgewiesen worden. Und das, obwohl Polio in der Region seit fast zehn Jahren als ausgerottet galt.

Nach UN-Angaben wurden in den vergangenen zwei Jahren wegen der Kämpfe in Syrien eine halbe Million Kinder nicht gegen die hochansteckende und vor allem für die Kleinen lebensgefährliche Infektionskrankheit geimpft. Die Impfrate sei seit Beginn des Bürgerkriegs von 90 auf 68 Prozent gesunken. Der Polio-Virus befällt das Nervensystem und kann innerhalb von wenigen Stunden zur Lähmung des gesamten Körpers bis hin zum Tod führen. Übertragen wird der Erreger durch Tröpchen- oder Schmierinfektion.

„Reale“ Gefahr für Europa

Die Rückkehr der Kinderlähmung nach Europa sei eine „reale“ Gefahr, warnten Martin Eichner von der Universität Tübingen und Stefan Brockmann vom Reutlinger Kreisgesundheitsamt am Freitag in einem Beitrag für die britische Fachzeitschrift „The Lancet“. Es sei „nicht ausreichend“, wenn nur syrische Flüchtlinge geimpft würden. Auch Touristen und Geschäftsreisende könnten den Virus einschleppen. Die Wissenschaftler rechneten vor, dass nur einer von 200 infizierten Menschen die vollen Symptome entwickele, deswegen könne sich der Virus ein Jahr lang ausbreiten, bis er entdeckt werde.

Insbesondere in Regionen wie Österreich, die nur sporadisch einen sogenannten inaktivierten Polio-Impfstoff verwenden, könne die Bevölkerung nicht ausreichend geschützt sein, warnen Eichner und Brockmann. Es seien daher „umfassendere Schutzmaßnahmen“ über die Impfung syrischer Flüchtlinge hinaus notwendig. So müsse in Gegenden mit vielen syrischen Flüchtlingen eine regelmäßige Untersuchung der Abwässer auf das Polio-Virus in Erwägung gezogen werden.

Die Wissenschaftler betonen, dass anders als die Impfung mit inaktivierten Stoffen nur die Schluckimpfung einen „hohen Schutz“ gegen Infizierung und Ausbreitung biete. Weil die Impfung in raren Fällen selbst Lähmungen verursachte, ist sie in vielen EU-Ländern verboten. Kein EU-Land habe den Impfstoff auf Lager, hoben Eichner und Brockmann hervor.