Tausende Ungarn protestieren gegen Bildungsreform

Tausende Ungarn protestieren gegen Bildungsreform
(AFP/Attila Kisbenedek)

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In Budapest haben mehr als 10.000 Menschen gegen die Bildungspolitik der nationalkonservativen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban protestiert.

Zu der Kundgebung, einer der größten gegen die Regierung in den vergangenen Jahren, versammelten sich am Samstag schätzungsweise mehr als 10.000 Menschen auf den Straßen der Hauptstadt. Auf Transparenten und Schildern waren Slogans wie „Freies Land! Freie Schule!“ und „Orban raus!“ zu lesen.

In Ungarn wurden seit dem Amtsantritt von Orbans Fidesz-Partei im Jahr 2010 etliche Reformen verabschiedet, die von Kritikern als Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien gewertet wurden. Auch das Bildungssystem wurde reformiert, weil es der Fidesz als zu liberal galt.

Neben der Schaffung einer neuen staatlichen Schulaufsicht wurden ein nationaler Lehrplan geschaffen, die Unterrichtsmaterialien vereinheitlicht und eine Mindeststundenzahl für Schüler eingeführt. Die Reformen brachten Lehrer, Eltern und Gewerkschaften auf die Barrikaden.

Massenprotestbewegung

Aus dem allgemeinen Unmut wurde Ende November eine Massenprotestbewegung, als die Leitung einer renommierten Oberschule in der östlichen Stadt Miskolc einen offenen Protestbrief ins Internet stellte. Darin warnten die Pädagogen, dass das „ganze Bildungssystem in Gefahr“ und „alles ins Chaos geglitten“ sei. Den Brief unterzeichneten seither mehr als 700 Schulen und insgesamt 30.000 Lehrer und Eltern. In der vergangenen Woche marschierten bereits rund 5.000 Eltern und Lehrer durch Miskolc.

Auch am Samstag klagten wieder viele Lehrer über Überlastung und andere alltägliche Probleme. „Die Lehrer sind genauso überlastet wie die Schüler“, sagte Oliver Pilz, ein Lehrer aus Miskolc, der Nachrichtenagentur AFP. Ungarische Schüler müssten oft länger lernen als Erwachsene arbeiten. Außerdem gebe es an den Schulen oft noch nicht einmal genug Kreide.

Gewerkschaften drohen mit Streiks

Angesichts des ungewohnten Gegenwinds war das Parteienbündnis der rechten Regierung, das im Parlament in Budapest eine absolute Mehrheit hat, bereits vorsichtig zurückgerudert. Orban setzte den zuständigen Staatssekretär ab. Das Bildungsministerium lud Lehrer zu einem runden Tisch. Doch die Gewerkschaften kritisierten, die Maßnahmen seien rein kosmetischer Natur und drohten mit Streiks.

Die Demonstration am Samstag war die größte Protestkundgebung seit 2014. Damals waren zehntausende Ungarn gegen die Einführung einer umstrittenen Internetsteuer auf die Straße gegangen. Den Kritikern zufolge sollten durch die Steuer auch Regierungsgegner geschwächt werden, die das Internet als Sprachrohr nutzen. Unter dem Druck der massiven Proteste hatte Orban die Pläne schließlich auf Eis gelegt.

Wegen der umstrittenen Bildungspolitik hatte die Fidesz-Partei in Umfragen nun erneut an Zustimmung verloren. Orbans harte Linie in der Flüchtlingspolitik hat den Abwärtstrend inzwischen jedoch gestoppt. Ungarn hatte 2015 einen Stacheldrahtzaun an seiner Grenze zu Serbien errichtet, um Flüchtlinge abzuhalten. Außerdem trat eine Verschärfung der Einwanderungsgesetze in Kraft. Unerlaubter Grenzübertritt wird nun mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.