Sozialwesen: Streikvorbereitungen laufen

Sozialwesen: Streikvorbereitungen laufen
(Tageblatt-Archiv/Hervé Montaigu)

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Im Sozial- und Pflegewesen verdichten sich die Anzeichen für einen durchaus möglichen Streik. Die Vorbereitungen sind angelaufen. „D’Leit si prett“, sagt Nora Back, Vorstandsmitglied des OGBL.

Im Gesundheits- (FHL-Kollektivvertrag) und Sozial- sowie Pflegewesen (SAS- Kollektivvertrag) schwelt bekanntlich seit längerem ein Sozialkonflikt. Es geht um die Anpassung von Laufbahnen entsprechend jenen der „Fonction publique“ sowie um die Aufwertung von verschiedenen Karrieren. In Abstimmung mit den Sozialpartnern via die sog. „Commission paritaire“ hat die Regierung eine „enveloppe financière“ bewilligt … aber nichts passiert.

So stellt sich grob zusammengefasst die Situation dar, die auf den ersten Blick daher kaum verständlich scheint: Das Geld ist da, aber es kommt nicht bei den zugedachten Empfängern an.

Ab Ende Juli könnte der Weg für den Streik frei sein

Anfang März hatte Sozialversicherungsminister Romain Schneider im Tageblatt-Interview die Situation bedauert und die Sozialpartner an ihre Verantwortung erinnert (und damit im Besonderen die Arbeitgeberseite gemeint), sich ansonsten aber noch diplomatisch ausgedrückt. Im SAS-Sektor war der Konflikt mittlerweile so weit fortgeschritten, dass die Schlichtung angerufen wurde. Eine erste Sitzung vor dem Schlichtungsamt am 30. März war ergebnislos geblieben.

§Anfang April hatte ein anderes Regierungsmitglied, der ebenfalls für den öffentlichen Dienst zuständige Innenminister Dan Kersch, im Gespräch mit dem Tageblatt schon etwas härtere Töne angeschlagen und die Arbeitgeber nachdrücklich darauf hingewiesen, dass sie öffentliche Gelder (hauptsächlich vom Staat und anderen öffentlichen Quellen wie der Gesundheits- und Pflegekasse) verwalteten und sie dem damit verbundenen Auftrag nachkommen sollten.

In der diese Woche erschienenen Ausgabe von „OGBL Aktuell“ bekräftigt die federführende Gewerkschaft im Sektor noch einmal ihren Standpunkt und erinnert daran, dass Ende Juli die gesetzliche Frist von 16 Wochen abläuft, und der OGBL dann das Scheitern der Schlichtung beantragen könnte – der Weg für einen Streik wäre dann frei. Der OGBL-Vorstand hat im Übrigen dem zuständigen Syndikat „Santé, Services sociaux et éducatifs“ bereits das Mandat erteilt, diesen Weg zu beschreiten.

„Die Gespräche mit dem Arbeitgeberverband FHL liefen konstruktiver als im SAS-Bereich“, heißt es weiter in der OGBL-Zeitung … ehe in einer Sitzung am 29. März „die Positionen wieder auseinanderliefen“. Demnach laut OGBL auch hier längst nicht alles im Lot, „weitere gewerkschaftliche Aktionen sind geplant“.

„Manchen geht es sogar nicht schnell genug“

Zurück zum Sektor „d’aides et de soins et du secteur social“ (SAS): Vor der nächsten Schlichtungs-Sitzung am 26. April befeuerte die Arbeitgeberseite am Mittwoch den Konflikt erneut mit einer Pressemitteilung, der wenig später die Antwort vom OGBL folgte.

Die Aussichten auf Einigung scheinen demnach im Moment tatsächlich sehr gering. Auf Nachfrage bestätigte die zuständige Gewerkschaftssekretärin Nora Back, ebenfalls OGBL-Vorstandsmitglied, denn auch das, was die sozialen Netzwerke kaum mehr verheimlichen: Die Streikvorbereitungen laufen.

„D’Leit si prett“, so Back gegenüber dem Tageblatt, „sie warten regelrecht darauf und manchen geht es sogar nicht schnell genug.“ Das habe nicht zuletzt der in letzter Minute durch Regierungsvermittlung abgewendete Streik in einem Bettemburger Altenheim gezeigt. Und natürlich die große Demo im Juni 2016 mit rund 9.000 Teilnehmern.

Spezielle Situation in sensiblem Sektor

Ein Streik in einem so sensiblen Sektor sei natürlich speziell, erklärt Nora Back. Vielen Arbeitnehmern liege das Wohl der betreuten Menschen am Herzen, das allerwichtigste Anliegen sei, den Job gut zu machen und niemanden im Stich zu lassen: „Da kann es schon schwerfallen, die Arbeit niederzulegen.“

Genau dies mache aber auch die Stärke des Sektors aus: Ein Streik wäre ein gesellschaftliches Problem, hätte zudem große wirtschaftliche Auswirkungen (geschlossene Kinderbetreuungsstätten).

Viel Überzeugungsarbeit sei bereits geleistet worden und bei entsprechender Vorbereitung zum Aufrechterhalten von wichtigen Mindest-Dienstleistungen geht Nora Back von einer großen Beteiligung an einem möglichen Streik aus.