Sozialisten vor der Machtübernahme

Sozialisten vor der Machtübernahme
(dpa)

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Mit einer rauschenden Partynacht hat die französische Linke den Wahlsieg von François Hollande gefeiert. Nun wird die Machtübernahme am 15. Mai vorbereitet. Das Geschacher um die Regierungsposten beginnt.

Der Fahrplan für die Machtübergabe in Frankreich steht: Der konservative Wahlverlierer Nicolas Sarkozy wird das Präsidentenamt am Dienstag kommender Woche an den Sozialisten François Hollande übergeben. Bei den französischen Linken herrscht 17 Jahre nach dem Ende der Ära Mitterrand erstmals wieder echte Aufbruchstimmung. Die Pariser Börse startete nach dem Wahlsonntag mit deutlichen Verlusten in die Handelswoche, machte sie aber bis zum Mittag wieder wett.

Es gilt als sicher, dass der 57 Jahre alte Hollande direkt nach seiner Amtseinführung einen neuen Premierminister und anschließend sein künftiges Kabinettsteam präsentieren wird. Zudem steht eine Reise nach Berlin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Der Sozialist erhielt noch am Sonntagabend eine Einladung der Bundesregierung. Die Kanzlerin hatte im Wahlkampf Sarkozy unterstützt.

Premiere nach 17 Jahren

Mit François Hollande wird erstmals seit dem Ende der Mitterrand-Ära vor 17 Jahren wieder ein Sozialist Präsident in Frankreich. Der langjährige Parteivorsitzende hatte am Sonntag die Stichwahl gegen Sarkozy gewonnen. Nach dem vorläufigem Endergebnis kam er auf 51,62 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 80,34 Prozent und damit etwas unter der vor fünf Jahren.

Auffällig war der mit 5,8 Prozent relativ hohe Anteil der ungültigen Stimmzettel. Er wurde auf Protestwähler zurückgeführt. In der ersten Wahlrunde mit zehn Kandidaten hatte am 22. April die Rechtspopulistin Marine Le Pen knapp 18 Prozent der Stimmen geholt. Sie hatte nach ihrem Ausscheiden keine Wahlempfehlung gegeben, sondern nur gesagt, dass sie selbst einen leeren Stimmzettel abgeben werde.

„Jugend und Gerechtigkeit“

Hollande ließ sich in der Nacht bei einer riesigen Freiluft-Party auf dem geschichtsträchtigen Pariser Bastille-Platz feiern. Zehntausende Anhänger hatten sich dort versammelt, wo 1789 die Französische Revolution ihren Anfang genommen hatte.

In einer kurzen Rede dankte Hollande seinen Wählern für das Vertrauen. „Ich weiß nicht, ob Ihr mich versteht. Aber ich habe Euch verstanden“, rief er der jubelnden Menge von einer Bühne mit heiserer Stimme zu. Er habe den Wunsch nach Veränderung vernommen und werde der Präsident der Jugend und Gerechtigkeit sein.

Hollande forderte seine Anhänger zudem auf, sich auch für einen Sieg der Linken bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Juni zu engagieren. Als Präsident brauche er in der ersten Kammer des Parlaments eine Mehrheit. Der 57-Jährige erinnerte an den 10. Mai 1981. Damals vor 31 Jahren hatte die Linke am Bastille-Platz den Wahlsieg von François Mitterrand gefeiert. Er war bis 1995 der erste und bislang einzige direkt gewählte sozialistische Präsident Frankreichs gewesen.

Ringen um Regierungsposten

Mit Spannung wird erwartet, welche Auswirkungen der Machtwechsel in Paris auf die Europa- und Wirtschaftspolitik des Landes haben wird. Hollande will sich für einen deutlich weniger harten Sparkurs in der Eurokrise einsetzen. „Der 6. Mai wird ein neuer Start für Europa sein, eine neue Hoffnung für die Welt“, sagte er in seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg. Auf dem Bastille-Platz rief er wenig später erneut zum Wandel in Europa auf.

Der italienische Regierungschef Mario Monti kündigte an, mit Hollande eng für mehr Wachstum in Europa zusammenzuarbeiten. Ziel sei eine „immer effizientere und auf Wirtschaftswachstum ausgerichtete Union“. Der britische Premierminister David Cameron kündigte ebenfalls eine sehr enge Zusammenarbeit mit Hollande an. Während eines Besuchs in Paris im Februar hatte der Konservative den Sozialisten nicht getroffen.

Hollande trifft Sarkozy

Zu einem außergewöhnlichen Treffen zwischen dem Wahlverlierer und Wahlgewinner soll es an diesem Dienstag kommen. Die beiden Kontrahenten wollen gemeinsam an einer Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkrieges teilnehmen. Sie findet an einem Denkmal für den Widerstandshelden General Charles de Gaulle an den Pariser Champs-Elysées statt.

In den Medien zirkulierten am Montag bereits etliche Namen von Politikern, denen gute Chancen in der künftigen Regierung zugesprochen werden. Als großer Favorit für das Amt des Premierministers wird Hollandes Sonderberater Jean-Marc Ayrault gehandelt. Der ehemalige Deutschlehrer und langjährige Fraktionschef der Sozialisten in der Nationalversammlung gilt als moderate Alternative zu Parteichefin Martine Aubry. Zudem werden ihm gute Drähte nach Berlin nachgesagt.

Weitere mögliche Kandidaten für Spitzenposten in der neuen französischen Regierung sind Ex-Premierminister Laurent Fabius (Außenminister) und Hollandes Kommunikationschef Manuel Valls (Innenminister). Die ganz junge Generation könnte unter anderen von der 34 Jahre alten Najat Vallaud-Belkacem repräsentiert werden. Sie war eine Pressesprecherin des erfolgreichen Sarkozy-Herausforderers.