Risse zwischen Berlin und Paris

Risse zwischen Berlin und Paris
(AP/Francois Walschaerts)

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Unterschiedliche Auffassungen zeigen sich zwischen Berlin und Paris in der Griechenland-Frage. Präsident Hollande sieht eine Chance zur Profilierung.

Man müsse eine Einigung jetzt finden, noch vor dem Referendum, danach sei es überflüssig, sagte Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande in Lyon nach einem Besuch eines Unternehmens. Hollande positionierte sich so erneut in der Rolle des Vermittlers zwischen Griechenland und dem Rest der Eurozone.

Der französische Staatspräsident setzte sich mit seiner Äußerung erneut in einen Gegensatz zu der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Die nämlich sagte zur selben Zeit vor den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, dass Verhandlungen und ein Kompromiss vor dem Referendum in Griechenland am kommenden Sonntag nicht möglich seien. „Wir sind stark genug“, sagte sie, und spielte darauf an, dass die Staaten der Eurozone in der Lage seien, jedes Ergebnis des Referendums zu verkraften. Staatspräsident Hollande aber will eigentlich das Referendum vermeiden. „Wenn wir jetzt ein Ergebnis erzielen, dann brauchen wir das Referendum nicht “, sagte er.

Unterschiedliche Wege

Hollande und Merkel sind damit erneut auf zwei unterschiedlichen Wegen unterwegs, die sich aus der unterschiedlichen Position beider Länder erklären. Hollande als Staatspräsident mit quasi unbeschränkter Macht kann schalten und walten wie er will, nötigenfalls sogar das Parlament auflösen. Die Nationalversammlung in Paris hat nur eine beschränkte Souveränität. Die deutsche Kanzlerin aber braucht ein Verhandlungsmandat.

Die zweite Rettungsrunde für Griechenland ist am 30. Juni ausgelaufen. Regierungschef Tsipras hatte sie mit der Bemerkung beendet, dass Griechenland keine weiteren Kredite brauche. Was immer jetzt an neuen Krediten für Griechenland beschlossen werden muss, ist ein drittes Verhandlungsmandat. Dafür benötigt Kanzlerin Merkel, aber nicht nur sie, ein Mandat des Deutschen Bundestages. Das hat sie nicht. Das würde derzeit auch nur schwierig zu erhalten sein, da aus ihrer Fraktion der CDU/CSU gut 100 Abgeordnete dagegen sind. Ihre Position ist daher verfassungsmäßig begründet. Das deutsche Verfassungsgericht hat gerade in der Europapolitik und in der Übertragung von Souveränitätsrechten Deutschlands auf Europa das System der parlamentarischen Demokratie durch eine deutliche Stärkung der Rechte des Bundestages aufgewertet. Angela Merkel darf das, was der Bundestag ihr erlaubt und muss Ergebnisse ratifizieren lassen. Daraus entwickelt sich ihre Stärke in Europa und ihre häufig als mangelhaft erscheinende Flexibilität.

Wahlkampf 2017

Der französische Staatspräsident hingegen spielt anders. Er hatte von Beginn seiner Präsidentschaft an versucht, eine Mittelmeer-Allianz gegen Deutschland aufzubauen. Das war ihm beim Beschluss über den Stabilitätspakt gelungen, als er den schwach erwähnten Bereich der Wachstumspolitik in den Vordergrund stellte und Berlin damit überrumpelte. Daraus hatte Merkel gelernt und Länder wie Italien, Spanien, Portugal von einer Spar- und Entschuldungspolitik überzeugen können. Das fiel ihr um so leichter, als Frankreich sich zu einer konsequenten Reformpolitik bis heute nicht überzeugen ließ und von einer stetig steigenden Verschuldung lebt, die nun bei 97,5 Prozent der Wirtschaftsleistung angekommen ist. Hollande machte dabei dieselbe Erfahrung wie sein Vorgänger Nicolas Sarkozy, der ebenfalls zunächst versucht hatte, eine Europapolitik gegen Berlin zu machen.

Hollande hat Schwierigkeiten im eigenen Land. Er versucht bereits, seine Wiederwahl im Jahre 2017 vorzubereiten und hat im Grunde auch schon seinen Wahlkampf begonnen. Die notwendige Profilierung in der Europapolitik sucht er nun wieder in der begrenzten Auseinandersetzung mit der deutschen Kanzlerin. Dabei weht der Wind längst aus anderen Ecken, die in Frankreich (noch) nicht bemerkt wurden. Finnland, die Slowakei, Slowenien, die baltischen Staaten, die erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um sich zu reformieren und um eine Stabilitätspolitik zu verwirklichen, haben sich längst gegen die griechische Hin- und her Politik gewendet. Gerade diese „kleinen Länder“ sind heute wie Deutschland von ihren Parlamenten abhängig, die ihren Regierungen Verhandlungsmandate geben müssen.

Frisches Geld

Schwierigkeiten wird der Präsident im eigenen Land auch mit seinem Notenbank-Präsidenten bekommen. Die griechische Regierung hat am 30. Juni nicht nur die Rate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht bezahlt. Sie hat auch eine im Jahre 1993 aufgelegte Anleihe von 470 Millionen nicht zurück gezahlt, die fällig gewesen wäre. Stattdessen hat sie Garantien auf zukünftige Gewinne der griechischen Notenbank für die Anleihe verpfändet. Die griechische Notenbank sitzt nun also auf der Anleihe und darf sie selber durch ihre Gewinne bezahlen. Da Griechenland auf diese Weise Schulden des europäischen Systems nicht bezahlt hat, ist das Land auch gegenüber der EZB zahlungsunfähig geworden. Der Stopp weitere Zahlungen, der nun von der Europäischen Zentralbank erfolgt ist, ist folgerichtig. Der französische Notenbank-Gouverneur Christian Noyer wird Francois Hollande erklären müssen, dass weitere Zahlungen an Griechenland keinen Sinn machen.

Griechenland braucht frisches Geld, um alte Schulden zu bezahlen. Die über 200 Milliarden Euro Kredite, die das Land in den vergangenen fünf Jahren erhalten hat, sind alle nicht zum Aufbau des Landes verwendet worden, sondern zur Rückzahlung von Krediten und zur Zahlung von Löhnen und Renten. Während Hollande mit seinen Wunsch nach einer schnellen Lösung dieses System perpetuiert, wird die öffentliche Meinung in Deutschland längst darauf vorbereitet, dass man 80 Milliarden Euro Griechenland-Kredite wohl abschreiben darf und dass man den griechischen Schulden grundsätzlich zu Leibe rücken muss. Von dieser Diskussion ist Frankreich noch entfernt.

Würde Hollande mit einem Griechenland-Plan herausrücken, der das Schuldenproblem angeht, der einen Staatsaufbau in Griechenland vorsieht, den es derzeit nicht gibt und würde er Regierungschef Tsipras davon überzeugen können, dann hätte er gegenüber Berlin die Trümpfe in der Hand, die er derzeit so verzweifelt mit kurzsichtigen Ideen sucht.

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