Politischer Sturm in Frankreich

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Die Lösung, die Frankreichs Premierminister Ayrault und Lakshmi Mittal gefunden haben, löst in Frankreich einen politischen Sturm aus.

Es wurde laut im Hof des Sitzes des französischen Premierministers. „Die CGT wird dieses Ergebnis nicht akzeptieren“, schrie Sekretär Yves Fabbri in die Kameras. Hier wird einer Politik der Zerstörung gemacht.“ Gute zwei Stunden hatte das Treffen von Frankreichs Premierminister Jean-Marc Ayrault mit den Gewerkschaftsvertretern aus dem lothringischen Florange gedauert. Dann war klar, dass die französische Regierung an dem Abkommen mit dem Stahlhersteller ArcelorMittal zu Florange nichts ändern würde.

Die französische Regierung hält an dem Abkommen mit ArcelorMittal fest. (Foto: AFP)

Der CFDT Sekretär Edouard Martin , sonst für laute Worte zuständig, zeigte sich sachlich und entschlossen. „Diese Vereinbarung ist nicht teuer für Arcelormittal“, sagte er. „Wir haben vereinbart, dass die Arbeitsverwaltung die Zahl ihrer Mitarbeiter verstärkt, um sich um die Mitarbeiter der Zulieferer der Hochöfen zu kümmern, die sich nun auf der Straße befinden. Ich glaube nicht, dass das Unternehmen seine Hochöfen für sechs Jahre einmotten wird. Am 30. März 2013 werden sie ausgeblasen. Der Premierminister hat das Blatt gewendet. Es wird keine Übernahme geben. Die Präsidentin des Arbeitgeberverbandes hat gewonnen. Aber seien Sie sicher: das gallische Dorf des Widerstandes befindet sich ab sofort in Florange.“ (Anspielung auf Asterix und Obelix. Anm. d. Red.)

180 Millionen Euro

Die umstrittene Einigung zwischen ArcelorMittal und der französischen Regierung sieht vor, dass das Unternehmen die Hochöfen einmottet. Es soll keine Entlassungen geben. ArcelorMittal soll 180 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren in die Kaltphase – sprich in die Walzstraßen – investieren. Die Weißblechherstellung soll mit 600 Arbeitsplätzen gesichert werden.

Diese Lösung ist in Frankreich politisch stark umstritten. Eine Reihe von Ministern ist unzufrieden. Sie traue Mittal nicht über den Weg, sagte die französische Kulturministerin Aurelie Filippetti im französischen Rundfunksender France Inter bei der Eröffnung der Zweigstelle des Louvre im nordfranzösischen Industriegebiet in der Stadt Lens.

Liebling der nord-lothringischen Politik

Aurelie Filippetti kommt aus Villerupt in Lothringen, knapp zehn Kilometer von der luxemburgischen Grenze entfernt. Als ihr Wahlkreis im Rahmen einer Reform aufgelöst wurde, erhielt sie einen in Metz und gewann ihn als Sozialistin in einem konservativen Umfeld. Aurelie Filippetti ist der Liebling der nord-lothringischen Politik. Sie hatte sich für die Verstaatlichung des Stahlwerks von Florange ausgesprochen und ist auch weiterhin dafür. Sie kenne Mittal seit vier Jahren, sagte sie weiter. Er habe nie eine Zusage eingehalten. Minister Arnaud Montebourg, der die Verstaatlichung der Anlage von Florange ins Spiel gebracht hatte, soll sich bei dem Gespräch zwischen Regierung und Gewerkschaften schweigsam verhalten haben.

Der CFDT Gewerkschaftsführer in Florange, Edouard Martin, verlangt über die Äußerungen nach dem Gespräch hinaus, dass man Florange und Mittal unter Kuratel stellen und jede seiner Handlungen in Florange genauestens beobachten muss. Außerdem müsse man genau darauf achten, dass Mittal die Absprachen mit der französischen Regierung beobachten. Premienminister Ayrault habe sich von Mittal über den Tisch ziehen lassen, sagte Martin.

Keine Konkurrenz zu ArcelorMittal

Der sozialistische Abgeordnete Michel Liebgott aus dem Wahlkreis Florange, der sich am Donnerstag mit weiteren Mandatsträgern aus Lothringen bei Prenmierminister Ayrauilt einfindet, sieht die Einigung sachlich, ist in der Sache aber nicht konzilianter. Wenn Mittal die Absprachen nicht einhalte, dann könne man immer noch verstaatlichen, sagt er. Die Situation in Frankreich sei auch nicht gut. Es gäbe nur ArcelorMittal als Stahlhersteller. Es gäbe keine Konkurrenz. Wenn man das Stahlwerk von Florange verstaatliche, dann würde man Konkurrenz schaffen und könne möglicherweise sogar die Preise drücken. Liebgott verweist darauf, dass das vom Staat angeforderte Gutachten beweise, dass das Stahlwerk in Florange lebensfähig sei. Auffassungen, die seit Mittwoch Abend nicht mehr der Realität entsprechen.

Ayrault unter Druck

Der französische Premierminister Jean Marc Ayrault gerät insbesondere vom linken Flügel der Sozialisten immer stärker unter Druck wegen Florange. Der von Industrieminister Arnaud Montebourg angebotene Übernahmekandidat sei nicht überzeugend gewesen, hatte Ayrault argumentiert. In der französischen Wirtschaftspresse wird darauf hingewiesen, dass es sich nicht um ein ausgearbeitetes Angebot gehandelt habe. Das aber wird bei den Sozialisten nicht zur Kenntnis genommen.

Der französische Geschäftsmann Bernard Serin ist Vorsitzender des Fußballclubs FC Metz. Er ist Chef des wallonischen Metallbetriebes CMI und hat in Florange gearbeitet. CMI ist ein Ableger von ArcelorMittal, von dem das Unternehmen sich getrennt hat. Serin hat das Unternehmen saniert und beschäftigt heutzutage 3.400 Mitarbeiter. CMI macht einen Umsatz von 720 Millionen Euro, aber nur 20 Millionen Euro Gewinn. Einer Meldung der lothringischen Regionalzeitung Républicain Lorrain zufolge sollte der russische Stahlhersteller Severstal Minderheitspartner von Serin werden. Das Problem: Der Wert des Stahlwerks liegt bei einer Milliarde Euro, wurde am Mittwoch in der Assemblée Nationale bestätigt. Und: Serin wollte 400 bis 500 Millionen in das Stahlwerk investieren. Premierministrer Ayrault sah das nicht als gesichert an. In der Nationalversammlung am Mittwoch war der Beifall für Ayrault spärlich, der Applaus für den Antoglobalisten Montebourg, der die Verstaatlichung ins Spiel gebracht hatte, stark.

Die Äußerungen von Ayrault gegenüber den Gewerkschaften haben Klarheit gebracht. Ruhe wird es in Florange deswegen noch lange nicht geben.