Paria oder Partner Israels?

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Die Hamas im Gazastreifen gibt sich zu ihrem 25. Geburtstag gewohnt kämpferisch. Die Befreiung ganz Palästinas und damit die Auslöschung Israels soll es sein. Die Taten aber sprechen eine andere Sprache.

Die „grüne Fahne Allahs über ganz Palästina“ aufzuziehen und „Juden zu töten“, das sind erklärte Ziele der im Gazastreifen herrschenden radikal-islamischen Hamas. Zumindest werden die Führer der sunnitischen Organisation nicht müde, diese in der Gründungscharta genannten „heiligen Pflichten“ immer wieder zu beschwören.

Chaled Maschaal, der Exilchef der radikal-islamischen Hamas.

So wie am Samstag ihr Exil-Chef Chaled Maschaal bei den Feiern in der Enklave aus Anlass des 25. Gründungstages der Hamas. Nachdem er vor Zehntausenden Anhängern – die Hamas sprach von einer halben Million – einer großen Raketen-Attrappe auf dem Podium entstiegen war, stellte Maschaal das Existenzrecht Israels in Frage: „Palästina von der See (Mittelmeer) bis an den Fluss (Jordan), vom Norden bis in den Süden ist unser Land“.

Annäherung ist möglich

Zugleich aber will der 56-Jährige mit dem silbergrauen Bart die Aussöhnung mit der palästinensischen Konkurrenzorganisation Fatah. Und auch ein pragmatisches Nebeneinander mit Israel scheint für ihn nicht ausgeschlossen. Die Hamas, die früher Selbstmordattentate gegen Israelis verübte und noch im November israelische Städte mit Raketen beschoss, befindet sich damit in einem Spannungsfeld, in dem sie sich zu einem Partner Israels entwickeln oder aber auch zerbrechen könnte.

Maschaals Äußerungen und die seiner Mitstreiter spiegeln dies wider. „Heute versammeln wir uns in Gaza, morgen werden wir uns in Ramallah, Hebron, Nabuls (Städte im Westjordanland) und in Jerusalem (Israels erklärte Hauptstadt) treffen und dann werden wir durch Safed, Jaffa und Tel Aviv (Städte in Israel) gehen“, sagte er bei einem Besuch des Hauses von Hamas-Gründer Scheich Ahmed Jassin, der 2004 von Israel getötet worden war. „Wir alle werden in unsere Häuser, Städte und Dörfer zurückkehren“, beschwor er ein Ziel, das selbst für viele Palästinenser mehr Traum als reale Möglichkeit ist.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und die zu ihr gehörende Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die nach ihrer Vertreibung 2007 durch die Hamas aus dem Gazastreifen nur noch im Westjordanland regiert, haben sich von dieser Wunschvorstellung schon 1993 verabschiedet und Israel akzeptiert. Dennoch will die Hamas jetzt die Aussöhnung.

Appell nach Einigkeit

„Wir wollen diesen Besuch (Maschaals) zu einem Signal der Einheit machen und das Kapitel des Streits und der Spaltung abschließen“, sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri fast zeitgleich zu Maschaals kämpferischen Worten. Tatsächlich erlaubte die Hamas, deren Position durch den achttägigen blutigen Schlagabtausch mit Israel Ende November gestärkt erscheint, erstmals wieder Fatah-Veranstaltungen und lud lokale Anführer zur Begrüßung für Maschaal ein. „Ich hoffe, dass Fatah die Botschaft versteht und diese Chance zur Versöhnung nutzt“, fügte Abu Suhri hinzu.

Die Fatah aber kooperiert mit Israel und Abbas hat gerade erst die Anerkennung Palästinas als UN-Beobachterstaat erreicht. Maschaal hatte dies überraschend unterstützt, obwohl er damit indirekt den Anspruch auf ganz Palästina schwächte.

„Ich glaube, die Hamas wird bald in ein Dilemma geraten: Welche Rolle will sie spielen, wenn es Gespräche zur Beilegung des Konflikts mit Israel geben sollte?“, beschreibt Nadschi Schurab, Politikprofessor an der Al-Ashar-Universität in Gaza, die Lage der Hamas. „Ihre Führung diskutiert, wie sie politisch aktiver werden könnte, ohne sich an Gesprächen mit Israel beteiligen und ohne Friedensvereinbarungen akzeptieren zu müssen.“ Bei der Umsetzung des Waffenstillstandes mit Israel kooperiert sie jedoch seit Wochen ungewöhnlich eng mit dem Erzfeind.