Olympisches Feuer als Stimmungs-Test für Rio

Olympisches Feuer als Stimmungs-Test für Rio
(AFP)

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Am Donnerstag wird das Olympische Feuer an historischer Stätte in Griechenland entzündet. Für Olympia-Gastgeber Brasilien beginnt mit der anschließenden Fackel-Stafette auch ein Stimmungs-Testlauf für die Sommerspiele.

Die Olympiamacher in Rio de Janeiro setzen weiter fleißig grüne Häkchen hinter Wettkampfstätten und Testevents und haben dennoch gut 100 Tage vor dem Start der Sommerspiele ein mulmiges Gefühl. Inmitten einer schweren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise in Brasilien zeigt das Stimmungsbarometer im Land auf Tief. „Die Spiele sind noch nicht im Bewusstsein der Menschen“, klagt Sportminister Ricardo Leyser.

Ankunft am 3. Mai

Das soll sich ab diesem Donnerstag ändern, wenn im altgriechischen Götter-Hain Olympia, Austragungsort der Antiken Spiele, das Olympische Feuer entzündet wird. Vom Tempel der Hera aus nimmt die Fackel ihren Weg quer durch Griechenland, dann in die Schweiz nach Lausanne, Sitz des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), ehe am 3. Mai mit der Ankunft in der Hauptstadt Brasilia die rund 20.000 km lange Stafette und der Testlauf für die Olympiastimmung im brodelnden südamerikanischen Subkontinent beginnt.

Seit Sonntag ist dabei mehr als fraglich, ob Staatspräsidentin Dilma Rousseff Präsenz zeigt. Das brasilianische Abgeordnetenhaus hat mit nötiger Zweidrittelmehrheit den Weg für ein Amtsenthebungsverfahren gegen das Regierungsoberhaupt freigemacht. Die Entscheidung liegt nun bei der zweiten Kammer, dem Senat. Noch am Sonntagabend feierten viele Dilma-Gegner auf Straßen und Plätzen euphorisch das Ergebnis, nicht wenige sprechen aber erbost von einem Putsch. Das Land ist gespalten.

„Uns wäre ein anderes Ambiente lieber. Aber wir haben für alle Szenarien Notfallpläne. Bis zu den Spielen hoffen wir, dass sich die Lage wieder beruhigt“, bekannte schon vor wenigen Tagen Roberto Alzir, einer der Verantwortlichen für die Sicherheitsplanungen vor und während der Sommerspiele sowie der Paralympics im September.

„Worst-Case“-Szenario

Das Worst-Case-Szenario schließt nach den jüngsten Attentaten in Paris und Brüssel selbst terroristische Anschläge nicht aus, zumal die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auch von brasilianischen Jugendlichen Zulauf erhält. Im vergangenen November hatte der nationale Geheimdienst ABIN eine wirre Botschaft im Internet-Profil eines IS-Kämpfer abgefangen. „Brasilien, ihr seid unser nächstes Ziel. Wir können dieses Sch…land angreifen“, hieß es in der Kampfansage.

Der landesweite Fackelzug durch über 300 Städte mit medialer Aufmerksamkeit bietet eine ideale Projektionsfläche für Unmut und Unruhe. So war es im Vorfeld der Spiele 2008 in Peking auf der weltweiten Route immer wieder zu Sabotageakten aus Protest gegen Chinas Menschenrechtspolitik gekommen. Das IOC beschloss daraufhin, fortan den Fackellauf auf das jeweilige Gastgeberland zu beschränken. Und fürchtet jetzt in Brasilien wegen der heiklen Gemengelage ein Déjà-vu.

IOC-Präsident Thomas Bach jedenfalls glaubt weiter an erfolgreiche Spiele. „Wir wissen, dass die aktuelle Situation eine Herausforderung für die letzten Vorbereitungen bedeutet. Aber ich bin weiter überzeugt, dass die Spiele wahrhaft spektakulär werden“, sagte Bach am Dienstag beim SportAccord-Kongress in Lausanne/Schweiz. „Die Olympischen Spiele genießen die starke Unterstützung der Menschen in Brasilien. Zudem können die Organisatoren auf die Solidarität der olympischen Familie und der Sportwelt zählen“, sagte Bach.

Test für Olympia

Rousseff betonte am Dienstag ebenfalls, die Vorbereitungen liefen weiterhin nach Plan. Beim finalen Besuch der IOC-Koordinierungskommission für Rio 2016 versprach die Kommissionsvorsitzende Nawal El Moutawakel vor wenigen Tagen ebenfalls: „Wir gehen mit unserer Arbeit weiter voran, trotz des komplexen politischen und wirtschaftlichen Umfeldes.“

Dass die olympischen Arenen fast alle fertig sind, dass die Testevents abgesehen vom Problemfall Velodrom und den üblichen Mängeln durchweg vielversprechend ablaufen, interessiert aber keinen. Das Land steckt in tiefer Depression und Rezession. Die Enttäuschten gehen wieder auf die Straße, der Gigant erwacht. Die Stafette der Fackel ist daher auch ein emotionaler Test für Olympia.