Marine Le Pen und die Djihadisten

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(AP)

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Es gibt in Frankreich wohl keine Person, für die das Attentat von Toulouse strategisch so günstig fällt wie für Marine Le Pen. Oder, wie die extreme Rechte Frankreichs das Attentat von Toulouse für sich nutzt.

Sollte sich der kaltblütige Mörder der jüdischen Kinder, eines Rabbiners und dreier Fallschirmjägern tatsächlich als Taliban-Kämpfer herausstellen, wird die Spitzenkandidatin der rechtsextremen Front National (FN) ihre antimuslimischen Tiraden besser als je zuvor verkaufen können.
Die Popularität der Partei, die rund vier Wochen vor der Wohl auf 15 Prozent der Stimmen geschätzt wird, basiert vor allem auf ihren Angriffen gegen andere Kulturen und Religionen.

Der Schrecken von Toulouse, der Frankreich seit mehreren Tagen in Atem hält und alle anderen Nachrichten verdrängt, könnte den Erfolg der FN am 22. April entscheidend beeinflussen.
Ohne die Tragödie von Toulouse hätte sich der Wahlkampf auf den sozialistischen Spitzenkandidaten Francois Hollande und den Konservativen Nicolas Sarkozy zugespitzt. Auch wenn Le Pen, der bürgerliche Politiker Francois Bayrou und der links-kommunistische Kandidat Jean Luc Melenchon jeweils auf zweistellige Ergebnisse am ersten Wahlsonntag hoffen konnten, so war das Duell zwischen Hollande und Sarkozy im zweiten Durchgang schon so gut wie sicher.

Nun hat sich das politische Interesse komplett gewandelt: Die bisherigen Medienschlager Vermögenssteuer, öffentlich geförderte Arbeitsplätze und der Schutz der französischen Industrie sind verstummt. „In einer Krisen-Situation suchen die Wähler nicht mehr nach einem bodenständigen Maurer, der das Land solide regiert, sondern nach einem Feuerwehrmann, der Sicherheit verspricht“, sagt der französische Politikwissenschaftler Gael Sliman vom Meinungsforschungsinstitut BVA.

Thema Sicherheit kocht

In früheren Umfragen hätten die Franzosen als ihre größte Sorge die Arbeitslosigkeit und die Verschuldung des Landes angegeben. Beides Themen, bei denen Hollande ein sehr viel größeres Vertrauen genießt als Sarkozy. Nun aber, so Sliman, könne das bislang eher als unwichtig eingestufte Thema Sicherheit ganz nach oben kommen und den Hardliner Sarkozy und die Frontfrau Le Pen stärken.
Denn nun wird es für Marine Le Pen ein Leichtes sein, in den kommenden Wochen auf ihrer ausländerfeindlichen Klaviatur zu spielen. Mit dem Schrecken über den möglicherweise islamistischen Attentäter im Kopf fallen ihre verbalen Ausfälle gegen Muslime auf fruchtbaren Boden.

Le Pen hatte schon in den ersten Monaten ihrer Kampagne versucht, Stimmung zu machen, und immer wieder wandte sie sich dabei wie einst ihr Vater Jean-Marie Le Pen gegen Muslime, die wie „Karnickel“ auf den Straßen von Paris gen Mekka beteten, weil sie nicht über ausreichend Räume in Moscheen verfügen.

Eine Entschuldigung gefordert

Diese von Le Pen meist mit wutenbrannter Stimme vor ihren Anhängern vorgetragenen Reden fanden in den Medien nur einen kleinen Widerhall. Nun aber ist Le Pen auf allen Kanälen: Umgehend sagte sie am frühen Mittwochmorgen, der „Islamismus sei unterschätzt worden“ und Frankreich haben ein großes Problem mit dem Islam. Dabei geht die Partei zugleich strategisch vorsichtig vor, um nicht als unmoralischer Kriegsgewinnler zu gelten: Nur Marine Le Pen darf sich zu den Ereignissen äußern. Das beugt früheren Skandalen in der Partei vor, als sich weniger rhetorisch geschulte Mitglieder allzu drastisch gegen den Islam und damit gegen viele Millionen muslimische Franzosen wandten.

Mit ihren politischen Gegnern allerdings geht Le Pen nun nach Gutdünken um: Am Mittwoch verfasste sie eine Pressemitteilung und adressierte sie an „die Mistkerle“, die die Front National einen Tag zuvor für extremistisches Gedankengut verantwortlich gemacht hätten. Le Pen verlangte eine Entschuldigung. Ganz offensichtlich fühlt sich die rechtsextreme Kandidatin nun unantastbar. Auch von den französischen Medien und ihren Reaktionen wird es nun abhängen, ob der Rückenwind für die Front National bis zur Wahl anhält.