„Luxemburg muss so visionär und vorausschauend bleiben wie bisher“

„Luxemburg muss so visionär und vorausschauend bleiben wie bisher“
(Tageblatt-Archiv/Hervé Montaigu)

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Zur Hälfte der Legislaturperiode traf das Tageblatt Etienne Schneider für eine Zwischenbilanz. Gesprächsstoff gibt es mit dem Luxemburger Vizepremier, Wirtschafts-, Verteidigungs- und Polizeiminister mehr als genug, auch zu seiner Partei LSAP gibt es manches zu sagen.

Schneider sieht den Regierungskurs bestätigt, auch wenn er Fehler einräumt: Was den „Zukunftspak“ angeht die Art und Weise, was das Referendum angeht v.a. das Timing. Wir blickten aber nicht nur zurück, sondern auch voraus. Ein Auszug aus dem Interview.

Tageblatt: Wie viel Prozent des Koalitionsabkommens würden Sie als abgehakt bezeichnen? Was bleibt das Wichtigste auf der To-do-Liste?

Etienne Schneider: Das ist eine schwierige Frage, ich würde mal sagen: bis Ende des Jahres sind alle heiklen Dossiers entweder abgehakt oder zumindest auf dem Instanzenweg. Wichtig ist deshalb erstens, alles so schnell wie möglich durch den Instanzenweg zu bekommen.

Dann die Ausarbeitung des Budgets 2017, mit der Umsetzung der Steuerreform.

Und schließlich unsere Vision für Luxemburg, an der wir seit Amtsantritt arbeiten und die Sie ja bereits im Gespräch mit François Bausch erörtert haben (Link). Diese wird im Herbst von uns bei verschiedenen Gelegenheiten, die ich ja nicht mehr aufzählen muss, dargelegt. Es geht darum, wie wir Wachstum sehen in Luxemburg, wie wir eine wachsende Bevölkerung managen, ohne dass dies negative Konsequenzen für die Lebensqualität hat. Wir brauchen keine Angst zu haben vor Wachstum, und wir brauchen auch keine Angst zu haben vor Bevölkerungswachstum. Das Wie ist entscheidend, da ist Landesplanung wichtig, der Rifkin-Prozess, wie steht es um unsere Wettbewerbsfähigkeit etc. „Dat kënnt alles bis November op d’Tapéit.“

Wir haben mit einem Zukunftstisch auch nicht auf die CSV gewartet, von denen ist noch kein Vorschlag gekommen. Hier heißt es vom Parteipräsident in einem Interview: Wir dürfen nicht wachsen. In einem anderen Interview vom Fraktionschef: Die Steuerreform geht nicht weit genug für Unternehmen. Wenn wir Betriebe noch weniger besteuern würden, gibt es ja aber wieder mehr Wachstum! Also was will die CSV? Und wie würden wir mit den Weniger-Einnahmen umgehen, wie diese ersetzen? (…)

Sie haben den Rifkin-Prozess bereits angesprochen: Können Sie schon über konkrete Ergebnisse sprechen?

Nein, aber wie gesagt, bis November wird in puncto dritter oder meinetwegen auch vierter industrieller Revolution alles auf dem Tisch liegen. Die Haupt-Schwerpunkte stehen ja fest: Informationstechnologien, grüne Energie, grüne Mobilität, „shared“ und „circular economy“.

Besitz wird in Zukunft nicht mehr so wichtig sein. „D’Jugend wäert sech an Zukunft iwwerleeën, op se e Prêt mécht fir eng Blechkëscht, déi och nach Assurance kascht, déi méi steet, wéi se fiert, an déi, wann een en Appartement keeft, och nach 50.000 Euro fir eng Stellplaz kascht.“ In Zukunft wird man die Mobilität kaufen, nicht das Auto. Das gilt auch für Materialien. Das Aluminium des Fensters hinter Ihnen könnte in Zukunft beispielsweise ein Fonds besitzen. Eine Firma „mietet“ dieses und erledigt die Verarbeitung hin zu einem Fenster, und für diesen „Service“ zahlt der Kunde, nicht mehr für den Besitz. Beim Beispiel Auto/Mobilität kommt dann auch schon ICT ins Spiel: übers Smartphone kucken, wo was frei ist … Dazu dann die „circular economy“: alles ist grundsätzlich wiederverwertbar. Es wird keinen Abfall mehr geben, bzw. weniger.

Das sagt den Leuten heute noch nicht so viel, aber es ist die Zukunft. Wir leben in einer extrem spannenden Zeit. Deshalb ist mir auch nicht bange vor Wachstum. Und die 1,1-Millionen-Einwohner-Debatte ist die falsche Debatte, davon sind wir noch weit weg. Wir hatten auch mal eine 700.000-Einwohner-Debatte … und da sind wir nun bald angekommen.

Ist das nicht alles vielleicht zu visionär für Luxemburg und „mir wëlle bleiwen, wat mir sinn“?

Ich deute diesen Spruch ja so: Wir wollen so visionär und so vorausschauend bleiben wie bisher!

Auch die Stahlindustrie war visionär in einem Agrarstaat. Es brauchte viel Immigration, aber Luxemburg wurde reich dadurch. Als dies nicht mehr funktionierte, kam der Finanzplatz. Auch darauf hat nichts hingedeutet. Oder die Satelliten. Da traute sich keine Versicherung ran, der Staat musste die Garantien leisten. Sehen Sie sich mal die Chamber-Debatten von damals an, da ging es um die Risiken, wenn so ein Satellit auf die Erde fallen würde … Und mit „SpaceResources.lu“ sind wir nun wieder beim Weltall. Die Initiative wird jetzt schon positiv bewertet.

Wir dürfen nicht auf die anderen warten, wir müssen versuchen, immer eine Handbreit weiter zu sein, uns etwas zu trauen. Das geht, weil wir klein sind, alles ist überschaubar, und wir müssen nicht zuerst noch mit Bundesländern, Regionen o.ä. diskutieren.

Und alle diese wirtschaftlichen Entwicklungen waren ja immer zugunsten von der Bevölkerung: Wir haben einen Lebensstandard, wie es ihn sonst nirgendwo gibt.

Das ganze Interview lesen Sie in der Tageblatt-Ausgabe vom 31. August (Print und Epaper).