Linkes Lager bei Wahl in Frankreich vorn

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Frankreich steht vor einer Premiere: Erstmals könnte mit Hollande ein linker Präsident mit Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments regieren. Im Senat hat er sie schon. Nach dem ersten Wahlgang sieht es auch in der Nationalversammlung gut für ihn aus.

Fünf Wochen nach dem Sieg von François Hollande bei der Präsidentenwahl sind Frankreichs Sozialisten weiter in der Erfolgsspur. Zusammen mit ihren Verbündeten lag die Sozialistische Partei (PS) am Sonntag nach Hochrechnungen in der ersten Runde der Wahlen zur Nationalversammlung vorn. Demnach entfielen auf die Sozialisten 275 bis 315 der 577 zu vergebenden Mandate. Insgesamt sehen Umfrage-Institute die Linke damit bei 46,9 Prozent der Stimmen. Sie kann hoffen, im zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag die Mehrheit zu festigen.

Das endgültige Abgeordnetenverhältnis wird erst nach der zweiten Wahlrunde in einer Woche feststehen. Sollte es wie erwartet eine neue Mehrheit in der Nationalversammlung geben, könnte die französische Linke nahezu ungehindert die Politik der zweitgrößten EU-Volkswirtschaft bestimmen. Es wäre zudem das erste Mal, dass in Frankreich eine linke Partei den Präsidenten stellt und zudem die Mehrheit in beiden Parlamentskammern hat. Im Senat hat die französische Linke bereit seit dem vergangenen Jahr eine Mehrheit.

Problemlos die absolute Mehrheit

Zusammen mit den Sitzen der Grünen (12-16) und des Linksbündnisses Front de Gauche (13-18) erreicht die PS damit problemlos die absolute Mehrheit, berichtete der TV-Sender TF 1. Der Nachrichtensender BFM-TV bescheinigte den Grünen sogar 18 Mandate. BFM-TV sah Hollandes Sozialisten ebenso wie die konservativ-rechte UMP des abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy nach den Hochrechnungen bei 35,2 Prozent der Stimmen. Der MoDem von François Bayrou spielt bei der Sitzvergabe wohl keine Rolle.

Laut TF1-Hochrechnung lag die UMP bei 230 bis 270 Sitzen. Die Union für eine Volksbewegung (UMP), die zuletzt ganz auf Sarkozy zugeschnitten war, hielt bislang die Mehrheit in der ersten Parlamentskammer. Nach seiner Wahlniederlage zog Sarkozy sich allerdings aus der Politik zurück.

FN feiert wohl Einzug ins Parlament

Stark schnitt am Sonntag erneut die Front National (FN) um die Rechtspopulistin Marine Le Pen ab. Mit ihrer Wahlplattform Rassemblement bleu Marine (Marine-blaue Allianz) holte sie nach Hochrechnungen des TV-Nachrichtensenders BFM 13,7 Prozent der Stimmen. Weil sie keine Verbündeten hat, werden der FN aber lediglich Chancen auf eine Handvoll Sitze eingeräumt – bisher stellt sie keine Abgeordneten. TF 1 sprach von keinem bis maximal drei Mandaten für die FN. Einen Achtungserfolg konnte die Chefin des FN jedoch feiern. Sie setzte sich in ihrem Wahlbezirk, im 11. Bezirk des Pas-de-Clais gegen den Chef des Front de Gauche, Jean-Luc Mélenchon durch, der nur Dritter wurde. Le Pen muss sich am 17. Juni jedoch noch gegen einen Kandidaten des PS behaupten. In Frankreich gilt das absolute Mehrheitswahlrecht, das kleine Parteien ohne Bündnispartner stark benachteiligt.

Hollande will mit einer Mehrheit im Parlament unter anderem eine umfassende Steuerreform einleiten, bei der Spitzenverdiener und Finanzinstitute deutlich stärker belastet werden sollen. Weitere Projekte sind die Einführung der Homo-Ehe und Änderungen an der Rentengesetzgebung. Das Rentenalter für jung ins Arbeitsleben gestartete Franzosen wurde bereits per Dekret wieder von 62 auf 60 Jahre gesenkt.

Zweite Runde am 17. Juni

Fünf Wochen nach der Präsidentenwahl waren bei den Wahlen zur Nationalversammlung rund 46 Millionen Franzosen aufgerufen, die 577 Sitze der ersten Parlamentskammer neu zu vergeben. Um bereits im ersten Wahlgang gewählt zu werden, brauchen die Kandidaten eine absolute Mehrheit in ihrem Wahlkreis. Dies schaffen jedoch nur die wenigsten. In den anderen Wahlkreisen gibt es am 17. Juni eine zweite Runde mit all jenen Kandidaten, die mindestens 12,5 Prozent der Stimmen der eingeschrieben Wähler erhielten.

Im Vergleich zur Präsidentenwahl am 6. Mai lag die Wahlbeteiligung am Sonntag deutlich niedriger, mit knapp 60 Prozent jedoch weitgehend auf dem Niveau des ersten Parlamentswahlgangs vor fünf Jahren.

Regierung im Test

Aus Hollandes Regierungsteam traten in ihren Wahlkreisen neben Premierminister Jean-Marc Ayrault 24 weitere Männer und Frauen an. Ayrault hatte angekündigt, dass Wahlverlierer ihren Platz im Kabinett abgeben müssen. Zum Beispiel Finanzminister Pierre Moscovici muss in die Stichwahl. Der Regierungschef rief noch am Abend dazu auf, in der zweiten Wahlrunde Hollandes linkem Programm eine breite Mehrheit zu geben. „Nur wenn die Sozialisten unter François Hollande am kommenden Sonntag eine breite Mehrheit erhalten, können wir unser Land wirklich verändern“, sagte Ayrault. Dazu gehörten 60.000 neue Lehrer, ein Wechsel zu erneuerbaren Energien, eine teilweise Rente mit 60 Jahren und ein Wachstumspaket für Europa.

Die Vorsitzende der französischen Sozialisten, Martine Aubry, zeigte sich am Sonntagabend froh darüber, dass „die Franzosen Ja gesagt haben zum von Hollande versprochenen Wandel“. UMP-Chef Jean-Francois Copé hingegen betonte, dass das Spiel noch nicht aus sei und die definitive Entscheidung über Frankreichs Zukunft er am nächsten Sonntag falle. Für einen Einzug in die zweite Runde müssen die Kandidaten mindestens 12,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen.