Lëtzebuerg „revisited“ – so ticken wir

Lëtzebuerg „revisited“ – so ticken wir
(dapd/Oliver Berg)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Es gibt viele Klischees über Luxemburg, doch wie ticken wir wirklich? Werden wir zur Uni-Hochburg? Wie wichtig ist uns Sprache? Ein Blick auf das moderne "Lëtzebuerg".

Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so sehr und schafft es regelmäßig in die Schlagzeilen: die Luxemburger Identität. Wer sind wir, welche Sprache gefällt uns im Alltag und wie sieht unsere Zukunft aus?

Wenn wir nicht gerade über eine Petition diskutieren, darf das Streitthema Nummer eins „en français, s’il vous plaît“ nicht fehlen. Ist unser Land jedoch so eindimensional, als dass unsere Sprache das einzige Thema wäre, auf das wir mit Wut oder Begeisterung blicken müssen?

Die vielen Facetten von „Lëtzebuerg“

Die Antwort lautet eindeutig Nein. Dabei muss man nicht nur auf abgedroschene Phrasen zurückgreifen, die an Multikulti-Tanzabende erinnern. Luxemburg hat viele Gesichter. Unsere Uni, die Künstler, die Unternehmen, die Kreativköpfe und viele andere Lebensbereiche waren noch nie so modern wie heute.

Und dennoch arbeiten wir uns immer wieder an dem Thema Sprache ab und scheinen dabei den Blick fürs Wesentliche zu verlieren. Wie viele Facetten „Lëtzebuerg“ jedoch hat, zeigt der Blick auf einige komplett subjektive, aber nackte Zahlen:

Obschon die Uni optisch noch nicht ganz auf der Höhe ist und mehr räumliche Gestaltungsfreiheit möglich sein muss, herrscht großes Interesse am Forschungsstandort Luxemburg. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Studenten der Uni.lu von 1.400 auf 3.600 angestiegen. Im Magazin „Times Higher Education“ belegte die Universität gar den 14. Platz unter den jungen Unis. Und auch Belval beginnt langsam, aber sicher zu vibrieren.

Während Entwicklungsländer dabei sind, ihre digitalen Netze erst auszubauen, ist Luxemburg an vorderster Online-Front. Alle Unternehmen haben der nationalen Statistik-Behörde „Statec“ zufolge einen Internetzugang. Für die Privathaushalte sind die Zahlen ähnlich ermutigend. Satte 97 Prozent der Luxemburger können zuhause im Web surfen und sind somit mit der Welt verbunden.

Junge Luxemburger zwischen 16 und 25 Jahren sind im Schnitt zufriedener mit ihrer Lebenssituation als ihre europäischen Nachbarn. Rund 8 von 10 Jugendlichen genießen demnach ihre Freizeit, den Beruf, persönliche Beziehungen und ihre finanzielle Situation. Allerdings hat die Zufriedenheit nichts mit den gesamteuropäischen Problemen in sozialen und wirtschaftlichen Fragen zu tun. So sind 23,9 Prozent unserer Jugendlichen vom Armutsrisiko betroffen.

In Luxemburg bleibt zwar der Staat der größte Arbeitsgeber mit rund 27.000 Angestellten, allerdings ist die Business-Kultur dynamischer, als uns Unternehmer und ihre Kritiker weißmachen wollen. Es schließen jährlich mehr als 2.000 Unternehmen, dafür werden aber gleichzeitig im Durchschnitt rund 3.000 neu gegründet. Entgegen geläufigen institutionellen Diskussionen exisitiert die Start-up-Mentalität bereits in Luxemburg. Allerdings zeigt eine Studie der Uni Luxemburg, dass der Innovationsgeist durch das Luxemburger Sozialmodell gebremst wird. Es fehle an sozialen Sicherheitsnetzwerken. Deswegen sei die Risikobereitschaft bei jungen Luxemburgern nur wenig ausgeprägt.

Wussten Sie zudem, dass die Top Five der Arbeitgeber nicht aus dem reinen Finanzsektor stammt? Hier die Reihenfolge der Top-Player: Staat (26.670), ArcelorMittal Group (4.260), Groupe Post Luxembourg (4.230), Groupe Cactus (4.150), Groupe CFL (4.060).

Luxemburgs Jugend unterscheidet sich in Sachen Heirat von vorherigen Generationen. Die privaten Übergänge vollziehen sich individueller. Früher fanden laut einer Studie der Uni Luxemburg die Eheschließung und der Auszug aus dem Elternhaus häufig im gleichen Jahr statt. Die geplante Eheschließung sei häufig Voraussetzung für den Auszug gewesen. Heute sind beide Vorgänge entkoppelt: „In der Regel erfolgt der Auszug aus dem Elternhaus heute deutlich vor einer Eheschließung.“ Auch sei die Eheschließung nicht mehr Voraussetzung für Elternschaft.

Die Luxemburger sind über die Generationen hinweg an Kultur interessiert. Für zwei Drittel der Menschen ist die Kultur laut einer Studie von TNS Ilres extrem wichtig. Und siehe da: Trotz Sprachstreit bedeutet Kultur für 78 Prozent der Luxemburger „Multikulturalismus“.

So ganz nebenbei, wenn wir die „En français“-Diskussion schon nicht lassen können: Wissen Sie, wo die Luxemburger am liebsten Urlaub machen? Richtig. In Frankreich verbringen über 15 Prozent ihren Urlaub. Deutschland folgt auf Platz zwei mit knapp 10 Prozent und Belgien auf Platz drei mit etwas weniger als 5 Prozent.

Lasst uns nicht nur über Sprache streiten. In Luxemburg schreitet die Moderne derweil voran.