Junckers Appell an Paris und Berlin

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Der Luxemburger Ex-Premier und Spitzenkandidat der europäischen Konservativen, Jean-Claude Juncker, hat Deutschland und Frankreich zu einer engeren Zusammenarbeit in der Europapolitik aufgerufen.

Frankreich und Deutschland seien „dazu verurteilt, sich zu verständigen“, sagte der ehemalige luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker in einem Gespräch mit der Nachrichtenagenur AFP. Die deutsch-französische Verständigung sei notwendig, damit Europa vorankomme. Doch derzeit sei sie „unzureichend“, betonte Juncker, der als Spitzenkandidat für die Europawahl Ende Mai zugleich der Kandidat der EVP für das Amt des Kommissionspräsidenten ist.

Er könne Deutschland und Frankreich dabei helfen, ihre Beziehungen wieder zu vertiefen, sagte er. Die Luxemburger lernten Deutsch und Französisch, weil kaum jemand Luxemburgisch lerne. „Daher verstehen wir die einen und die anderen, die oft Mühe haben, sich gegenseitig zu verstehen“, sagte Juncker.

Gemeinsames Vorgehen

Wie sein Gegenspieler Martin Schulz (SPD), der Spitzenkandidat der Sozialistischen Partei Europas (SPE), will sich Juncker im Falle einer Ernennung zum EU-Kommissionspräsidenten dafür einsetzen, dass sich die EU auf Fragen konzentriere, die tatsächlich ein gemeinsames Vorgehen erforderten.

Europa müsse „groß und ehrgeizig sein, wenn es um große Probleme geht“, sagte der Christdemokrat, der in dem Interview teilweise auf Deutsch und teilweise auf Französisch antwortete. Die EU müsse aber „mehr Bescheidenheit bei kleinen Dingen“ an den Tag legen, die besser in den Mitgliedstaaten geregelt werden könnten. „Nicht jedes Problem ist ein europäisches Problem“, sagte Juncker.

Der Christdemokrat räumte ein, dass er in vielen wichtigen Punkten auf der gleichen Linie liege wie der Sozialdemokrat Schulz, der gegenwärtige Präsident des Europaparlaments. Dies gelte etwa für die Forderung, Haushaltsdisziplin mit Maßnahmen zur Ankurbelung des Wachstums und zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu kombinieren. „Das sind zwei Seiten einer Medaille.“ Schulz sei für ihn „kein Feind, sondern ein Konkurrent“, betonte Juncker. Er halte nichts davon, „Unterschiede auszumachen, wo es keine gibt“.

„Hang zum Masochismus“

Zweifel an seinem Interesse am Amt des nächsten Kommissionspräsidenten wies Juncker zurück. Er habe zwar einen „Hang zum Masochismus“, der sei aber nicht so ausgeprägt, „dass ich mir diesen Wahlkampf zumuten würde, wenn ich das nicht wollte.“

Mehrere Europaabgeordnete, darunter der Ko-Vorsitzende der Grünen Daniel Cohn-Bendit, hatten in den vergangenen Wochen öffentlich bezweifelt, dass Juncker tatsächlich am Posten des Kommissionspräsidenten interessiert sei. Sie verwiesen darauf, dass der Luxemburger, der im Dezember 60 wird, vor seiner Ernennung zum EVP-Spitzenkandidaten Interesse an der Nachfolge des derzeitigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy bekundet hatte.

Für die Europawahl Ende Mai stellen die Parteienfamilien erstmals EU-weite Spitzenkandidaten auf, die auch als Bewerber für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten gelten. Aufgrund des Reformvertrags von Lissabon treffen die EU-Bürger bei der Wahl zum ersten Mal auch eine Vorentscheidung über den künftigen Kommissionschef. Der Vertrag schreibt vor, dass bei der Besetzung des Postens das Wahlergebnis berücksichtigt werden muss. Zuvor war das Amt von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten im Alleingang besetzt worden.